Jens Mecklenburg

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Honig vom Dach

Altes Stahlwerk beschäftigt eigene Bienenvölker
19. Oktober 2018

„Es gibt kaum einen besseren Ort als die Stadt, um Bienen zu halten“, meint Jürgen Möllmann. Möllmann ist im Nebenberuf Imker und damit Teil einer weltweiten Bewegung. Ob in New York, Paris, Berlin oder Neumünster – die Bienen zieht es in die Städte, es boomt die Stadt-Imkerei. Im Hauptberuf ist Jürgen Möllmann Küchenchef im Hotel Altes Stahlwerk in Neumünster. Um seinem Hobby zu frönen, muss der smarte Koch nur das Dach des Hotels besteigen.


Der mit den Bienen spricht

Eine gemütliche Höhle in einem Baumstamm im Wald? Für Wildbienen eine gute Option aber die Honigbiene von Welt lebt heute längst in stylischen Lofts. Und zwar nicht irgendwo, sondern da, wo das Leben tobt, in New York, in Paris, in Kopenhagen und seit Sommer 2018 auch auf dem Dach des Hotels Altes Stahlwerk. Aus einer Idee des smarten Küchenchefs – er wollte sich schon länger Bienenvölker zulegen, im eigenen Garten – wurde ein Dach- und Hotelprojekt. Die Bienen bezogen im Sommer 2018 auf dem Dach des Hotels ihr Quartier. Es gefiel ihnen dort auf Anhieb in ihren Magazinen – so nennt man die modernen, nach dem Prinzip stapelbarer Kisten aufgebauten Bienenbehausungen.


Stadt schlägt Land

Bienen in der Stadt? Klar. Tatsächlich finden Bienen in der Stadt oft ein abwechslungsreicheres (in Parks, Gärten, Kleingartenanlagen) und vor allem konstanteres Nahrungsangebot als in vielen ländlichen Regionen. Dort herrschen nämlich häufig Monokulturen vor, man denke nur an die riesigen Rapskulturen, die nach der Blüte aus Bienensicht wertlos sind – kein Nektar weit und breit auf dem flachen Land.
 


Von Bienchen und Blümchen

Honig ist die eine Sache, der Bienen ihre Bekanntheit und Beliebtheit verdanken. Vor allem aber sind sie von unschätzbarem Wert für die Artenvielfalt, denn rund 80 Prozent unserer Nutz- und Wildpflanzen sind auf Bienen als Bestäuber angewiesen. Ihr Anteil an der Obst- und Gemüseproduktion ist in gewissem Sinne ebenfalls unschätzbar, lässt sich aber ziemlich genau berechnen: Rund 2 Milliarden Euro jährlich beträgt die Wertschöpfung der Bienen allein in Deutschland. Viele gute Gründe, sich um die fleißigen Insekten zu kümmern.

Damit Jürgen Möllmann weiß, worauf er bei der Pflege seiner Völker achten muss, drückte er noch mal die Schulbank der von einem Verein getragenen Imkerschule in Bad Segeberg. Noch vor 10 Jahren bekam der Verein einen Kurs im Jahr voll. 2018 sind es sechs und die Nachfrage wächst stetig.

„Imkern ist total in“, sagt Undine Westphal und erklärt sich das unter anderem mit der Sorge um das große Bienensterben hierzulande. Die Dozentin an Schleswig-Holsteins einziger Imkerschule lehrt angehenden Hobbyimkern das Basiswissen. Zudem unterrichtet sie regelmäßig Kinder in der Bienenbiologie.

Möllmann lernt, wie das mit der Kopfdrüse und dem Honigmagen funktioniert und wie sich Bienen von Wespen unterscheiden. „Bienen sind braun und relaxter als die Wespe“, erzählt der Küchenchef. „Biene Maja ist also gar keine Biene.“ Auch klärt die Dozentin ihn über Mythen um Allergien auf. „Dass Körperteile nach einem Stich massiv anschwellen, kann normal sein. Bei Allergien allerdings sind die Schleimhäute betroffen.“ Doch die Segeberger-Bienen-Linie – die nun auch in Neumünster ansässig wurde – ist tiefenentspannt. Die Schulvölker im Bienenhaus lassen sich von Besuch nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Um ihr Zuhause, die sogenannte „Beute“ zu öffnen, zündet Undine Westphal einen Eierkarton an und lässt den Rauch ins Innere ziehen. „Dadurch verdrücken sich die Bewohner Richtung Honig und werden ruhiger; das fügt ihnen aber keinen Schaden zu“, erklärt sie. Zwar trägt sie wie ihre Schüler einen Imker-Hut, aber keine Handschuhe. „Meistens wird man nicht beim Imkern gestochen. Bienen spüren jedoch, wenn man nervös ist. Wenn man den Kopf voll hat, sollte man besser vorher noch eine Tasse Tee trinken.“

Ist Jürgen Möllmann schon mal gestochen worden?

„Mit der Zeit sensibilisiert man seinen Körper und er reagiert immer weniger darauf. Bienengift entspannt unsere Muskeln, das ist besser als jedes ABC-Pflaster“, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Was er noch von der routinierten Imkerin aus Bad Segeberg gelernt hat?

© Altes Stahlwerk


Bienen ABC

Den Lebenszyklus und Jahreslauf einer Biene: 21 Tage braucht sie bis sie schlüpft. 30 Tage wird sie alt, bevor sie vor Erschöpfung tot umfällt. Gerade eben auf der Welt, bekommt sie gleich einen Job als Putzfrau. Erst ab dem 20 Tag ist die Arbeiterin so weit ausgewachsen, dass sie raus zum Nektar sammeln kann, geschlafen wird übrigens nie. Sie machen höchstens kurz die Augen zu.

Eine Biene hat ein eingebautes GPS mit einer Reichweite von drei Kilometern, und so findet sie immer wieder nach Hause zurück. Jede Arbeiterin legt in ihrem kurzen Leben etwa 8000 Kilometer zurück. Für 500 Gramm Honig müssen die Sammelbienen eines Volkes ungefähr 120.000 Kilometer weit fliegen. Also dreimal um die Erde.

Aus Maden schlüpft später eine Königin. Während ihrer Regentschaft legt sie bis zu 120.000 Eier im Jahr. Weil sie ständig schwanger ist, ist sie zu schwer fürs Fliegen. Dafür wird eine Königin bei guter Pflege durch ihre

Untertanen bis zu sieben Jahre alt.

Der dritten Bienenart – den Drohnen – kommt nur die Rolle des Begattens zu. Hat die Drohne ihre Aufgabe erfüllt und stirbt nicht gleich nach dem Akt, wird sie einfach aus ihrem Heim herausgefegt.

Im Schnitt besteht ein Bienenvolk aus 30.000 Arbeiterinnen, im Sommer können es mehr werden.

@ Franziska Frahm/ Altes Stahlwerk


Neue Lust auf Bienen

Die neue Lust auf Bienen, vor allem durch junge Leute, tut sowohl den Verbänden als auch den Bienen gut: Engagierte Jungimker gehen unvoreingenommen an neue wissenschaftliche Erkenntnisse heran, beispielsweise zur Bekämpfung der Varroamilbe. Sie testen neugierig verschiedene Betriebsweisen und sind oft gut vernetzt und an einem intensiven Austausch interessiert. Neugierig auf ihre neuen Kollegen sind auch die Mitarbeiter von Jürgen Möllmann. Der Küchenchef des Hotel-Restaurants „1500°C“ bezieht sein Team bei der Pflege und Hege der Bienen mit ein. Besonders die jungen Leute sollen und wollen lernen, wie natürliche Lebensmittel entstehen. Angefangen hat Möllmann mit zwei Bienenvölkern. Langfristig möchte er durch eigene Ableger mit vier Völkern arbeiten, um ausreichend Honig für seine Küche zu bekommen. Er überlegt schon mit seinem Team, was aus dem Honig der ersten Ernte im April/Mai 2019 werden soll. Klar, er kommt auf den Frühstückstisch der Hotelgäste aber auch für einen eigenen Met oder als Aperitif gibt es Ideen. Auch sollen die Gäste ein Gläschen selbst gemachten Honig als Andenken mitnehmen können.

Ein Hotel mit eigenen Bienenvölkern. Eine sympathische wie genussvolle Idee, die nur Gewinner kennt: die Bienen, die Gäste, die Mitarbeiter. „Bienen strahlen eine unglaubliche Ruhe aus“, findet der Küchenchef. Mit Ihnen zu arbeiten ist wie Meditation. Möllmann ist mit dem Hotelprojekt – Bienen auf dem Dach – sehr zufrieden. Ein zufriedener Chefkoch ist immer ein Gewinn – vor allem für Gäste und Bienen.

© ALtes Stahlwerk

 

Altes Stahlwerk

Business & Lifestyle Hotel

Rendsburger Str. 81

24537 Neumünster

Tel. 04321/55 600

www.Altes-Stahlwerk.com