Jens Mecklenburg

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Angler Sattelschwein: gutmütiges Wesen mit dickem Speckmantel

14. Februar 2024
Angler Sattelschein. © Ingo Wandmacher

In der Region Angeln in Schleswig-Holstein waren die Bauern mit ihren alten Landschweinen nicht mehr zufrieden. Die Holsteinischen und Jütländischen Marschschweine wuchsen ihnen zu langsam und brachten zu wenig Nachwuchs zur Welt. So machte sich ein Landwirt aus Süderbrarup aus der Region Angeln im Norden Schleswig-Holsteins 1926 nach England auf, dem damaligen Mekka der europäischen Schweinezucht, sah sich dort um und erwarb eine tragende Sau der Wessex-Saddleback-Rasse. Das englische Sattelschwein war durch Einkreuzung chinesischer Maskenschweine entstanden. Da sich der erwünschte Erfolg einstellte, wurden in den nächsten Jahren weitere Schweine dieser Rasse aus England importiert. So entstand aus den heimischen Marschweinen und dem Wessex-Saddleback in wenigen Jahren das Angler Sattelschwein, 1937 offiziell als neue Schweinerasse anerkannt. Das robuste, mächtige und vom Charakter gutmütige und stressresistente Landschwein – der Eber erreicht eine stattliche Schulterhöhe von über 90 Zentimeter – mit den typischen Schlappohren entwickelte sich rasch zum schleswig-holsteinischen Lieblingsschwein. Schon im Jahr seiner offiziellen Anerkennung zählte man über 80.000 Angler Sattelschweine im Norden. Die hervorragenden Muttereigenschaften, die gute Weidefähigkeit, die Anspruchslosigkeit in der Haltung und der dicke Speckmantel auf den Rippen machten das Sattelschwein in kürzester Zeit ungeheuer populär. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte das in Angeln gezüchtete Schwein sogar zur beliebtesten Schweinerasse in Norddeutschland.


Schweine sollten nicht mehr fett sein

Doch der Erfolg war nur von kurzer Dauer. Kaum zu glauben: 1991 gab es nur noch neun Sauen und einen Eber – das einst so beliebte Sattelschwein stand kurz vor dem Aussterben. Ende der 50er Jahre, mit dem so genannten deutschen Wirtschaftswunder begann der Niedergang der traditionell fetten Schweinerassen. Das was einst das Angler Schwein so beliebt gemacht hat, sein dicker Speckmantel, war auf einmal verpönt. Denn das mächtige Sattelschwein mit dem charakteristischen schwarzem Kopf und Hinterteil und dem langen weißen Rücken, dem Sattel – daher auch der Name – bringt bis zu 350 kg auf die Waage – das Schwergewicht unter den deutschen Schweinerassen. Mit steigendem Wohlstand stieg die Nachfrage nach magerem Fleisch. In der 70er Jahren verschwand das Angler Sattelschwein fast völlig aus den Schlachtereien und Fleischtheken des Nordens. Gegenüber den „modernen“ Schweinen war die Speckschicht zu dick, der Fleisch- und Schinkenanteil im Verhältnis zum Körpergewicht zu gering. Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) setzte es auf seine „Rote Liste“ und ernannte es zur gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 1990. Auch Slow Food nahm es in seine „Arche des guten Geschmacks“ auf.

Wenn sich nicht eine engagierte Züchtergemeinschaft 1991 dran gemacht hätte, das Angler Sattelschein zu retten, wäre die Rasse wohl heute endgültig ausgestorben. Um den kümmerlichen Bestand aufzufrischen, wurden Sattelschweine aus Ungarn importiert und 50 Sauen und vier Eber konnten aus einer ehemaligen LPG in Sachsen erworben werden, die dort als Genreserve gehalten wurden. Inzwischen suhlen sich auch Dank eines Fördervereins wieder einige Hundert Angler Schweine auf schleswig-holsteinischem Boden.


Ausdrucksstark wie Emil Nolde

Wegen der sehr guten Fleischqualität, der zahlreichen Ferkel – die Sauen bekommen zwei Würfe im Jahre mit jeweils bis zu zehn, manchmal bis zu zwölf Ferkeln – und der Eignung für naturnahe Haltungsformen wird das Angler Sattelschwein von Liebhabern, besonders von Biolandwirten geschätzt. Als guter Futterverwerter fühlt es sich auf der Weide schweinewohl.

Um den heutigen Ansprüchen der Verbraucher entgegenzukommen, kreuzen einige Züchter ihre Sattelschweine mit anderen (magereren) Schweinerassen ein. Ob reinrassig oder eingekreuzt: Das Ergebnis ist ein Fleisch für Feinschmecker. Das Fleisch des Angler Sattelschweins ist verglichen mit der Standardware aus Massentierhaltung wie ein Originalgemälde von Emil Nolde im Vergleich zu einem Kunstdruck aus dem Kaufhaus. Bei dem stressresistenten Schwein sorgen die breite Fettschicht und der hohe Gehalt an intramuskulärem Fett im Muskelfleisch (gute Marmorierung) für einen wohlschmeckenden kräftigen Geschmack. Ein einfaches Kotelett ist so ausdrucksstark wie ein Gemälde von Nolde – purer Genuss. Das Fleisch verliert beim Braten kein Gewicht – es spritzt kein Wasser – und hat ein herzhaftes, nussiges Aroma. Durch das Angler Sattelschwein bekommt Schweinefleisch seine einstige besondere Bedeutung für die Menschen zurück. Denn nur ein geachtetes, robustes und glückliches Schwein, kann uns Menschen zum Genuss verleiten.

Fotoaufnahmen mit einem Angler Sattelschwein © Ingo Wandmacher

Der Autor zu Besuch auf einem Bio-Hof mit Angler Sattelschweinen: