Barbara Maier

Autorin

Zum Portrait

Protest gegen „Tierfabriken“

Ein neues Alt Tellin auf Fehmarn?
27. August 2021

Ende März brannte eine große Schweinezuchtanlage in Alt Tellin mit mehr als 50.000 Schweinen ab. Nun wird eine weitere Großanlage auf der Urlaubsinsel Fehmarn geplant. Die Nutztierschutzorganisation PROHVIEH protestiert dagegen.

Die Ursache des Feuers ist noch nicht abschließend geklärt. Man geht von einem technischen Defekt aus. Das Feuer soll sich über die Lüftungsschächte und andere Anlagen auf die 18 Ställe ausgebreitet haben. Obwohl fast 80 Feuerwehrleute über mehrere Stunden hinweg gegen die Flammen kämpften, konnte das komplette Abbrennen der Anlage nicht verhindert werden. 

Damit wurden die Befürchtungen der Gegner von Massentierhaltungsanlagen Realität. Ein wirksames, auf die Rettung der Tiere ausgerichtetes Brandschutzkonzept ist für Anlagen dieser Größe nicht realistisch umsetzbar. An die 57.000 Muttersauen und Ferkel sind qualvoll verbrannt oder in den Rauchgasen erstickt. Gerade mal 1.500 Ferkel konnten von Helfern und Tierschützern erst einmal gerettet werden, wobei viele von ihnen im Nachhinein an Rauchvergiftungen oder Verbrennungen starben. Die Überlebenden der geretteten Schweine wurden in anderen Schweinezuchtanlagen des Betreibers in Sachsen-Anhalt untergebracht.

Nun ist ein weiteres Großprojekt geplant. Auf der beliebten Urlaubsinsel Fehmarn soll ein bereits bestehender Betrieb auf rund 10.000 Mastplätze erweitert werden. Tier- und Naturschützer gehen auf die Barrikaden und versuchen das Projekt zu verhindern. Auch der Nutztierhilfeverein PROVIEH engagiert sich und stellt die Verbindung zu Alt Tellin her. 

Großanlagen in der Kritik

So ruft PROVIEH zu einer Demonstration gegen überdimensionierte Schweinezuchtanlagen auf. Sie soll in Alt Tellin auf dem Gelände der ehemaligen Ferkelzuchtanlage stattfinden.

Hauptstadtreferent Patrick Müller von PROVIEH sagt: „Der Brand in Alt Tellin zeigt erneut den dringenden Handlungsbedarf – beim Thema Brandschutz, aber auch ganz grundsätzlich. Solche Großanlagen müssen zukünftig vom Gesetzgeber verhindert werden.“ Der Nutztierschutzverein fordert ein Umdenken in der Politik, damit Tragödien wie diese der Vergangenheit angehören.

„Im Falle eines Brandes ist die Rettung aller Schweine bei Haltungsanlagen dieser Größenordnung nicht mehr möglich. Je größer die Anlage, desto schwieriger ist das Problem des Brandschutzes zu lösen. In diesem Fall war aufgrund der Fixierung der Muttersauen in Kastenständen und sogenannten Ferkelschutzkörben sowohl eine Rettung als auch eine Flucht der Sauen und Ferkel so gut wie unmöglich. Zudem laufen Schweine in Panik überall hin, nur nicht unbedingt gezielt ins Freie – selbst wenn Türen geöffnet werden und sie nicht fixiert wären,” so Patrick Müller weiter.

Die Erweiterung der Schweinemastanlage in Petersdorf auf Fehmarn ist derweil fortgeschritten.Andreas Höppner vom Tageblatt Fehmarn 24 schreibt dazu: „Drei große Futtersilos, die das Sonnenlicht weit sichtbar reflektieren, sind schon hochgezogen, während eine Windkraftanlage im Aufbau begriffen ist. Ein großer Erdwall wird zurzeit ebenfalls um das Areal errichtet. Doch damit nicht genug, es entstehen noch zwei Güllebehälter mit einem Fassungsvermögen von 9 436 Kubikmetern, sodass auf dem Gelände zukünftig 17 600 Kubikmetern Gülle gelagert werden können.“

Das stinkt vielen Petersdorfern, von denen sich einige zur Interessengemeinschaft (IG) „Lebenswertes Fehmarn“ zusammengeschlossen haben. Es wurden auf der Insel schon Demonstrationen gegen die Errichtung der „Schweinefabrik“ abgehalten, wie Günther Schmoranzer von der IG die Anlage bezeichnet. Die Empörung der Projektgegner über die Dimension der Schweinemastanlage ist groß. Auf der anderen Seite gibt es aber auch, vor allem aus den Reihen der Landwirtschaft, Verständnis für den Schweinezüchter Falk Voß-Hagen. Die Preise sind im Keller und man ist abhängig vom Weltmarkt, vor allem von den Chinesen. Die Zeiten, als die heimische Landwirtschaft vor allem für die heimische Bevölkerung Lebensmittel produzierten, sind vorbei. Vor allem die Großbetriebe produzieren für den Weltmarkt.

„Lebenswertes Fehmarn“ will nichts unversucht lassen und „Klage gegen die Schweinefabrik einreichen“. Das hatte Günther Schmoranzer unlängst auf einer SPD-Mitgliederversammlung erklärt.

Symbolbild ©Maqi/ Wiki Commons. Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Verstößt die geplante „Schweinefabrik“ gegen Gesetze?

Laut Patrick Müller von PROHVIEH gehe aus den Antragsunterlagen für die Erweiterung der Anlage hervor, dass der Betreiber der Anlage, Falk Voß-Hagen aus Kopendorf, Kastenstände im Deckzentrum und sogenannte Ferkelschutzkörbe im Abferkelbereich geplant hat. „PROVIEH kämpft schon lange für die Abschaffung dieser tierschutzwidrigen Haltungseinrichtungen, weil die Muttersauen darin noch nicht einmal ihren grundlegendsten Bedürfnissen nachgehen können. Es handelt sich hierbei um eine wochenlange Fixierung, aufgrund derer die Sauen nur stehen oder liegen, sich aber nicht bewegen und noch nicht einmal umdrehen können. Natürliche Verhaltensweisen wie Wühlen, Sozialkontakt oder Nestbau für die Ferkel können die Muttersauen ebenfalls noch nicht einmal im Ansatz ausleben. Verhaltensstörungen wie das so genannte Leerkauen, also das Kauen ohne Material im Maul, oder das Stangenbeißen sind die Folge. Sollte die geplante Erweiterung so genehmigt werden, würden viele Hunderte Sauen zusätzlich die Hälfte ihres Lebens auf diese qualvolle Weise fristen müssen,“ so Müller. 

Die Nutzung von Kastenständen und Ferkelschutzkörben ist bereits seit 2016 durch das Urteil des Magdeburger Oberverwaltungsgerichts verboten. Nur übergangsweise dürfen diese Haltungseinrichtungen noch betrieben werden, so regelt es seit Februar 2021 die neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Die Übergangsfristen gelten ausdrücklich nur für „Haltungseinrichtungen, die bereits in Betrieb oder genehmigt sind“ heißt es in der Verordnung. Sie gelten damit nicht für Neubauten und dürfen nach Auffassung von PROVIEH auch nicht für Erweiterungen herangezogen werden. Es würde gänzlich der Intention dieses Urteils und der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung widersprechen, solche Käfige zu genehmigen oder gar zu bauen in dem Wissen, dass diese eigentlich verboten sind und in absehbarer Zeit, wenn auch mit viel zu langen Übergangsfristen, überall abgerissen werden müssen. 

Großdemo in Alt Tellin am 28. August 2021 

Über vier Monate ist es her, dass bei der Brandkatastrophe in Alt Tellin 50.000 Schweine qualvoll starben. Viele gute Willensbekundungen gab es in den folgenden Tagen, nie wieder sollte ein solches Feuer so entsetzliches Leid an Tieren anrichten können. Doch gibt es bis heute weder offizielle Informationen zur Brandursache noch hat sich politisch etwas geändert.
Am 28.08.2021, demonstriert PROVIEH deshalb gemeinsam mit weiteren Tier- und Umweltschutzorganisationen gegen den Wiederaufbau der Anlage, für einen sofortigen Entzug der Betriebsgenehmigung für die Schweinezuchtanlage in Alt Tellin sowie für ein generelles Ende von Anlagen dieser Art und Größenordnung.

Demo: Keine Tierfabriken mehr!
Wo: vor der alten Ferkelzuchtanlage in Alt Tellin
Wann: 28. August 2021 um 14 Uhr

https://www.provieh.de/