Haggis, Bier und Christmas Pudding – Im Englisch Club von Bremen geht es ‚very british‘ zu

22. Dezember 2023

Ein Beitrag von Imke Zimmermann

Wendy Perkins kam als Teenager nach Bremen. © WFB/Björn Hake

Vor ein paar Wochen verbrannten sie symbolisch die Strohpuppe des englischen Attentäters Guy Fawkes aus dem 17. Jahrhundert, demnächst feiern sie den 265. Geburtstag des schottischen Dichters Robert Burns. Auch wenn die wenigsten Mitglieder des Bremer English Clubs Briten sind, ist Englisch hier Verkehrssprache.

Das Stimmengewirr ist eindrucksvoll, die Lautstärke ebenfalls – mehr als 20 Personen drängen sich in dem kleinen Raum, scherzen, lachen, unterhalten sich angeregt. Manche sitzen auf gespendeten Sofas, Sesseln oder einfach Tischchen, andere drängen sich um die original britisch wirkende Bar, in der sogar die traditionelle Messingglocke nicht fehlt, mit der früher die Sperrstunde angekündigt wurde.

Es ist Freitagabend, allwöchentlicher Haupttreff im English Club in Bremen. Bardienst hat heute Wendy Perkins. Sie kam 1981 als Teenager von Großbritannien nach Bremen, weil ihr Vater hierhin versetzt worden war. Wendy spricht längst akzentfrei Deutsch – was zeitweilig quasi zum Problem wurde. Ihre Mutter nämlich ging irgendwann zurück nach England, sie selbst blieb. „Und ich merkte, wenn ich mit ihr telefonierte, dass ich immer häufiger deutsche Worte einstreute“, erinnert sich die 56-Jährige. Dann hörte sie vom English Club und trat ein, um ihre Muttersprache flüssig zu halten. „Ich fühle mich zu Hause hier“, resümiert sie, „es ist eine Heimat fern der Heimat.“

Nationalität spielt keine Rolle

Wendy Perkins ist eine von aktuell zwölf Clubmitgliedern, deren Muttersprache Englisch ist. Die meisten anderen der rund 50 Mitglieder sind Deutsche, doch gehören dem Club auch einige Ukrainer, eine Spanierin, eine Französin und eine Philippinin an. „Unser Motto lautet, Nationality makes no Difference‘“, sagt Englisch-Dozentin Karolin Halmai-Samel. Damit setzt der Club auch die Tradition Bremens als weltoffene Handelsstadt fort. „Die Nationalität spielt für uns keine Rolle. Hier ist jeder willkommen, der Spaß daran hat, sich auf Englisch zu unterhalten“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Clubs.

Thomas Tillmann-Bramkamp und Karolin Halmai-Samel stoßen an. © WFB/Björn Hake

Das ist so seit Gründertagen. 1987 hoben die Mitglieder eines Kurses für englische Konversation den Club aus der Taufe und suchten sich ein erstes Vereinslokal im Bremer Westen. Über die Jahre füllten sich die Regale mit englischsprachigen Büchern und Videos zum Ausleihen, das Domizil musste größer und zeitgemäßer werden. Heute residiert der Verein im ersten Stock eines Gebäudes gleich hinter dem Überseemuseum am Hauptbahnhof – durchaus passend, steht das Museum doch auch für die Weltoffenheit von Bremen.

Gespräche auf Englisch stehen im Mittelpunkt

Das Gespräch auf Englisch vor allem an Freitagen, aber auch mittwochs steht bis heute im Mittelpunkt der Aktivitäten. Doch verbinden die Mitglieder ihre Unterhaltungen oft und gern mit Veranstaltungen. Einmal monatlich gibt es „Celtic Folk Folklore“ zum Mitsingen, regelmäßig stricken die Knit Wits gemeinsam – der Name ist ein Wortspiel mit dem Ausdruck „nitwits“ – Dussel. Die Literaturgruppe trifft sich per Zoom, weil sie während der Corona-Pandemie startete und ihr viele inzwischen Fortgezogene angehören. Auch unabhängig vom Lesehobby treffen sich die Bremerinnen und Bremer virtuell mit auswärtigen früheren Mitgliedern: „Die bleiben uns treu, weil dieser Club so besonders ist – so informell und locker. Etwas Vergleichbares fänden sie nicht, erzählen uns viele Ex-Patriots“, berichtet Karolin Halmai-Samel.

Tradition von Christmas Dinner bis Burns Supper

Und dann sind da die besonderen Anlässe. Im Advent steht traditionell das Christmas Dinner auf dem Programm, natürlich mit Pute und einem Christmas Pudding, der flambiert wird. Am 20. Januar 2024 ist dann Robert Burns Supper – ein Abendessen zu Ehren des großen schottischen Dichters, der 1759 geboren wurde. Zwar eigentlich am 25. Januar, doch weil der im Jahr 2024 auf einen Donnerstag fällt und viele Mitglieder des Clubs berufstätig sind, entschied man sich für den Samstag davor. „Das traditionelle Burns Supper dauert schließlich gut und gern vier Stunden“, berichtet Thomas Tillmann-Bramkamp. Denn allerhand Rituale durchziehen den Abend.

Club-Präsident David Reid mit der Flagge anlässlich von Charles‘ Kröning. © WFB/Björn Hake

Tillmann-Bramkamp („Ich bin Teilzeit-Schotte“) übernimmt es alljährlich gemeinsam mit dem Briten Frank Rigley, das Herzstück des Mahls zuzubereiten: das schottische Nationalgericht Haggis. Dafür wird traditionell ein Schafsmagen mit kleingehackten Innereien eines Schafes wie Herz, Lunge und Nieren sowie Hafermehl und Zwiebeln gefüllt und stundenlang gekocht. „Wir machen es uns aber etwas einfacher und nehmen einen Bratschlauch und Innereien aller Art“, sagt der Bremer Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Altersteilzeit.

Wenn im großen Saal des Vereinslokals das Haggis samt „neeps and tatties“ – pürierte „turnips and potatoes“, also Rüben und Kartoffeln – auf den Tisch kommt, hält ein Clubmitglied spielerisch Frank Rigley ein Messer an den Hals und droht zuzustechen. So sieht es das Ritual vor. Bis Karolin Halmai-Salmel die Situation auflöst, das Gericht für gut befindet und gegessen werden kann. Halmai-Salmel übernimmt die Aufgabe vom amtierenden Präsidenten David Reid: Der kanadische Mathematikprofessor arbeitet inzwischen in Norwegen und ist nicht mehr so häufig in Bremen.

Viel Sinn für Partys

Keine Frage, der Club versteht zu feiern – gern auch an Halloween, bei einer 1920er-Jahre-Fete oder ganz spontan am Freitagabend. „Manchmal bekommen die Leute Lust auf Party und Tanzen“, sagt Wendy Perkins. „Das kann dann schonmal bis 2, 3 Uhr morgens dauern – wir haben hier immer open end.“

Besonders groß war der Andrang anlässlich der Krönung von Charles III. am 6. Mai 2023, zumal der Club diesen Anlass mit einem Tag der offenen Tür verband. „Mehr als 100 Leute waren hier“, berichtet Karolin Halmai-Samel. Gemeinsam verfolgte man auf dem clubeigenen Fernseher die Feierlichkeiten, stärkte sich zum Beispiel an einem Full English Breakfast mit Spiegeleiern, Würstchen und gebackenen Bohnen. Gern sollen es auch dauerhaft wieder so viele Mitglieder werden wie in früheren Jahren. „Im Zuge der Corona-Pandemie sind viele Mitglieder weggeblieben“, sagt die 55-Jährige – eine Erfahrung, die viele Vereine gemacht haben. „Aber wir wollen daran arbeiten. Und wir machen auch wieder mehr Veranstaltungen. Im Januar zum Beispiel planen wir den ersten Filmabend seit Jahren.“ Natürlich in englischer Sprache.