Seit über 400 Jahren leben Juden in Hamburg. Noch heute erinnern zahlreiche Orte im Stadtbild an ihre wechselvolle Geschichte, die mit dem Nationalsozialismus endete. Diejenigen, die rechtzeitig fliehen konnten und, über den Erdball verstreut, ein neues Zuhause fanden, haben Hamburg nie vergessen – genausowenig wie die alten Rezepte, nach denen in ihren Familien gekocht und gebacken wurde. Sie gaben sie an ihre Nachfahren weiter: das Rezept für den Butterkuchen mit seinem unvergesslichen Geschmack oder das für die süßsaure Rote Grütze, für traditionelle jüdische Rezepte wie Hühnersuppe mit Mazzeknödeln oder Gehackte Leber.
Die Idee zu einem gemeinsamen Kochbuch hatten Barbara Guggenheim, Judith Landshut und Gabriela Fenyes schon lange. Es ging ihnen darum, mit den Rezepten aus aller Welt ein Stück verloren gegangener Kultur zurück an die Elbe zu holen. Gefunden haben die Autorinnen ihre Rezepte durch einen weltweiten Aufruf an ehemalige Hamburger Juden, und die Resonanz war überwältigend. Viele Angehörige der damaligen Migranten hatten ein Interesse daran, das gesammelte Küchenwissen zu bewahren und auch wieder mit seinem Herkunftsort zu verbinden. „Wir wollten, dass die damalige jüdische Bevölkerung Hamburgs in allen Facetten vertreten ist“, sagt Guggenheim. Jedes Rezept, das schließlich seinen Weg in das Buch fand, wird begleitet von einer kleinen Biografie der Urheber und oft einer Anekdote zum Gericht.“
Heute gibt es wieder jüdisches Leben in Hamburg. Jüdinnen und Juden aus den verschiedensten Ländern lassen sich erneut in der Hansestadt nieder und kochen Speisen aus ihren Herkunftsländern: Persisches Kräuteromelette, russischen Borschtsch, Aargauer Rüeblitorte. Das „Jüdische Kochbuch aus Hamburg“ hat all diese Rezepte gesammelt und bereichert sie mit Familiengeschichten. Ein ungewöhnliches, schönes Buch, das zweisprachig auf Deutsch und Englisch verfasst wurde, damit auch die nicht mehr Deutsch sprechenden Nachfahren die Texte verstehen und die Rezepte nachkochen können. Es sind vor allem die liebevoll erzählten Erinnerungen, Zeichnungen und Abbildungen alter Rezeptsammlungen, die dieses Buch zu einem besonderen Lesevergnügen machen. Die erste Auflage erschien 2018. Erst und Zweitauflage waren schnell vergriffen. Nun ist es endlich wieder lieferbar, wurde das spannende wie verdienstvolle Buch in 3. Auflage nachgedruckt.
Das Werk ist mehr als ein Kochbuch. Es ist eine ganz besondere Form der Erinnerungskultur. Die Herausgeberinnen bringen zusammen was zusammengehört: Küche, Lebens- und Zeitgeschichte. Zum Lesen, Erinnern und Nachkochen.
Die Herausgeberinnen
Gabriela Fenyes arbeitete als Journalistin und war viele Jahre Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Barbara Guggenheim, geboren in Zürich, war Literaturagentin und ist Gründungsmitglied des »Jüdischen Salon am Grindel«. Judith Landshut entstammt einer traditionsreichen jüdischen Familie aus der Tschechoslowakei und war viele Jahre in der Jüdischen Gemeinde in Hamburg tätig.
Das Buch
Gabriela Fenyes, Barbara Guggenheim, Judith Landshut (Herausgeberinnen):
Das Jüdische Kochbuch aus Hamburg / The Jewish Cookbook from Hamburg
Dölling und Galitz Verlag, 286 Seiten, 28 Euro, 3. Auflage 2024.