Binnen weniger Jahre hat sich Gusto in der Restaurant- und Feinschmeckerszene einen sehr guten Namen gemacht und ist zum vielbeachteten Gourmetführer avanciert. Dabei hat der jüngste unter den Restaurant-Guides schnell einige der sogenannten etablierten Größen dieses Genres hinter sich gelassen, denn der Guide brachte viel frischen Wind in das seit Jahrzehnten recht statisch von einer Handvoll Publikationen beherrschte Feld der Gourmetkritik, vor allem durch die ausführliche, differenzierte Bewertung und die Transparenz in der Bewertung.
Krabbenbrötchen vom Sternekoch – die Bewertungen für Hamburg
The Table Kevin Fehling (Hafencity)
Für die weltoffenen Kreationen, die in seinem „Chef’s-Table-Restaurant“ in der Hamburger Hafencity im Rahmen eines allabendlich einheitlichen Menüs offeriert werden, wendet der Chef Kevin Fehling oftmals täglich mehrere Stunden Denk- und Kreativarbeit auf. Daher wurde sein Restaurant auch nicht nur mit der Bestpunktzahl von zehn Gusto-Pfannen sondern auch in der Rubrik „State oft he Art“: Präzision, Perfektion und Design des Gusto ausgezeichnet. Gern spielt der Chef mit bekannten Geschmacksbildern, denen er ein neues Outfit gibt, sie maximal verfeinert und dem Gast dadurch gleichsam vertraute wie originelle neue Eindrücke vermittelt. So schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe, schickt einerseits unkompliziert „leckeres“ Essen für die Seele und hält andererseits den Erlebnisfaktor hoch. Das gelingt schon im Intro ganz ausgezeichnet, für das er sich zuletzt den Themen „Krabbenbrötchen“, „Carbonara“, „Ceviche“ und „Stroganoff “ als Fingerfood angenommen hatte. Das Krabbenbrötchen als hochfeinen Macaron mit Gurkengelee und Krabbentatar interpretiert, die „Pasta Carbonara“ in der Porzellan-Eierschale mit Risoni-Nudeln in sublimem Eigelbschaum mit etwas Spinatcreme, feinen Speckpartikeln und satt erdiger schwarzer Trüffel on top und das peruanische Ceviche in Gestalt wunderbar fester, fleischiger, nur sehr kurz gesäuerter dicker Stücke vom Skrei auf einem Tamarillo/-Paprika-Kompott, flankiert von Jalapeño-/Apfel-Sorbet unter hauchdünnem Jalapeño-Karamell.
Haerlin (Neustadt)
Christoph Rüffer und sein Hearlin-Team sind in Hochform! Sie kochen grundsätzlich klassisch, aber immer mit originellem, kreativem Twist. Und sowieso nur noch das, was ihnen selbst am meisten Spaß macht, und nicht das, wovon sie sich die höchste Anerkennung der Kritikerinstanzen erhoffen können. Dass das alles seinen Preis hat, liegt in einem Haus von Rang und Namen wie diesem natürlich auf der Hand, findet man das Restaurant schließlich im Hotel Vier Jahreszeiten. Zum Reh aus der Lüneburger Heide, dessen wunderbar saftig-straffer und knusprig überflockter Rücken von einer in dünner Geleehülle verkapselten Rehpraline auf Polentasockel sekundiert wurde, sorgt eine ziemlich intensive, aber keinesfalls überkonzentrierte Cassisjus für aromatischen Druck. Zwei Pistaziencreme-Sphären, mit Zimt gewürzte Perlzwiebelchen und eine mehr getreidig als gemüsig anmutende Malzcreme auf Topinamburbasis umspielten das Wild mit ihren nussigen und dezent warmwürzigen Anklängen kongenial, sodass sich auch hier wieder ein harmonisch verdichteter Spannungsbogen aus straffer fruchtiger Säure und samtig weichen Puffern aufbauen konnte. Christoph Rüffer versteht es, der französischen Klassik nicht nur viel Regionalbezug, sondern auch einen originellen Touch zu verleihen und sie immer up to date wirken zu lassen, weshalb Gusto sein Restaurant auch zu den Top 10 Restaurants der Kategorie „Moderne und traditionelle Klassik“ ausgezeichnet hat.
Aufsteiger und neu in Hamburg
Lakeside (Rotherbaum)
Mit Julian Stowasser hat man für das kulinarische Aushängeschild des Fontenay einen Küchenchef gefunden, der dem Restaurant mit seinem weiß-grauen Interieur das notwendige Profil verschaffen kann. Stowasser kommt mit Vorerfahrung aus dem Frankfurt Weinsinn nach Hamburg. Dort erreichte er mit dem Gusto-Guide bereits sieben Pfannen, dieses Jahr bekommt er acht Gusto-Pfannen. Die Markenzeichen seiner beiden Lehrmeister, nämlich Aromen präzise zu justieren, beeindruckend scharfzustellen und die Gerichte maximal zugänglich zu halten, kennzeichnen auch seine Küche – und er setzt bereits eigene Akzente! Seine Gerichte haben trotz ihrer Harmonie eine gute Spannung und präsentieren sich durchgängig auf solidem acht-Pfannen-Niveau. Und durchbrechen damit das etwas unterkühlte Ambiente des Restaurants ebenso wie der souverän entspannte Service unter der Leitung von Michel Buder. Ein Pluspunkt des Lakeside ist auch die Weinkarte, die Sommelière Stefanie Hehn mit Expertise zusammengestellt hat. Sie umfasst neben Klassikern eine ganze Reihe interessanter Gewächse jenseits großer Namen, die zudem für Hamburger Verhältnisse sehr fair kalkuliert sind. Selbstredend gibt’s auch eine ansprechende glasweise Weinbegleitung.
Heimatjuwel (Eimsbüttel)
Lange Zeit schien der Trend zu deutlich mehr Regionalität auf dem Teller einen weiten Bogen um die Hamburger Gastroszene zu machen. Doch seit einigen Jahren haben sich auch in der Hansestadt eine Reihe von Feinschmeckerrestaurants etabliert, die sich überwiegend den saisonalen heimischen Viktualien widmen – das 2016 von Marcel Görke eröffnete Heimatjuwel ist sogar schon eines der etablierten Lokale aus der Nische der neuen Regionalküche. Abends wird ein vegetarisches Menü angeboten, das sich in Teilen mit der „heimatnah“ genannten Speisenfolge mit Fisch und Fleisch überschneidet. Bereits der zweiteilige Gruß aus der Küche repräsentiert den Küchenstil von Marcel Görke beispielhaft: Einige Kügelchen Lachskaviar und ein Tupfer Zitronen-Crème- fraîche kommen auf einem „Poffertje“ (kleine niederländische Pfannkuchen-Varietät) gut zur Geltung. Ebenso fein ist eine luftige Kürbis-Espuma, der dank etwas Sauerklee angenehm frisch wirkt. Das gesamte Menü wirkt unangestrengt und ist doch so elaboriert, dass die hohe Bewertung von sieben Pfannen problemlos aufrechterhalten können. Und es ist überdies zu einem äußerst fair kalkulierten Preis zu haben!
Jellyfish (Eimsbüttel)
Das Restaurant Jellyfish ist das einzige, das es dieses Jahr neu in die Gusto-Auszeichnungen geschafft hat. Der erst 25 Jahre junge, im fränkischen Aschaffenburg geborene Stefan Fäth legt seit seiner Übernahme im Herbst 2020 sehr ambitioniert und auf hohem Niveau los. Mehr noch: Das Ambiente blieb zwar gewohnt schlicht und schmucklos (nur eine große stilisierte Qualle ziert nun die weißen Wände), der neue Chef hat allerdings das Preisniveau gegenüber dem, was seine Vorgänger hier für das Menü aufgerufen haben, deutlich angehoben. Und auch durch seine Art zu kochen, die um einiges aufwendiger, kleinteiliger und verspielter ist, als das, was hier bislang geboten wurde, gibt er zumindest dem Kulinarium des Jellyfish nochmal einen exklusiveren Touch. Ein Aromengeflecht aus zarter Süße, milder Schärfe und feinen Säuren zeichnete den Zwischengang um eine „Currywurst“ von der Garnele, die mit einer Rolle aus Kimchi und Schwedensalat sowie einem gebackenen Kartoffelstick alias Pomme frite in sublimem Curryschaum eingebettet war. Unter dem Arbeitstitel „Caesar Salad“ ging es ein ebenso vollmundig-herzhafter wie fein ausdifferenzierter Verein aus mit würziger Hühnerfarce gefülltem Calmar, einem mit Sardellencreme und Parmesan-Crumble bestücktem Riegel von geschmortem Romanasalat, einem cremigen Bio-Eigelb sowie Creme und Schaum von Vogelmiere. Und Fäths Interpretation von der Bouillabaisse war ebenso feinsinnig wie kraftvoll zupackend, darüber hinaus unverkünstelt klassisch und von erstaunlicher Produktqualität, weshalb es das Jellyfish dieses Jahr auch mit acht Gusto-Pfannen ausgezeichnet wird.
Die besten Restaurants in Hamburg im Überblick:
10+ und 10 Pfannen – The Table Kevin Fehling, Hamburg (Hafencity) – Haerlin, Hamburg (Neustadt)
9+ und 9 Pfannen – bianc, Hamburg (Hafencity)
8+ und 8 Pfannen – Piment, Hamburg (Eppendorf) – Jellyfish, Hamburg (Eimsbüttel) – 100/200 Kitchen, Hamburg (Rothenburgsort) – Lakeside, Hamburg (Rotherbaum) – Zeik, Hamburg (Winterhude)
7+ und 7 Pfannen – Petit Amour, Hamburg (Ottensen) – Heimatjuwel, Hamburg (Eimsbüttel) – Landhaus Scherrer, Hamburg (Ottensen) – Haco, Hamburg (St. Pauli) – Trüffelschwein, Hamburg (Winterhude)
Der renommierte Restaurantführer erscheint mit der Ausgabe 2021 erstmals im ZS Verlag (976 Seiten, 29,99 €). Die besten 900 Restaurants Deutschlands, von Aachen bis Zwingenberg, von hervorragender Landküche bis zum Gourmet-Lokal, werden anonym und unabhängig getestet und ausführlich beschrieben. Ergänzt wird der Führer um eine Online-Version und die Gusto App.