Stilvoll und gemütlich mit der „Marie“ durch den Bremer Bürgerpark gleiten

21. Juni 2024

Ein Beitrag von Ira Scheidig

Norbert Goyke (links) und Skipper Axel Stuppy auf der „Marie“ © WFB/Lehmkühler

Seit zehn Jahren fährt das Holzschiff „Marie“ durch den Bremer Bürgerpark, der zu den größten Stadtparks Deutschlands zählt. Einmalig ist der Park, weil es allein die Bremerinnen und Bremer sind, die mit ihrem finanziellen Engagement für seinen Erhalt sorgen. Mit der nach Originalplänen gebauten „Marie“ wurde die Tradition der Ausflugsboote wiederbelebt.

Leise und erhaben schnurrt die „Marie“ vom Anleger los. Mit rund vier Kilometern pro Stunde gleitet das Holzschiff langsam durchs Wasser. Ein fast geräuschloser Elektromotor macht das ruhige Fahren möglich, kein Dieselmotor stört die Atmosphäre. Vögel zwitschern, Enten und Gänse queren die Wege. Seit mehr als zehn Jahren ist das Fahrgastschiff „Marie“ im Bremer Bürgerpark unterwegs. Vom Wasser aus ergibt sich eine ganz andere Perspektive als von den zahlreichen Spazierwegen, die durch den Park mäandern. Die „Marie“ knüpft an eine alte Tradition an: Denn im Bürgerpark wurde nicht nur flaniert, gerudert und geritten, von 1908 bis zum Zweiten Weltkrieg befuhren auch zwei Ausflugsboote, die „Marie“ und die „Meierei“, den zentralen Wasserlauf des Stadtparks. Beide Boote gingen allerdings im Krieg verloren.

Nach Originalplänen gebaut – mit modernem Standard

Zahlreiche Spenden und viel persönliches Engagement ermöglichten einen Neubau der „Marie“ nach Originalplänen. Rund 150.000 Euro hat dies gekostet. „Die Idee dazu kam aus dem Vorstand des Bürgerparkvereins“, erzählt Bürgerparkdirektor Tim Großmann, „dann wurde nach alten Pläne gesucht.“ Die „Marie“ ist allerdings keine reine Kopie, sondern ein Neubau nach heutigem Standard. Sie wurde größtenteils aus Lärchenholz gefertigt, die Außenhaut mit Mahagoniholz veredelt, auf Hochglanz poliert und mit einem Elektromotor versehen. Das Schiff ist ganze 12,6 Meter lang und 2,60 Meter breit. Ein Leichtgewicht ist es nicht: Es wiegt leer 4,2 Tonnen. Im April 2013 wurde es erstmals zu Wasser gelassen.

Abends kehrt es in ein eigens dafür errichtetes Bootshaus am Meiereisee ein, und der Akku für die nächsten Touren wird geladen. „Früher wurden die Schiffe mit Petroleum betrieben“, erzählt Thomas Wessel, Chefskipper und Koordinator der Fahrten. Er war von der ersten Stunde an als Skipper dabei und sorgt dafür, dass die Technik funktioniert. „Es macht immer noch Spaß. Ich genieße die Ruhe und die Natur. Der Blick ist jedes Mal anders“, erzählt er.

Die Rundtour beginnt im Meiereisee © WFB/Lehmkühler

Anderthalb Stunden Rundfahrt durch den Park

Etwa anderthalb Stunden dauert eine Rundfahrt durch den Park, viereinhalb Kilometer werden zurückgelegt, vier Anleger angesteuert. „Es wurde versucht, die alten Standorte der Stege nachzuvollziehen“, berichtet Tim Großmann. Los geht es am Meiereisee, von da nimmt das Schiff Kurs auf den Emmasee, dann geht es über Anleger am Tiergehege und an der Waldbühne zurück zum Ausgangspunkt. Die Fahrgäste können zwischendurch jederzeit aus- und einsteigen. Die „Marie“ ist von Mai bis Anfang Oktober stets am Wochenende unterwegs: freitags dreimal, samstags, sonntags und an Feiertagen gibt es jeweils vier Touren. Auch private Charterfahrten sind möglich. Nur bei Bremer Schmuddelwetter bleibt das Schiff im Bootshaus.

Stets mit an Bord ist Norbert Goyke. Er hilft beim An- und Ablegen und kann den Gästen an Bord während der Fahrt allerlei Wissenswertes über den Park erzählen – lustige Anekdoten kommen bei ihm nicht zu kurz. Ob auch ein bisschen Seemannsgarn gesponnen wird? Das bleibt das Geheimnis der Besatzung. „Ich bin seit 2018 dabei und es macht mir viel Spaß. Es sind jedes Mal andere Gäste und ich habe Lust, ihnen Geschichten zu erzählen“, sagt Goyke. Die Passagiere erfahren von ihm etwas über Flora und Fauna, die Tierwelt und über die zahlreichen historischen Brücken, unter denen das Schiff während der Fahrt durchgleitet. So wie die erhabene Melchersbrücke: Sie ist die einzige, die als Steinbrücke noch so erhalten ist, wie sie 1883 gebaut wurde.

Ein Dutzend ehrenamtliche Skipper stellt Betrieb sicher

Der Skipper an diesem Tag ist Axel Stuppy; er ist gerade erst neu zum Team dazugestoßen. Bevor er im Rentenalter auf der „Marie“ landete, war er unter anderem Journalist, Fotograf und Rettungsschwimmer auf Wangerooge. Als er die „Marie“ im Bürgerpark zum ersten Mal sah, dachte er: „Was für eine Schönheit“. Er bewarb sich als Skipper, an diesem Tag fährt er seine erste Tour. „Ich mag die Ruhe auf dem Wasser und mitten in der Stadt die Natur“, freut sich Stuppy über seine neue Aufgabe. Ein Dutzend ehrenamtlicher Skipper steht für den Fahrdienst durch den historischen Park bereit. „Jeder Skipper hat seine Eigenarten“, lacht Koordinator Thomas Wessel.

Skipper Axel Stuppy am Ruder der „Marie“ © WFB/Lehmkühler

Die „Marie“ gleitet weiter durch das flache Wasser. Gerade mal 80 bis 100 Zentimeter tief ist es in den Wasserläufen, rund zwei bis drei Meter in der Mitte der Seen. Das flache Wasser führte schon mal zum Stopp der Ausflugsfahrten. Im trockenen und heißen Sommer 2018 war der Wasserstand so gering, dass sich der Propeller im Schlamm des Untergrundes festfuhr. Die Fahrten mussten eingestellt werden.

30 Passagiere haben Platz an Bord

30 Passagiere passen an Bord und sitzen entlang der Reling auf bequemen Bänken. „Das Publikum ist bunt gemischt. Auch viele Touristen nutzen das Angebot“, erzählt Wessel. Die Gäste der heutigen Tour sind sichtbar begeistert. „Das strahlt so viel Ruhe aus“, freut sich die Bremerin Marie-Luise Stelter. Es ist ihre erste Fahrt mit der „Marie“. Antje Happel, ebenfalls aus Bremen, findet, „es ist wie ein Zauberwald hier“. Während der Fahrt sorgt das Schiff immer wieder für Aufmerksamkeit bei anderen Parkbesuchern und -besucherinnen. Die Menschen winken von den Brücken und den Wegen. Die „Marie“ gleitet an Ruderbooten vorbei, die im Bürgerpark gemietet werden können – die Ruderer rufen ein „Ahoi“ herüber.

Am Ende des Tages geht es zurück ins Bootshaus © WFB/Lehmkühler

Der rund 200 Hektar große unter Denkmalschutz stehende Bürgerpark liegt mitten im Herzen der Stadt und ist bei Jung und Alt, Groß und Klein beliebt. „Für Herr und Gesind, Mann, Weib und Kind, zu Nutz und Freud, für alle Zeit“, so lautete schon das Motto der Gründerväter. „Die Bedeutung des Parks ist für die Stadtgesellschaft nicht zu unterschätzen“, so der Bürgerparkdirektor. „Der Bremer Bürgerpark gehört zu den größten Stadtparks in Deutschland“, so Großmann. „Das Besondere ist, dass wir deutschlandweit die einzige Parkanlage in der Größe sind, die sich ausschließlich aus privaten Zuwendungen finanziert. Wir sind unabhängig.“ Und dadurch ist er ein „Bürger-Park“ im Wortsinne.

„Bereicherung für den Park“

Und auch auf eine zweite Besonderheit weist Tim Großmann hin: „Seit dem Anlegen des Parks 1866 hat sich der Park nicht verändert, er ist in der Ursprungsform erhalten geblieben.“ Auch die Bedeutung des Parks sei extrem vielfältig, gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels. Hier kann Regen versickern, gleichzeitig ist er mit seinen vielen Bäumen temperaturausgleichend. „Der Park hat eine ökologische Bedeutung für die Tier- und Pflanzenwelt und eine soziale Bedeutung als Naherholungsgebiet für die Menschen“, betont der Bürgerparkdirektor. Auch er ist natürlich schon öfter mit der „Marie“ gefahren. „Ich genieße es sehr. Die Fahrt ist wunderschön, entschleunigend und sehr beruhigend. Die ‚Marie‘ ist eine Bereicherung für den Park.“