Öko-Putenhaltungen sind sehr selten, da die vorhandenen Leistungshybriden für die Haltungsbedingungen im Öko-Landbau meist zu anspruchsvoll sind. Mit der Robustpute wurde eine neue ökologische Puten-Herkunft gezüchtet, die besonders vital und widerstandsfähig ist und sich ideal für die Direktvermarktung eignet.
Gerade einmal zwei Prozent der in Deutschland gehaltenen Puten leben auf Öko-Betrieben. Die wenigen Betriebe, die es gibt, sind in der Regel auf diePutenmast spezialisiert. Das hat verschiedene Gründe. Zum einem sind die verfügbaren Leistungshybriden anspruchsvoll und die Haltung erfordert viel Fachwissen. Kritisch sind vor allem die ersten sechs Lebenswochen, bis die Puten vollständig befiedert sind.
Anders als bei Masthühnern gibt es hierzulande keine vorgezogenen Jungputen zu kaufen, sodass die kritische Aufzucht der Küken in denMastbetrieben stattfinden muss. Für Betriebe, die nur kleine Herden – das heißt weniger als 1.000 Tiere – mästen möchten, ist es kaum möglich an Putenküken zu kommen, da die Brutunternehmen auf größere Abnahmemengen eingestellt sind.
Ein weiteres Problem ist: Um die hohen Produktionskosten der Bio-Putenhaltung decken zu können, müssten viele Betriebe möglichst das gesamte Tier zu Öko-Preisen vermarkten. Das ist aber meist kaum möglich, da bei Puten der Fokus auf der Vermarktung von Teilstücken wie Brustfleisch und Keulen liegt.
Gefragt sind robuste Puten für Gemischtbetriebe und Direktvermarkter
Um die Pute auch für kleinere Haltungen und direktvermarktende Betrieben attraktiv zu machen hat Christine Bremer, Öko-Geflügelzüchterin aus Niedersachen, 2019 das Projekt „Robustpute“ ins Leben gerufen. Das Projekt, an dem neben verschiedenen Praxisbetrieben und Beraterinnen und Beratern auch die Tiermedizinische Hochschule Hannover beteiligt war, hatte sich zur Aufgabe gesetzt, eine neue Herkunft zu züchten, die gesund, widerstandsfähig und für eine Haltung unter extensiven Bedingungen, zum Beispiel auf Gemischtbetrieben geeignet ist.
Mit Erfolg: Das Resultat der vierjährigen Projektlaufzeit ist eine vitale Pute mit einem Schlachtgewicht von 3 bis 6,5 Kilogramm, die als Ganzes in den Ofen passt und somit für die Direktvermarktung bestens geeignet ist.
Europaweit einzige ökologische Elterntierherde
„In der Robustpute wurden die vielfältigen Eigenschaften der alten Putenrassen Cröllwitzer und Ronquières mit der besseren Fleischansatzfähigkeit der modernen Masthybriden vereint“, sagt Christine Bremer. Zu den bedeutendsten Eigenschaften der alten Rassen zählen hohe Vitalität, Stressresistenz, Genügsamkeit sowie ein gutes Futtersuchverhalten. Als Masthybride diente im Projekt ‘Hockenhull Whirral White’.
Die Haltung der Robustputen-Elterntiere im Außenbereich ist weitgehend unproblematisch, wenn die entsprechend notwendigen hygienischen Vorkehrungen getroffen werden. Die vergleichsweise leichten Robustputen haben allerdings einen stärkeren Wunsch Aufzubaumen, weswegen vermehrt erhöhte Ebenen angeboten werden müssen.
Der durchweg größte Unterschied der Robustpute zu herkömmlichen Putenherkünften – auch den „alternativen Herkünften“ wie Hockenhull Auburn oder Kelly Bronze – besteht laut Bremer in der Haltung der Elterntiere als Öko-Tiere. Die Robustputen-Elterntierherde in Niedersachsen ist die einzige ökologisch gehaltene und zertifizierte Elterntierherde europaweit. Den Elterntieren steht dort Auslauf zur Verfügung und die Befruchtung erfolgt auf natürliche Weise und nicht durch künstliche Besamung.
Ammenputen helfen unerfahrenen Mastbetrieben bei Aufzucht
Eine weitere Errungenschaft des Projekts ist die Ammenaufzucht: Im Projekt hat man die Hennen der alten Rasse Cröllwitzer als Ammen verwendet, um die Kreuzungsküken großzuziehen. Diese Hennen sind bekannt für ihre hervorragende Mütterlichkeit, das heißt die Fähigkeit auch ohne Hilfestellung des Menschen, selbsterbrütete Küken großzuziehen. Diese Eigenschaft ist bei heutige Mastputen meist aus anatomischen Gründen schon nicht mehr gegeben, denn mit ihrer breiten und schweren Fleischbrust würden sie die Küken erdrücken.
Die Idee ist es, die Ammen zusammen mit den Bruteiern beziehungsweise Küken an Betriebe abzugeben, die nicht mit der Handaufzucht von Putenküken vertraut sind. „Die Ammen stehen den Betrieben also quasi als ‚Fachkraft Vorort‘ zur Verfügung, um die kritische Phase, die in der spezialisieren Putenmast so viel Aufmerksamkeit und Fachwissen erfordert, zu managen“, sagt Bremer.
Sind die Küken einmal groß und befiedert ist die weitere Mast in der Regel kein Problem mehr. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, lässt sich die Robustpute auch von unerfahrenen Betrieben gut mästen.
Die Nachfrage nach Robustputen wächst
Das Interesse von Bio-Betrieben an der Robustpute ist groß. Bruteier beziehungsweise Küken können entweder über den Betrieb „Heide Geflügel“ von Christine Bremer oder das Brütereinetzwerk der ökologischen Tierzucht gGmbH bezogen werden. Aufgrund der anhaltenden Nachfrage hat Bremer weitere Elterntierhennen aufgezogen, mit denen sie dieses Jahr etwa 5.000 Bruteier beziehungsweise 3.500 Küken erzeugen wird. Davon sind (Stand Juli 2024) bisher rund 2.000 Eier vermarktet und einige vorbestellt. Es gibt aber noch freie Kapazitäten, sowohl für Bruteier als auch für Küken. Interessierte Betriebe können sich an Christine Bremer wenden.
Ammenputen sind ebenfalls über Christine Bremer zu beziehen. Alternativ kann man beim regionalen Geflügelzuchtverein erfragen, wo es in der Region Züchterinnen und Züchter von alten Rasseputen gibt und die Tiere dort kaufen.
Christine Bremer berät Betriebe auch rund um die Aufzucht und Haltung der Robustputen und steht für Fragen zur Verfügung. Überdies stellt Bremer ihren Kundinnen und Kunden eine Zubereitungsanleitung zur Verfügung, die fachlichen Input zum Thema Niedrigtemperatur-Garen bietet.
Wie rentabel ist die Robustputenhaltung?
Laut Bremer kann das Kilo Robustpute für 24 bis 25 Euro verkauft werden. Der Preis pro Kilogramm Lebendgewicht liegt damit bei etwas über sechsEuro. „Ein Gewinn bleibt dann übrig, wenn die Logistikkosten nicht extrem hoch sind und wenn die Tiere zum optimalen Zeitpunkt geschlachtet werden“, sagt Bremer. Der optimale Schlachtzeitpunkt liege bei Hennen bei 20 Wochen und bei Hähnenzwischen 20 und 24 Wochen, je nachdem, welche Gewichte man erzielen möchte. „Über dieses Alter hinaus wird das Futter schlichtweg zu Fett umgewandelt“, so Bremer, „und schmälert dann wieder den Gewinn.“
Der Beitrag erschien auf Ökolandbau.de
Wie alles begann