Johanna Rädecke

Redakteurin

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Schaumschlägerei in Eisfabriken

Mehr Luft als Masse im Eis
25. August 2020

In zahlreichen Produkten fanden sich bei einem Test mehr Luft als Eismasse in der Verpackung. Nun lässt die Verbraucherzentrale Hamburg die Luft aus dem beliebten Speiseeis. 

Industriell produziertes Eis wird oft mit viel Luft aufgeschlagen. Das sorgt für einen cremigen Eisgenuss und spart Kosten bei der Herstellung. Wie viel Luft Eis tatsächlich enthält, erfahren Verbraucher beim Einkauf nicht, denn die Füllmenge darf in Deutschland in Volumen gekennzeichnet werden. Das Gewicht beispielsweise in Gramm anzugeben, ist nicht verpflichtend. Die aktualisierte Fertigverpackungsverordnung, über die der Bundesrat im September abschließend entscheiden muss, wird Eisliebhabern nicht mehr Klarheit bringen. Die Verbraucherzentrale Hamburg zeigt in eindrücklichen Bildern einer Stichprobe mit sechs Sorten Vanilleeis, wie viel Luft wirklich in Eispackungen steckt. „Die Schaumschläger unter den Eisherstellern profitieren von der aktuellen Rechtslage. Dass sich daran wohl auch in Zukunft nichts ändern wird, ist ärgerlich und nicht nachvollziehbar“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Gesetzgeber hatte ursprünglich vorgesehen, die Kennzeichnung von Speiseeis mit einer Masseeinheit wie Gramm verbraucherfreundlicher zu gestalten. „Doch die Lobbyisten der Lebensmittelindustrie haben sich mal wieder durchgesetzt und die Verbraucher stehen hinten an“, so Valet. 


Ausnahmeregelung

Normalerweise wird bei festen Nahrungsmitteln der Preis pro Kilogramm angegeben. Beim abgepackten Speiseeis ist das anders, dafür sorgt eine Ausnahmeregelung in der Fertigverpackungsverordnung. Demnach ist bei Speiseeis ein Hinweis auf das Gewicht nicht vorgeschrieben, sondern lediglich die Volumenangabe. Die Verbraucherzentrale Hamburg kritisiert diese Regelung nach einem Test verschiedener Produkte: Dass die Hersteller teils „jede Menge Luft“ ins Eis schlagen, sei so für den Verbraucher nicht zu sehen. Kleine Luftbläschen machten das Eis zwar cremig – viele Hersteller trieben dies jedoch „auf die Spitze“.

Cremissimo Bourbon Vanille Laktosefrei: 850ml Eis ergeben nur 412 Gramm Eis. ©vzhh

Die Verbraucherzentrale testete sechs Vanilleeisprodukte, indem sie das Eis zunächst schmelzen ließ und dann wieder einfror. Manche Packung „war danach nur noch zur Hälfte gefüllt“. Der Lufteinschlag betrug bei den sechs Produkten etwa 25 Prozent bis zu über 100 Prozent – in manchen Fällen war also mehr Luft darin als Masse. Je höher der Lufteinschlag war, desto mehr Stabilisatoren, Emulgatoren, Farb- und Aromastoffe müssen die Hersteller laut Verbraucherschützern einsetzen, „damit das Eis auch nach etwas schmeckt“. Die Tester zählten bis zu 14 Zutaten für ein Eis inklusive Zusatzstoffe.

Für die Verbraucherschützer ebenfalls problematisch: Für den Grundpreis – also den Preis pro Kilogramm oder Liter – wird die Volumengröße der Verpackung als Bezugsgröße herangezogen. „Luftnummern“ unter den Eismarken profitierten, indem sie günstiger wirkten, so die Verbraucherschützer. Am besten schnitt im Test noch das hochpreisige Vanilleeis von Häagen-Dazs ab: Hier betrug der Luftanteil nur rund ein Viertel.

Die Lebensmittelinformationsverordnung schreibt vor, dass die Nettofüllmenge eines Lebensmittels „bei flüssigen Erzeugnissen in Volumeneinheiten, bei sonstigen Erzeugnissen in Masseeinheiten“ zu kennzeichnen ist, wie die Verbraucherzentrale erläuterte. Speiseeis sei zwar fest, die Menge dürfe jedoch wegen einer Ausnahmeregelung in der sogenannten Fertigpackungsverordnung in Volumen angegeben werden.

Über eine Reform dieser Verordnung soll Mitte September der Bundesrat abschließend entscheiden. Laut Verbraucherzentrale wurde die Ausnahme für Eis im aktuellen Entwurf jedoch beibehalten. Die für das Messwesen innerhalb Europas zuständige Organisation empfiehlt demnach in einem Leitfaden für Speiseeis ausdrücklich eine Nettogewichtskennzeichnung; in Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich oder den Niederlanden werde das auch längst so umgesetzt. Warum der deutsche Gesetzgeber dies nicht tue, „ist uns völlig schleierhaft“, kritisierten die Verbraucherschützer.

Weitere Informationen zum Thema: www.vzhh.de/lufteis