Das Residenzensemble Schwerin wurde in die UNESCO-Liste des Menschheitserbes aufgenommen. Das beschloss das Welterebekomitee auf seiner aktuellen Tagung in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Die Anlage, die das Schweriner Schloss und über 30 weitere historische Gebäude und Gärten umfasst, zeugt von der letzten Blüte höfischer Kultur und Schlossbaukunst im Europa des 19. Jahrhunderts.
Es steht nun auf einer Liste mit der Inka-Stadt Machu Picchu in Peru, den Pyramiden von Gizeh oder der Akropolis von Athen. Das zuständige Komitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (UNESCO) traf die Entscheidung am Samstag auf seiner 46. Sitzung in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi.
Mit Jubelrufen und freudigem Applaus reagierten Hunderte Menschen bei Veranstaltungen im Rathaus und Landtag in Schwerin auf die Verkündung der Entscheidung. Flaggen und Banner mit der Aufschrift „Wir sind Welterbe“ schmückten die Stadt.
Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Maria Böhmer sagte: „Die Aufnahme der Schweriner Residenz in die Welterbeliste ist eine wunderbare Anerkennung der kulturellen und historischen Bedeutung dieser eindrucksvollen Stadt. Das Ensemble ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern steht auch für die lebendige Verbindung von Geschichte und Gegenwart. Als Sitz des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern ist das Schweriner Schloss heute ein Symbol unserer Demokratie. Mein herzlicher Glückwunsch gilt allen, die sich über viele Jahre hinweg mit großem Engagement für diesen Erfolg eingesetzt haben!“
Mehr als 30 Bauten und Anlagen im Residenzensemble
Malerisch am Seeufer gelegen, gilt das Schweriner Schloss als Herzstück des Ensembles. Der junge Großherzog Friedrich Franz II. veranlasste Mitte des 19. Jahrhunderts den umfassenden Umbau des traditionsreichen Palastes, um die lange Geschichte des Hauses Mecklenburg-Schwerin baulich in Szene zu setzen. Das Adelsgeschlecht war zwar weder wirtschaftlich noch militärisch besonders einflussreich, doch Friedrich Franz II. war entschlossen, die historische Bedeutung seiner Familie deutlich zu machen. Dadurch wurde das Residenzensemble zu einem außergewöhnlichen Beispiel für den damals verbreiteten Historismus: Durch die Nachahmung und das Zitieren historischer Baustile – darunter Neorenaissance, Neobarock, Neoklassizismus und Neogotik, aber auch der regionale Johann-Albrecht-Stil – konnten der Großherzog und sein Hofbaumeister Georg Adolf Demmler die lange Herrschaftstradition der Dynastie im wahrsten Sinne des Wortes untermauern.
Diese stilistische Vielfalt ist einzigartig und verleiht dem Ensemble seinen besonderen Charakter. Das Zusammenspiel der Baustile, Gebäude und Parks fügt sich in Schwerin zu einem harmonischen Gesamtkunstwerk, das die gesamte Infrastruktur des höfischen Lebens und die romantische Ästhetik des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Neben dem Schloss, dem Theater und drei Kirchen sind Militärgebäude, der Bahnhof, eine ehemalige Schule für höfische Beamte, ein Palais, Wohnhäuser und sogar ein Krankenpferdestall nun Teil des Welterbe-Ensembles.
Im Mittelpunkt das Schloss
Im Mittelpunkt steht das Schweriner Schloss, das mehr als 200.000 Besucher im Jahr zählt. Es erlitt während des Zweiten Weltkriegs keine Bombenschäden und reicht bis zum Hauptbahnhof mit seinem einst der Herrscherfamilie vorbehaltenen Fürstenzimmer. Das im Kern viel ältere Schloss erhielt erst Mitte des 19. Jahrhunderts sein heutiges romantisches Aussehen, das es zum Besuchermagneten und auch schon zur Kulisse internationaler Filmproduktionen machte.
Schwesig spricht von Glückstag für MV
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig dankte allen Beteiligten an der Bewerbung für ihre Bemühungen. „Was für ein Erfolg, was für ein Glückstag für die Landeshauptstadt Schwerin, was für ein Glückstag für ganz Mecklenburg-Vorpommern. Diese Entscheidung ist für uns eine große Ehre.“ Man werde die Chance nutzen, Schwerin noch bekannter zu machen, auch international. Die Idee, Schwerin auf die Welterbeliste zu bringen, ist schon mehr als 20 Jahre alt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte der Stadt zur Auszeichnung: „Herzlichen Glückwunsch zum Welterbe, Schwerin!“
53 Welterbestätten in Deutschland
Bereits am Freitag hatte das Gremium in Neu-Delhi über einen Antrag mit deutscher Beteiligung entschieden: Die sächsische Kleinstadt Herrnhut hat den Titel als Teil der Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine ebenfalls erhalten. Herrnhut ist der Ursprung für die Evangelische Brüdergemeine. Das fehlende „d“ ist der Sprache dieser Zeit geschuldet, als man noch von Gemeine sprach.
Das Welterbekomitee entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Zustand eingeschriebener Stätten. Auf der Welterbeliste stehen mehr als 1200 Kultur- und Naturstätten in 168 Ländern. 56 davon gelten als bedroht. Deutschland hat jetzt 53 Welterbestätten.
Schweriner Residenzensemble bereichert UNESCO-Reigen in MV
Das Schweriner Residenzensemble bereichert den UNESCO-Reigen im Urlaubsland: Seit 2002 gehören die Altstädte von Wismar und Stralsund zum Welterbe; zudem gibt es mit einem 44 Hektar großen Abschnitt der Serrahner Buchenwälder im Müritz-Nationalpark sowie einem 493 Hektar großen Buchenwald im Nationalpark Jasmund auf der Insel Rügen zwei Wälder in Mecklenburg-Vorpommern, die zum UNESCO-Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder“ zählen.
Darüber hinaus gibt es Traditionen und Bräuche in Mecklenburg-Vorpommern, die in das „Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland“ Eingang fanden: die Herstellung der Darßer Türen, das Barther Kinderfest, das Bewahren der Tradition der Zeesboote, der Brauch des Martensmannes, das Tonnenabschlagen auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, die Vielfalt des Sagenerzählens, das Malchower Volksfest sowie die Revitalisierung des Spiels auf der diatonischen Handharmonika. Die UNESCO-Biosphärenrerservate Schaalsee, Südost-Rügen und Flusslandschaft Elbe komplettieren den UNESCO-Reigen.