Jens Mecklenburg

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Kein Lachs auf dem Weihnachtsteller?

Foodwatch fordert Verkaufsstopp für Lachs aus Norwegen
4. Dezember 2024

Die Deutschen lieben Lachs aus Norwegen. Aber die industrielle Zucht der Fische ist oft ein grausiges Geschäft. Verbraucherschützer wenden sich mit einem Boykottaufruf an die Supermarktketten.

© Foodwatch

„Lachs wird gerne als ein gesundes Naturprodukt vermarktet, doch die Wahrheit sieht anders aus. Wer Lachs aus Norwegen kauft, hat mit ziemlicher Sicherheit ein Produkt im Einkaufskorb, für das Tiere und Umwelt leiden. Millionen Tiere sterben in den Zuchtkäfigen oder sind von Läusen zerfressen. Es ist ein stummes Leiden, versteckt unter der Wasseroberfläche, weit weg von unseren gut gefüllten Supermarktregalen. Die Lachsindustrie in Norwegen ist ein Desaster – und die deutschen Supermarkketten tragen als einer der Hauptabnehmer von norwegischem Lachs eine große Mitverantwortung.“

(Annemarie Botzki von Foodwatch)

Lachs in norwegischem Zuchtbetrieb: »Enormes Tierleid und Umweltschäden« 

Lachs ist der beliebteste Speisefisch der Deutschen – mit Abstand, wie Verkaufsstatistiken immer wieder zeigen. Und jeder zweite Lachs in deutschen Supermarktregalen stammt aus. Was Konsumenten und Konsumentinnen nicht wissen oder verdrängen: Fischzucht ist in Norwegen eine Industrie mit vielen negativen Begleiterscheinungen.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat deshalb einen Verkaufsstopp von Lachs aus Norwegen in Deutschland gefordert. Supermärkte sollten diesen nicht mehr anbieten, weil die Lachszucht in dem skandinavischen Land »enormes Tierleid und Umweltschäden« verursache, erklärte Foodwatch in Berlin am Mittwoch. Laut einer Studie stirbt jeder vierte junge Lachs bereits während der Aufzucht.

Im vergangenen Jahr verendeten den Angaben zufolge rund 100 Millionen Tiere noch vor der Schlachtung. Jeder sechste größere Lachs starb demnach in den Zuchtkäfigen, die Hauptursache seien Infektionskrankheiten. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, »dass ein Großteil der Lachse in deutschen Supermärkten aus Betrieben stammt, in denen die Tiere krank sind«, heißt es in der Studie. Solange sich die Zustände nicht verbessern, sollten »Rewe, Edeka, Aldi und Lidl keine Lachsprodukte mehr aus dem Land verkaufen«, forderte Foodwatch.

© Don Staniford

Siegel keine Gewähr für eine gute Tierhaltung

Einzelhändler dürften sich »nicht länger hinter fragwürdigen Siegeln verstecken, sondern müssen jetzt Verantwortung übernehmen, um das Leid der Lachse zu beenden und die Umwelt zu schützen«, erklärte Annemarie Botzki von Foodwatch. Sie forderte klare Vorgaben für die Tiergesundheit, eine strenge Überwachung und harte Strafen bei Verstößen.

Siegel wie ASC seien »keine Garantie für Umweltschutz und gute Tierhaltung« und verhinderten die Missstände in den Zuchtbetrieben nicht, erklärte Foodwatch. Demnach funktioniert die Rückverfolgbarkeit »kaum«. »Von zehn ASC-Produkten in einer Stichprobe konnte Foodwatch gerade einmal zwei zu einer konkreten Lachsfarm zurückverfolgen«, erklärte die Verbraucherschutzorganisation.

Das Fisch-Gütesiegel ASC (Aquaculture Stewardship Council) ist eine Entwicklung des World Wide Fund For Nature und der Fischindustrie. Der WWF räumt auf seiner Webseite ein , dass es Kritik an dem Siegel gibt: Das »ASC ist das Resultat aus einem Verhandlungsprozess mit einer Vielzahl von Teilnehmern und deshalb eine Kompromisslösung aller Interessengruppen. … Negative Stimmen gibt es beispielsweise zum Einsatz von Fischmehl und -öl oder von gentechnisch veränderter Soja als Futtermittel.«

Trotzdem, schreibt der WWF, habe das Siegel wichtige Verbesserungen in der Industrie gebracht: wie etwa Vorschriften zur Einhaltung der Wasserqualität oder zur Überwachung und Behandlung erkrankter Tiere sowie zur Auswahl des Standorts.

„Rewe, Aldi, Edeka und Lidl dürfen sich nicht länger hinter fragwürdigen Siegeln verstecken, sondern müssen jetzt Verantwortung übernehmen, um das Leid der Lachse zu beenden und die Umwelt zu schützen. Deutsche Supermärkte sollten keinen Lachs aus Norwegen mehr verkaufen, bis die katastrophalen Zustände in der Fischzucht behoben sind.“

(Annemarie Botzki von Foodwatch)

© Don Staniford

Missstände in der Aquakultur keine Ausnahme

Immer wieder haben die Zustände in Fischfarmen für Empörung gesorgt. Degenerierte Tiere brechen aus Netzen im Meer aus, vermischen sich mit wilden Lachsen und gefährden diese. Zuletzt gab es auf Island Proteste gegen einen norwegischen Fischzuchtkonzern vor ihrer Küste. Doch die Vorfälle sind keine Ausnahme, über Probleme wird seit Jahren berichtet, das Geschäft geht weiter.

Fischzuchten wie die in Norwegen bedienen einen wachsenden Weltmarkt. Um 50 Prozent ist die Lachsproduktion im vergangenen Jahrzehnt angestiegen. Die Deutschen allein konsumieren 136.000 Tonnen Lachs pro Jahr.

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