Jens Mecklenburg

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Dänisches Protestschwein

Rotbuntes Husumer Schwein
3. Juni 2023

Das fast ausgestorbene Rotbunte Husumer Schwein gehört unzweifelhaft zur wechselvollen deutsch-dänischen Landesgeschichte. Das „Dänische Protestschwein“ ist lebendige Kulturgeschichte. Ein Schwein wie das Land: heimatverbunden, robust, friedlich aber wenn es sein muss auch widerspenstig. 

Rotbuntes Husumer Schwein. © Ingo Wandmacher

Das Rotbunte Husumer Schwein ist sicherlich die einzige Schweinerasse, deren Entstehung politisch motiviert ist. Da die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr ihre rot-weiß-rote Nationalflagge hissen durfte, züchteten die Angehörigen Schweine in den Farben rot-weiß-rot. Die Schweine fungierten als Zeichen des Protestes. Und weil damals nahezu jeder sein Hausschwein hatte – man war Selbstversorger – war die Population der so genannten Rotbunten Husumer Schweine groß. Aber auch die Deutschen hielten sich bald das Schwein, denn es war robust und ein gutes Muttertier. Husum, die Stadt Theodor Storms und seines Schimmelreiters Hauke Haien, war Namensgeber, da in der Stadt einer der größten Viehmärkte nördlich der Eider stattfand.

Unter den im Norden Deutschlands beheimateten Angler Sattelschweinen, tauchten immer wieder rot-weiß-rote Farbschläge auf. Daneben kam es zur Kreuzung von Holsteinischen und Jütländischen Marschschweine mit dem roten englischen Tamworth-Schwein. Diese brachten die kräftige rote Farbe, die Robustheit und die aparten Stehohren mit ein. Um 1916/17 wurde die neue Rasse als Variante der Angler Rasse richtig populär. Besonders im Raum Husum und entlang der schleswig-holsteinischen Westküste tauchten über Jahrhunderte immer wieder Schweine mit rotbunter Färbung auf. Aber erst 1954 wurde das mächtige Landschwein – der Eber wird fast 1 Meter hoch und bringt stolze 350 kg auf die Wage – offiziell als Rasse anerkannt. In den 70er Jahren galt das Schwein schon wieder als ausgestorben. 1968 sah man auf einer Kreistierschau in Rendsburg zum letzten Mal eine Sau mit ihren Ferkeln. Moderne Rassen mit weniger Fett und schnellerem Wachstum verdrängten die alten Schweinerassen.

Husumer Protestschwein aus der Weide bei Osterode im Harz ©Ingo Wandmacher

Vom Protest- zum Gourmetschwein

Mitte der 80er Jahre begannen Zoologen und Liebhaber mit der Rückzüchtung der Rotbunten Husumer. Das großrahmige, widerstandsfähige Landschwein hat eine dicke Fettschicht. Der hohe Gehalt an Fett im Muskelfleisch sorgen für den guten Geschmack und ein herzhaftes Aroma. Ein Schwein, wie geschaffen für den Sonntagsbraten. So wurde aus dem einstigen Protestschwein ein Gourmetschwein. Vom Rotbunten Husumer leben heute wieder einige Hundert Exemplare im Norden der Republik. Sie suhlen sich bei Hobbyzüchtern, einigen Biolandwirten – wie zum Beispiel bei Deutschlands Brillenkönig Günther Fielmann auf seine Bio-Hof in Lütjensee. Wie es für die deutsche Minderheit in Dänemark und die dänische Minderheit in Deutschland seit Jahrzenten harmonisch praktizierten Minderheitenschutz gibt, so sollte man auch dem Rotbunten Husumer Protestschwein diesen Minderheitenschutz angedeihen lassen. Gehört das Schwein doch unzweifelhaft zur wechselvollen deutsch-dänischen (schleswig-holsteinischen) Landesgeschichte. Das Schwein ist lebendige Kulturgeschichte, eben ein Schwein wie das Land: heimatverbunden, robust, friedlich aber wenn es sein muss auch widerspenstig.