Ein Beitrag von Janet Binder
Die Bremerin Marita Jünemann-Sinden liefert Menschen mit deutschen Wurzeln im Ausland ein Stück Heimat ¬– mit Rezepten aus der deutschen Küche. Ob Käsekuchen, Fleischsalat oder Spargelcremesuppe, auf ihrer Internetseite „My Dinner“ hat die Bloggerin bereits mehr als 200 typische Gerichte in englischer Sprache veröffentlicht. Auch Bremer Spezialitäten sind darunter.
Auf dem Tisch vor Marita Jünemann-Sinden steht ein Käsekuchen, den sie am Tag zuvor gebacken hat. Sie will ihn appetitanregend fotografieren, dafür schneidet sie ein Stück heraus und richtet es auf einen Teller an. Das Foto wird sie später in den Sozialen Medien veröffentlichen. Auf Facebook folgen der Bremer Food-Bloggerin rund 24.000 Menschen. Die meisten von ihnen leben in den USA, gefolgt von England. Die anderen verteilen sich auf Kanada, Australien und Südafrika. Sie alle eint die Sehnsucht nach der deutschen Küche.
Denn ihre Follower haben meist deutsche Wurzeln; sie sind ausgewandert oder leben in zweiter, dritter Generation im englischsprachigen Ausland und sprechen kein oder nur wenig Deutsch. „Sie vermissen deutsches Essen“, sagt die 40-Jährige. Über ihre Kanäle in den Sozialen Medien postet Marita Jünemann-Sinden mehrmals am Tag Fotos von Speisen wie Hühnerfrikassee, Gurkensalat oder Apfelstreuselkuchen. 6.000 Menschen mit Liebe zu deutschem Essen versorgt sie zudem mit einem wöchentlichen Newsletter.
Käsekuchen-Rezept besonders beliebt
Die Rezepte in englischer Sprache veröffentlicht sie auf ihrer Website „My Dinner – Easy German Recipes“. Mehr als 200 Rezepte lassen sich dort mittlerweile finden, inklusive Fotos und genauer Anleitung, einige auch mit Videos. „Amerikaner lieben Sauerbraten und Rouladen“, sagt sie. Auch der klassische Käsekuchen stellte sich als beliebt heraus. „Mein ‚German Cheesecake‘ war eine Zeit lang bei den Google-Suchergebnissen die Nummer eins“, sagt Marita Jünemann-Sinden. Sie hat ein Rezept erarbeitet, das statt mit Quark auch mit Frischkäse und griechischem Joghurt gut funktioniert. „Ich habe schon viele positive Reaktionen dazu bekommen“, berichtet sie. Denn Quark in den USA zu finden, sei schwierig.
Immer wieder wird sie vor ähnliche Herausforderungen gestellt. „Beim Bienenstich mache ich den Vanillepudding selbst, weil es in England kein Puddingpulver gibt“, berichtet Marita Jünemann-Sinden. Sie weiß das aus eigener Erfahrung. Sie hat dort rund 20 Jahre gelebt. Das Interesse am Kochen und Backen hat sie von Zuhause mitbekommen. „Meine Mutter war eine sehr gute Köchin.“
Noch in der Schulzeit ging es nach England
In der Nähe von Frankfurt aufgewachsen, wechselte Jünemann-Sinden mit 16 Jahren auf ein englisches Internat, um dort ihr A-Level zu machen, das vergleichbar mit dem deutschen Abitur ist. Sie blieb in England, um zu studieren. „Ich habe viele Verwandte mütterlicherseits dort“, erzählt sie. Ihre Mutter stammt von den Philippinen, ihr Vater ist Deutscher, beide lernten sich in London kennen, wo ihre Mutter arbeitete und ihr Vater studierte. Später zog das Paar nach Frankfurt.
Auch Marita Jünemann-Sinden lernte ihren Mann, einen Engländer, in London kennen. Sie arbeitete dort nach dem Studium als Webkoordinatorin und gründete nebenbei den Blog „My Dinner“, um Fotos von ihrem Essen und von ihren Reisen zu veröffentlichen. Damals bemerkte sie schon, dass deutsche Rezepte auf ihrem Blog besonders gern angeklickt wurden. Dann kamen ihre ersten zwei Kinder auf die Welt, ein Haus musste renoviert werden – der Blog blieb auf der Strecke.
2019 zurück nach Deutschland gekommen
„Als meine Mutter 2019 schwer krank wurde, wollte ich wieder zurück nach Deutschland“, erzählt Jünemann-Sinden. Der Zufall wollte es, dass ihr Mann einen Job in der Forschung in Bremen fand – der Heimat ihres Vaters. In der Hansestadt fühlte sich die vierköpfige Familie sofort wohl. „Mit Kindern ist Bremen besser als London, hier können sie überall rumlaufen, alles ist so nah und sehr grün. Man trifft zufällig Leute in der Innenstadt, die man kennt. Das würde in London nie passieren“, freut sie sich. In Bremen kam das dritte Kind dazu.
Website mit mehr als 50.000 Besuchen im Monat
Als die Kinderbetreuung organisiert war, widmete sich Marita Jünemann-Sinden wieder verstärkt ihrem Blog. „Ich habe Kurse belegt, um die Website zu optimieren und habe gesehen, dass man Geld damit verdienen kann, wenn man sich richtig kümmert.“ Ein Jahr lang veröffentlichte sie pro Woche zwei neue Rezepte von traditionellen deutschen Speisen – bis sie schließlich 50.000 Besuche im Monat auf ihrer Website hatte. „Das ist die entscheidende Marke, ab der Premium-Anbieter Interesse haben, Werbung zu schalten“, sagt Marita Jünemann-Sinden. Die Arbeit hat sich für sie gelohnt: Die Bloggerin bekommt seitdem regelmäßige Werbeeinnahmen. „Die Höhe hängt von den Klicks ab, und die schwanken saisonal. Im Winter wird die Website deutlich häufiger besucht, wenn nach Rezepten für Weihnachtsplätzchen oder Stollen gesucht wird“, sagt sie.
Interviews mit „Times“ und der BBC
Um die Website attraktiv für Suchmaschinen zu halten, muss sie auch zu bereits veröffentlichten Rezepten immer wieder neue Fotos stellen. Daher hat sie den beliebten Käsekuchen gerade noch einmal gebacken. Sie selbst ist selten auf ihren Fotos oder Videos zu sehen. „Ich bin noch ein bisschen kamerascheu“, sagt sie. Dafür postet sie schon mal Videos von ihrem Garten oder von Ausflügen. Auch die Medien in England sind bereits auf die Bloggerin aus Bremen aufmerksam geworden. Die „Times“ interviewte sie zum Thema „Currywurst versus Döner Kebab“ und der Sender BBC anlässlich eines Fußballländerspiels zwischen England und Deutschland.
„Kohlfahrten are the best“
Auch Rezepte mit Lokalkolorit wie Bremer Klaben, Rote Grütze und Grünkohl kommen bei Marita Jünemann-Sinden nicht zu kurz. Sie müssen für ihre Nutzerinnen und Nutzer mitunter abgewandelt werden. Die Pinkelwurst für den traditionellen Grünkohl lässt sich im Ausland nicht finden, aber für die Mettwurst hat sie einen Ersatz gefunden: Kielbasa – eine geräucherte polnische Wurst, die es im englischsprachigen Raum zu kaufen gibt. Zu einigen Rezepten schreibt sie auch die passenden Hintergrundgeschichten, beim Grünkohl, der in Bremen auch Braunkohl heißt, liegen sie auf der Hand. In den Kommentaren unter ihren Posts in den Sozialen Medien wird die Sehnsucht nach der deutschen Heimat immer wieder deutlich. So schreibt Michael Claus aus Dover in New Hamshire: „Kohlfahrten are the best and I miss them a lot“ (Kohlfahrten sind das Beste und ich vermisse sie sehr).
Einen der schönsten Kommentare habe sie von einer Frau aus den USA bekommen, sagt Marita Jünemann-Sinden. „Sie schrieb, dass sie dank meiner Rezepte ihrer über 90-jährigen Mutter noch Gerichte aus der Heimat zubereiten konnte, bevor sie starb.“ Von Bekannten in Deutschland werde sie hin und wieder gefragt, warum sie denn einen Food-Blog mit deutschem Essen habe – das sei doch langweilig. Das aber sehen ihre Follower im Ausland ganz anders. „I love German food“, schreibt „Top-Fan“ Wendy Pearce aus Bear Valley Springs in Kalifornien in einem Kommentar.