Jens Mecklenburg

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Kreuzfahrten in Corona-Zeiten

Fahrt ins Blaue
31. Juli 2020

Auf einem schwimmenden Hotel die Welt entdecken, über Nacht zum nächsten Hafen schippern, der oft bereits in einem anderen Land liegt, ohne unterwegs die Koffer packen zu müssen: Das ist der große Reiz einer Hochseekreuzfahrt.

Unter den Bedingungen einer globalen Pandemie verkehren sich die Vorteile dieser Reiseform allerdings ins Gegenteil: Sie werden zu einem Risiko, das kaum ein Hafen und Land mehr eingehen möchte. Mit dem Schiff reist möglicherweise auch das Virus mit.

Nun geht es zwar wieder los, doch unter strengen Auflagen. Was macht das mit dem Urlaubserlebnis Kreuzfahrt? Und kann es wieder eine Rückkehr zur alten Normalität in den Zeiten vor Corona geben?

Kreuzfahrten ohne Landgänge

Tui Cruises bietet zunächst Fahrten auf „Mein Schiff 1“ und „Mein Schiff 2“ von Hamburg und Kiel aus in Richtung Norwegen. Aida Cruises startet im August Kurzreisen von Rostock und Kiel aus. Auch Hurtigruten fährt wieder entlang der norwegischen Küste. Flusskreuzfahrt-Anbieter haben ihren Betrieb ebenfalls aufgenommen.

Die Besonderheit: Aida und Tui Cruises bieten vorerst nur Kreuzfahrten völlig ohne Landgänge an. Tui Cruises spricht von “Blauen Reisen“ und „Borderlebnis pur“. Man macht aus der Not eine Tugend. 

Die Branche versucht, ein geschlossenes System noch weiter zu schließen. Es gibt jetzt kaum eine Schnittstelle mehr zur Außenwelt. Also kein Hafenerlebnis, keine Attraktionen, keine Ausflüge, was Kreuzfahrer sonst so lieben.

Das soziale Leben und die Unterhaltung an Bord sind eingeschränkt. Ist so eine Form von Urlaub noch attraktiv? „Blaue Reisen“ haben mit der Art von Kreuzfahrt, die europäische Urlauber mögen, eher weniger zu tun. Anders in Nordamerika. In den USA gilt das Schiff als Destination. Die Reedereien haben private Inseln in der Karibik, sie erweitern dadurch das Megaschiff noch, damit die Gäste auch ein Stranderlebnis haben.


Rückkehr zu Normalität?

„Sea-Only-Cruises“ sollen nur der Anfang sein. Eine Frage für die mittelfristige Zukunft lautet: Wie geschlossen bleibt das System? Vorstellbar sind zum Beispiel Sicherheitspartnerschaften mit einzelnen Häfen, in denen alle Prozesse genau kontrolliert werden. 

Nicht nur die Landgänge fehlen derzeit, auch an Bord läuft vieles anders ab. Die Reedereien fahren mit weniger Gästen, es gelten strenge Hygienekonzepte. Und die Urlauber sollen unterwegs Abstand zueinander halten: 1,5 Meter mindestens.

„Sollten wir feststellen, dass einzelne Personen diese Regeln bewusst nicht einhalten, behalten wir uns an Bord vor, dagegen vorzugehen“, erklärt Godja Sönnichsen, Sprecherin von Tui Cruises. Spontane Partys sollen damit vermieden werden.

Ob das gelingt, wird sich zeigen. Social Distancing ist machbar, aber ob die Passagiere mitspielen?

Das führt zur Frage: Wie lässt sich verhindern, dass infizierte Personen an Bord kommen und dort andere anstecken? Und was passiert, wenn es auf Reisen doch zu einem Corona-Ausbruch kommt?

Aida und Tui Cruises wollen nach eigenen Angaben die Temperatur der Gäste vor dem Check-in messen. Eine Maßnahme, die aber nach Ansicht von Experten kaum Schutz bietet: «Fieber messen ist Augenwischerei», sagen die Experten. Es gibt Infizierte ohne Fieber oder anderweitige Symptome.

Ärzte halten es für angeraten, am Tag der Einschiffung für alle Passagiere sogenannte PCR-Tests anzubieten, die binnen weniger Stunden ein Ergebnis liefern. Solche Tests bei der Ein- und Ausschiffung finden bei Aida Cruises und Tui Cruises derzeit nicht statt, wie die Reedereien bestätigen. Wohl aber können die Tests an Bord vorgenommen werden – „bei Bedarf“, wie etwa Aida erklärt.

Infizierte schnell nach Hause bringen

Sollte es zu einem bestätigten Fall an Bord kommen, greifen laut den Reedereien detaillierte Notfallpläne. „Falls sich ein Verdachtsfall bestätigen sollte, werden wir den Gast schnellstmöglich an Bord isolieren und zur Weiterbehandlung in ein geeignetes Krankenhaus an Land bringen lassen“, sagt Godja Sönnichsen von Tui Cruises. „Egal wo wir unterwegs sind, unsere Gäste werden nicht festsitzen und zwei Wochen auf dem Schiff ausharren müssen.“

Auch Aida Cruises betont, man könne bei einem bestätigten Covid-19-Fall schnellstmöglich die medizinische Versorgung und Ausschiffung sowie die Heimreise des Gastes gewährleisten.

Schiffsärzte gehen für den Fall eines Ausbruchs an Bord davon aus, dass alle Passagiere bei der Rückkehr in den deutschen Hafen auf jeden Fall eine 14-tägige Quarantäne erwartet.


Wie kann die Eindämmung an Bord gelingen?

Die Kreuzfahrtbranche hat durchaus Erfahrung im Umgang mit Krankheitserregern an Bord und hat zum Beispiel die Norovirus-Ausbrüche in den vergangenen Jahren kontinuierlich reduzieren können.

Die Frage ist aber, wer alles im Fall eines Ausbruchs an Bord getestet wird und wie man Infektionsketten feststellen soll. Das wird an Bord kompliziert, zumal die Crewmitglieder in ihren Quartieren viel enger zusammenleben als die zahlenden Gäste in ihren Kabinen. 

Um die Klimaanlagen müssen sich Passagiere hingegen keine Sorgen machen. Diese werden ausschließlich mit Frischluft versorgt, betont Tui Cruises. Die Abluft aus den Kabinen und öffentlichen Bereichen werde nicht weiterverwendet. Ein Schiffsmediziner bestätigt das: „Das Belüftungssystem auf Schiffen ist sicher. Man muss keine Angst haben, dass sich ein Virus über die Klimaanlage überträgt.“


Unsichere Zukunft

Sämtliche Urlaubspläne sind derzeit mit Unsicherheit behaftet, weil der weitere Verlauf der Pandemie sich kaum vorhersagen lässt. Für die Kreuzfahrt gilt das ganz besonders. Die Normalität ist erstmal vorbei, die klassische Kreuzfahrt steht zur Disposition. 

Experten gehen davon aus, dass es frühestens im Januar 2021 wieder so richtig losgehen wird mit Kreuzfahrten – und wie vor der Krise werde es erst wieder sein, wenn ein Impfstoff da ist.