Jutta Kürtz

Journalistin & Sachbuch-Autorin

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Lecker durch die Fastenzeit

Hierzulande … gehören Heißewecken zur Fastnachtszeit
11. November 2018

„Vundaag, vundaag is de Dag, dat ik Hedewich pietchen mag!“

Die Alten auf dem Lande kennen diesen Spruch noch und sie können berichten, wie sie selbst herumgezogen sind. „Heute ist der Tag, da ich Heißewecken peitschen mag“ – das bedeutete, dass die Schuljungs eines Dorfes am Fastnachtsmorgen in aller Früh als Gruppe von Haus zu Haus zogen und mit geflochtenen Weidenruten gegen die Türen schlugen. Heißewecken wollten sie haben, möglichst viele, möglichst große, „De groten sünd de besten, un sünd se man wat kleen, so giff mit twee für een…“ Und wenn sich die Hausfrau stur stellte, auch die eigene Mutter im Bett, dann bekam sie auch einen Schlag mit den Ruten ab. In Körben und in großen Tüchern wurde das Fastnachtsgebäck abtransportiert. Lustige Lieder wie beim Rummelpottlaufen sorgten noch für heitere Stimmung – und schon ging es weiter zum nächsten Haus und Hof. Die ganzen Fastnachtstage hindurch trieben so die Kinder, aber auch die jungen Leute am Tag und Abend ihren Unsinn. Um Heißewecken wurde in den Kneipen gespielt, mit Würfeln, Kreiselrad oder Karten. Einen ordentlichen Schluck gab es dazu und eben das süße fette Gebäck. Einfach warm aus dem Ofen oder mit Butter oder heißer Eiermilch, manchenorts auch mit Sahne oder Creme gefüllt.

Das Traditionsgebäck Heißewecken – auch: Heedweeken, Heetweggen, Hedwige, Heetwich und ganz einfach Stuten – existiert in unterschiedlichen Formen seit Hansezeiten im ganzen Ostseeraum. In allen anliegenden Ländern. Immer waren es die Bäcker, die nach geheimen Rezepten eckige oder runde, plattgewalzte oder Milchbrötchen-förmige Wecken in großen Mengen herstellten und mit ihren Stutenfrauen und Stutenkerlen im ganzen Land verkaufen ließen. Eine jahreszeitliche Besonderheit aus dem guten, „feinen“ Weizenmehl, mit kostbaren, seltenen Gewürzen und den teuren Rosinen, die eben zu allerlei Brauchtum führte.

Ganz ausgiebig mit fröhlichen Schmäusen, Trinkgelagen und Tanzfesten, mit lautstarken Umzügen und viel Schabernack wurden einst die Tage der Fastnacht gefeiert, bevor dann die Fastentage begannen und vor allem die harte Zeit der Arbeiten draußen.

Die Lehrer wurden von ihren Konfirmanden mit Körben voller Heißewecken beschenkt – gewissermaßen ein ausgewiesener Naturallohn – und wer nicht nur Heißewecken sondern auch heißes Blut hatte, der folgte gar zu gern einem alten Aberglauben: um die Liebe seiner Angebeteten zu gewinnen, schenkte der junge Mann ihr Heißewecken, die er tagelang in der Achselhöhle getragen hatte…

© Ingo Wandmacher