Jana Lena Muhs

Ökotrophologin & Landwirtin

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Regional soll es sein

Regional ist das neue Zauberwort in der Lebensmittelbranche
17. Januar 2020

„Aus der Region“, „von regionalen Erzeugern“ – im Zuge des Gegentrends zur Massenproduktion sind Angaben dieser Art sehr werbewirksam geworden. Man könnte meinen, die Bauern von nebenan können gar nicht mit der Produktion hinterherkommen, so viele regionale Produkte gibt es in jedem Supermarkt und Discounter.


Wer das Wort „Bio“ in Bezug auf Lebensmittel verwenden möchte, muss mindestens die Vorschriften der EG-Öko-Verordnung einhalten. Doch wer definiert eigentlich das Wort regional? Das muss wohl jeder für sich selbst tun.

Anne-Marie und Rainer Muhs © Bio-Hofschlachterei Muhs


Regional kommt aus der Nachbarschaft


Richtig regional ist für mich ein Radius von höchstens 50 km. Und in meiner Vorstellung kommen regionale Lebensmittel von kleinen, handwerklich arbeitenden Betrieben. Viele solche Produkte aus unmittelbarer Nähe werden auf den Wochenmärkten angeboten.


In der Region einzukaufen bedeutet zwangsläufig auch, saisonale Produkte zu wählen. Während Fleisch und Milchprodukte ohne große Schwankungen das ganze Jahr über verfügbar sind, ändert sich das Obst- und Gemüseangebot in den vier Jahreszeiten stark. Doch das bedeutet keinesfalls Verzicht. Sogar im Winter gibt es hier zu Lande eine beachtliche Auswahl an Gemüse. Kohl als Winter-Klassiker gibt es in verschiedensten Varianten. Steckrübe, Rote Bete und Pastinaken erfreuen sich neuer Beliebtheit. Alte Gemüse- und Obstsorten werden vor allem im Ökolandbau wieder mehr angebaut und weiterentwickelt. Sie überraschen mit kräftigen Farben und vollmundigem Geschmack von der gelben Möhre bis zur Kartoffel in lila. Zu essen, was gerade auf dem Acker nebenan wächst, bringt also Abwechslung und schont die Umwelt. Denn die Transportwege sind kürzer und der Energieaufwand für beheizte Gewächshäuser entfällt.

© Obstquelle Schuster


Dass die Nachfrage auch die großen Supermarktketten dazu bringt, ihr Sortiment in diese Richtung zu erweitern und mehr oder weniger regionale Ware anzubieten, zeigt wie groß die Macht der Kaufentscheidung ist. Der unabhängigere Weg für den Erzeuger ist dennoch die Direktvermarktung. Oder eine der vielen neuen, innovativen Arten, Konsumenten mit landwirtschaftlichen und handwerklich verarbeitenden Betrieben zusammen zu bringen.


Denn wer es nicht auf den Wochenmarkt schafft, sucht nach anderen Möglichkeiten, regional einzukaufen. Landwirte möchten nicht an Preise und Lieferbedingungen großer Handelsketten gebunden sein. Kunden wünschen sich Transparenz. Interessante Initiativen und Projekte entstehen.



Solidarische Landwirtschaft


In der „Solidarischen Landwirtschaft“, kurz „SoLawi“, zahlen Mitglieder einen Beitrag, der im Voraus die Produktion landwirtschaftlicher Güter finanziert. Sie kaufen nicht nur das Lebensmittel, sondern unterstützen damit die gesamte Wertschöpfungskette. Die Ernte wird dann unter allen aufgeteilt. Es gibt das, was gerade auf den Feldern wächst. Seit einigen Jahren gibt es für dieses Konzept ein bundesweites Netzwerk, wodurch die Anzahl der teilnehmenden Betriebe und der Mitglieder stetig wächst. Wer aus Kiel bei der „SoLawi“ mitmachen möchte, sollte sich die „Schinkeler Höfe“ anschauen.


Bei den „Marktschwärmern“ können Lebensmittel online bestellt und einmal wöchentlich an einem Treffpunkt, der „Schwärmerei“ abgeholt werden. Die Produkte sind dann schon gepackt und bezahlt und es bleibt Zeit für das gegenseitige Kennenlernen von Kunde und Verkäufer. Dieses Konzept kommt aus Frankreich, seit 2014 hat es sich auch in Deutschland etabliert. Unter anderem in Kiel, wo die „Marktschwärmer“ sich jeden Donnerstagabend im „Mmhio“ treffen und vor kurzem einjähriges Jubiläum gefeiert haben.


Damit sind nur zwei von vielen Beispielen genannt, die es in Kiel, Flensburg, Hamburg und in vielen anderen Städten schon gibt. Ständig tauchen neue Ideen auf vom Online-Portal, das Hersteller mit Konsumenten zusammenbringen soll, bis hin zur Milch-Tankstelle auf dem Dorf. So gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die jeweils eigene Region zu unterstützen und zu gestalten.


Diese Entwicklung sehe ich sehr positiv. Es ist viel in Bewegung, ein Dialog findet statt zwischen Stadt und Land, zwischen Herstellern und Verbrauchern. Das Bewusstsein und die Wertschätzung für Lebensmittel und deren Ursprung wächst. Gut so!

 

Über den Hof von Jana-Lena Muhs