Gabriele Haefs

Autorin

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Hanna Winsnes – die norwegische Henriette Davidis

Von Krimi- zur Kochbuchautorin
12. August 2024

Es gibt in Norwegen wohl kaum einen Menschen, dem der Name Hanna Winsnes (1789- 1872) kein Begriff ist – und das seit hundertsiebzig Jahren. Das bedeutet allerdings nicht, dass das gesamte Land mit ihrem Werk wirklich vertraut wäre; sie ist die norwegische Kochbuchautorin und sonst gar nichts. Sie hat das erste im ganzen Land verbreitete Kochbuch zusammengestellt und veröffentlicht, das dann über mehrere Generationen hinweg eben in jeder Küche stand, und sie hat die – in Deutschland durch Henriette Davidis bekannt gemacht – klassische Rezepteröffnung „Man nehme“ in die Kochbuchliteratur ihres Landes eingeführt, „man tager“ im damaligen Norwegischen. Was nicht so bekannt ist: Ehe sie zur Bestsellerautorin in Sachen Kulinarik wurde, hatte sie schon Karriere als Bestsellerautor gemacht. Unter dem Pseudonym Hugo Schwartz schrieb sie Kriminalgeschichten und Gruselerzählungen – und die gestrengen Kritiker meinten, hinter diesem Namen müsse sich ein Mann verbergen, denn so viel Wissen, wie in die Geschichten einfloss, könne ein Frauenzimmer unmöglich erwerben.

Aber mit jedem neuen Bestseller wuchs die Gefahr der Entlarvung, und als ihr der Boden unter den Füßen zu heiß wurde, ließ sie Hugo Schwartz stillschweigend in der Versenkung verschwinden. Hanna Winsnes war nämlich verheiratet mit einem Pastor, der noch dazu einen Sitz im Parlament anstrebte – mit einer Frau, die skandalumwitterte Bücher schrieb, wäre seine politische Karriere geendet, noch ehe sie richtig losgegangen war.

Also schrieb sie nun Kochbücher, und ihr allererstes, Lærebog i de forskjellige Grene af Huusholdningen („Lehrbuch in den verschiedenen Zweigen der Hauswirtschaft“) wurde ein noch viel größerer Erfolg als Hugo Schwartzens gesamte Thrillerproduktion. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein stand es ganz einfach in jeder Küche! Und es wird weiterhin neu aufgelegt, mal in überarbeiteter Form, um ihre Rezepte auch für moderne Essgewohnheiten zugänglich zu machen, mal im Original, der Kuriosität wegen. Weil jetzt bald eine Erzählung von Hugo Schwartz in deutscher Übersetzung erscheinen wird, wenn auch mit dem wahren Namen der Autorin auf dem Titel, wollen wir ein Originalrezept von Hanna Winsnes bringen:

Echtes Soja

(diese Bezeichnung bleibt rätselhaft, Sojasoße, wie wir sie heute kennen, war im Norwegen des 19. Jahrhunderts absolut nicht zu beziehen, die Bezeichnung „Soja“ für flüssige Geschmacksverstärker kam dort bereits hundert Jahre vorher auf. Unklar bleibt, wie sie vorher genannt wurden).

Man nehme

1 Kilo Pilze, zu sammeln von einer Person, die essbare und giftige zu unterscheiden vermag.

100 Gramm Salz

150 Gramm Zucker

1 kleine Zwiebel oder 3-4 Schalotten, feingehackt

2 Esslöffel grobgemahlenen Pfeffer

1 Esslöffel zerstoßene Nelken

2 Esslöffel zerriebenen Ingwer

Eine Prise spanischen Pfeffer

3 Deziliter Madeira oder Rotwein

1 Deziliter Rotweinessig

Zubereitung

Die Pilze nicht waschen, nur Erdreste abkratzen. In Stücke schneiden und schichtweise mit Salz in einen Kochtopf oder ein ähnliches Gefäß legen. Das Salz entzieht den Pilzen den Saft. Jeden Tag einmal umrühren. Darauf achten, dass sich kein Schimmel bildet.

Nach ca. 5-6 Tagen die Pilze für etwa eine Viertelstunde im eigenen Saft kochen. Kein Wasser dazugeben. Danach durch einen großen Durchschlag sieben. Nach dem Abkühlen mit den Händen den letzten Rest Saft aus den Pilzen pressen, die damit ihre Schuldigkeit getan haben. Danach die Flüssigkeit stehen lassen, gern über Nacht, dann noch einmal sieben.

Zucker in einem Kochtopf zum Schmelzen bringen, er soll etwas bräunlich werden, aber nicht anbrennen. Nach und nach den Pilzsaft dazugeben. Einmal aufkochen lassen. Gewürze und Wein dazugeben und alles eine halbe Stunde lang köcheln lassen. Abkühlen und sieben. Wenn Ihnen das Soja nicht dunkel genug ist, können Sie einige Tropfen Zuckerfarbe dazugeben.

Dann in Flaschen gießen, verkorken und kühl aufbewahren.

Eignet sich als Geschmackszusatz in Soßen und zusammen mit Öl zum Salat.

Buchtipp für den Herbst: Hanna Winsnes: Die Eremitenhütte, in der Serie „Das Kabinett der Phantasten“ im Verlag JBM, https://www.jmb-verlag.de/

Hilde Diesen ist die Urururenkelin von Hanna Winsnes