Jens Mecklenburg

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Die große Panscherei

Olivenöle im Test
19. August 2020

Der Mittelmeerraum ist die historische Heimat des Ölbaums. Im klassischen Altertum gab es keinen Baum, der so viel Nutzen brachte, so wertvoll war und von den Völkern des Mittelmeerraums so verehrt wurde wie Olea europea.

Heute erfreut sich Olivenöl auch in Deutschland höchster Wertschätzung. Mit dem Einzug der mediterranen Küche in den 70er bis 90er Jahren hielt auch – vollkommen zurecht – Olivenöl Einzug in die deutsche Küche.

Was derart wertgeschätzt wird, von dem man aber so wenig Ahnung hat, war und ist immer wieder Gegenstand von Fälschungen und Manipulationen. So berichtete auch wieder jüngst das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), dass bei Olivenöl in der höchsten ausgelobten Qualitätsstufe „nativ extra“ minderwertigere Öle bis hin zu Lampant- und Fremdöl beklagte.


Die europäischen Vermarktungsvorschriften nennen acht Qualitätsstufen:

Natives Olivenöl extra

Natives Olivenöl

Lampantöl

Raffiniertes Olivenöl

Olivenöl – bestehend aus raffinierten und nativen Olivenölen  

Rohes Oliventresteröl 

Raffiniertes Oliventresteröl  

Oliventresteröl


Diese Klassifizierung ist aber für Verbraucher eher theoretischer Natur, denn eigentlich verkauft sich hierzulande so gut wie ausschließlich „natives Olivenöl extra“, auch „nativ extra“ oder italienisch „extra virgine“ gekennzeichnet. In der höchsten Qualitätsstufe muss dieses Öl geruchlich und geschmacklich einwandfrei sein und zumindest leicht fruchtig schmecken. Das Öl wird schonend mit einem mechanischen Verfahren extrahiert. Es darf einen Anteil an freien Fettsäuren haben, der höchstens bei 0,8 Gramm pro 100 Gramm Öl liegt.


Geschmackstest

Wie es um die geschmackliche Qualität bestellt ist, ist immer mal wieder ein Thema von Medien. Zuletzt wollte der Rundfunksender WDR 5 es wissen und lud drei erfahrene Juroren – allesamt ausgesprochene Genussexperten – zum Test nach Köln ein. Zu bewerten gab es zehn Olivenöle, gekauft in Supermärkten und bei Discountern, davon vier in Bio-Qualität. In das sensorische Gesamturteil gingen, der Geschmack zu 50 Prozent sowie Aussehen, Geruch und Konsistenz zusammen mit 50 Prozent ein; wobei Konsistenz und Aussehen bei Olivenöl eher nebensächlich sind.

Weder die Auswahl noch die Bewertung der Produkte erheben den Anspruch streng wissenschaftlicher Kriterien, geben aber doch gewisse Hinweise.

Das Prozedere war ähnlich wie bei einer Weinverkostung: Die Öle wurden zunächst beschnuppert und dann durch die Zähne gezogen und schließlich heruntergeschluckt. So kann man festzustellen, ob das Öl auch nach Olive, frischem Gras, Gartenkräutern oder wonach auch immer riecht und ob es kräftig und frisch schmeckt. Es darf zudem etwas bitter und scharf im Gaumen sein. Kratzt es etwas im Hals, ist das ebenfalls ein Qualitätsmerkmal.

Das Fazit der Tester war wie zu erwarten enttäuschend. Über ein „befriedigend“ kam keines der Öle hinaus. Nur für zwei Öle konnte das Panel diese Note vergeben. Der Rest bekam ein „ausreichend“, ein Olivenöl bekam mit einem „mangelhaft“ die rote Laterne. Fast alle Olivenöle waren nach Meinung der Tester mehr oder weniger unausgewogen im Geschmack. Sie wurden vor allem als zu bitter empfunden und die Fruchtigkeit wurde vermisst.

Lug & Betrug 

Hochwertiges Olivenöl „nativ extra“ wird nicht selten mit billigen Ölen gestreckt. Das ist auch ein Resultat der Operation OPSON IX, für die elf europäische Staaten gemeinsam mögliche Betrugsfälle bei Olivenöl aufgedeckt haben. In Deutschland wurden die Maßnahmen vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) koordiniert.

Besonders hochwertig ist „natives Olivenöl extra“, da es aus der ersten Pressung stammt. Im Vergleich zu raffinierten Ölen wird es rein mechanisch ohne Hitzeeinwirkung gewonnen. Das aromatische Öl hat den höchsten Marktanteil und muss strenge Qualitätskriterien erfüllen.

Olivenöl ist aber ein häufig gefälschtes Lebensmittel, da sich durch den Zusatz von Olivenöl geringerer Qualitätsstufen oder sogar Fremdölen hohe Gewinne erzielen lassen. Die deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden prüften rund 3.700 Liter Olivenöl der Güteklasse „nativ extra“ auf eine Vielzahl an Parametern. Durch Analysen können zum Beispiel chemische Verbindungen identifiziert werden, die nicht oder nur in Spuren in echtem Olivenöl vorkommen dürfen.

Bei jeder vierten Kontrolle (19 von 83) wurden Mängel entdeckt. Zum Teil war natives Olivenöl mit raffiniertem Olivenöl, Oliventresteröl oder Lampantöl gemischt und als „natives Olivenöl extra“ deklariert worden. In manchen Produkten hatten die Hersteller Fremdöle wie Soja- oder Sonnenblumenöl verwendet und im Extremfall mit Substanzen wie Cholorophyll eingefärbt. Auch falsche Herkunftsangaben wurden beanstandet. Die Proben stammten von Großhändlern, Importeuren und Exporteuren, Abfüllbetrieben, Einzelhändlern und aus der Gastronomie. In einigen Fällen sind weitere Nachforschungen bei den Herstellern und Lieferanten im Ausland erforderlich, um die Bewertung abzuschließen.


Über OPSON

Die weltweite Operation OPSON besteht seit dem Jahr 2011 und wird von Europol und Interpol koordiniert. Der Begriff Opson stammt aus dem Griechischen und beschreibt den wertgebenden Bestandteil des Essens. Mit diesen Aktionen sollen irreführende und betrügerische Praktiken bei Lebensmitteln aufgedeckt werden. Ein weiteres Ziel ist, die Zusammenarbeit der für Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden mit den Strafverfolgungsbehörden und dem Zoll national und international zu stärken.


Fazit

Olivenöl-Fans sollten die Finger von Ware aus dem Supermarktregal lassen.

Vollkommen egal ob die Märkte nun EDEKA, REWE oder Aldi heißen – das dort angebotene „Material“ hat in der Regel nichts mit einem guten Olivenöl zu tun – so meine persönliche Erfahrung durch Dutzende Tests. Hinzu kommt – was ein Skandal ist – dass die meisten Öle schlicht gefälscht sind, oder sein müssen, was sich häufig – natürlich nicht immer – schon am Preis ablesen lässt. Alles hat seinen Preis, auch Olivenöle! 

Natürlich bekommt man gelegentlich auch in Supermärkten anständiges Öl – in Märkten mit ausgewiesener Feinkostabteilung. Tipp: Olivenöl im Fachhandel und beim Händler seines Vertrauens kaufen und viel probieren und vergleichen: dann lernt man schnell „Spreu“ von „Weizen“ zu trennen.