Homer nannte es die göttliche Substanz. Plato beschrieb es als den Göttern teuer. Einst war Salz so kostbar wie Gold. Es gibt kein Gewürz, um derentwillen mehr Kriege geführt und Handelsstraßen entdeckt wurden. Und dies, obwohl es Meere füllt und auf der Erde im Überfluss vorhanden ist. Nur, dass war vor der Zeit der modernen Geologie nicht bekannt. Als für lange Zeit einzig bekanntes Konservierungsmittel versprach das weiße Mineral Lebenselixier und Reichtum. Die Ägypter präparierten mit Salz ihre Toten, die Chinesen bauten die ersten Salzminen der Welt. Königshäuser finanzierten sich aus den Steuern auf das wertvolle Kristall und Gandhis berühmter Salzmarsch brachte eine ganze Weltmacht ins Wanken.
Ob das seit einigen Jahren in Kiel gewonnen Salz der Ostsee den Norden ins Wanken bringt, wird die Zukunft weisen. Immerhin kann man sich nun die Ostsee auf der Zunge zergehen lassen. Christopher Walter hatte die „verrückte“ Idee, der Ostsee ihr Salz zu entlocken. Auf Gut Eckhof in Strande bei Kiel, dem Anwesen von Nicolaus Graf zu Reventlow, steht sein Stahl-Ofen. Der wird mit heimischen Hölzern befeuert und kocht und verdampft literweise Meerwasser aus Dänischenhagen. „Warum muss ich eigentlich beim Kochen Salz aus dem Atlantik nehmen“? – fragte sich Christopher Walter, „liegt es doch direkt vor unserer Haustür.“ So macht er es: Mit Hilfe spezieller Kunststoff-Container transportiert Walter Meerwasser aus Dänischenhagen auf das Gutsgelände. Auf 150 bis 200 Grad, so schätzt Christopher Walter, wird das fein gefilterte Meerwasser in zwei großen Edelstahlwannen gesiedet. Immer wieder füllt er Wasser nach. „Irgendwann ist der Salzgehalt so hoch, dass sich kristalline Körnchen bilden“, erklärt der Salzkocher. Die Masse muss abgeschöpft und von Hand gesiebt werden. Anschließend wird das Salz schonend getrocknet und von Hand abgefüllt. Aus 70 Litern Ostseewasser gewinnt der Kieler ein Kilo Meersalz. Die Tagesproduktion liegt bei rund 10 bis 20 Kilogramm.
Geschmackliche Tiefe
Meersalz verfügt über bis zu 80 verschiedene Spurenelemente und Mineralien. Man kann sie sogar schmecken: das Salz mundet weicher und weniger salzig (als Steinsalz), hat dabei aber eine große geschmackliche Tiefe.
Das Salz gibt es in 100 Gramm-Gläsern. Der Preis des von Hand gesiebten und abgefüllten Salzes liegt bei 9 bis10 Euro. Nicht gerade günstig aber der aufwendige Produktionsprozess, der geringe Ertrag und die sehr gute Qualität haben eben ihren Preis. Für Einsteiger und „Probierer“ gibt es das Salz auch im 30 g Reagenzglas.
Das Ostseesalz ist in gut sortierten Lebensmittelmärkten und Feinkostgeschäften erhältlich – grob und fein, angereichert mit Wildkräutern, Algen, Bio-Zitronenschalen, Whisky und geräuchert. Ostseesalz mit Winterheckenzwiebeln (eine Staudenzwiebelart) ist eine der neusten besonders gelungenen Kreationen.
Als kleine Manufaktur ist Walter bei den „Nordbauern“ organisiert und verfügt über das Gütezeichen „Geprüfte Qualität Schleswig-Holstein“.
Ob man das Steak vor dem Braten salzt oder danach, ob wir etwas fad oder zu salzig empfinden – es gibt jede Menge Gründe, sich über Salz zu streiten. Auch und vor allem über Qualitäten. Salz ist eine starke Metapher. „Der hat Salz“ – damit meinten unsere Altvorderen Geist und Witz. Kein Witz ist das erste deutsche Salz aus der Ostsee. Mittlerweile siedet auch noch ein Erdbeerplantagenbesitzer aus Mecklenburg-Vorpommern Salz. Zumindest das Salz aus Kiel schmeckt wie sein Meer: fein, würzig und doch lieblich – für Kenner und Liebhaber.