Jens Mecklenburg

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Gastronomie, Hotels, Tourismus: Welche Öffnungen gelten im Norden

10. Mai 2021

Großes Interesse an Urlaubsbuchungen im Norden, Sorgen in Tourismusregionen im Südwesten: Die unterschiedlichen Öffnungsstrategien der Bundesländer sorgen für Verunsicherung. Während die touristischen Modellregionen in Schleswig-Holstein einen wahren Ansturm von Buchungsanfragen verzeichnen, fürchten Besitzer von Hotels und Ferienwohnungen im Schwarzwald und am Bodensee, beim Wiederanlaufen des Inlandstourismus ins Hintertreffen zu geraten. In Oberbayern blieb ein Buchungsboom für Pfingsten bislang aus.

Die Stuttgarter Landesregierung habe für die Reisebranche in Baden-Württemberg noch keine klaren Perspektiven aufgezeigt, kritisierte ein Sprecher der Schwarzwald Tourismus GmbH. «Es ist leider ein sehr chaotisches Bild.» Es gebe zwar einen «Riesenandrang» von Reisewilligen in der Region. «Aber wir können derzeit keine Zusage machen, dass Ferienwohnungen, Hotels und Campingplätze bereits zu Pfingsten geöffnet sind.» Die Internationale Bodensee Tourismus GmbH beklagte: «Existenzen von Unternehmen und deren Beschäftigten stehen auf dem Spiel, wenn sich der Re-Start in einigen Destinationen weiter verzögert.» Das Sozialministerium in Baden-Württemberg versprach, rechtzeitig vor Pfingsten Klarheit zu schaffen.

Konkreter wurde bereits Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der ankündigt hatte, Urlaub im Freistaat in den Pfingstferien in Regionen mit niedrigen Corona-Infektionszahlen wieder zu erlauben. Ein Buchungsboom in den oberbayerischen Urlaubsregionen zu Pfingsten blieb bislang aber aus. Das Interesse sei groß, es gebe aber noch Unsicherheiten, sagte der Geschäftsführer der Tourismusverbandes Oberbayern und München, Oswald Pehel. «Wir brauchen Antworten, vor allem was die Teststrategie betrifft.» Hotels und Ferienwohnungen sollen am 21. Mai Gäste empfangen dürfen, wenn die Inzidenz mindestens sieben Tage unter 100 liegt.

Bild von Peggy Choucair auf Pixabay

Alle wollen in den Norden

In den Tourismuszentralen der Inneren Lübecker Bucht, der Schleiregion, des Kreises Nordfriesland und der Gemeinde Büsum laufen nach Angaben der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein unterdessen die Telefone heiß. In der Inneren Lübecker Bucht unter anderem mit dem Ort Timmendorfer Strand ist von Samstag an wieder Urlaub unter strengen Auflagen möglich. Die Insel Sylt und der Kreis Nordfriesland heißen bereits seit dem 1. Mai wieder Gäste willkommen. Erlaubt ist auch die Anreise von Urlaubern, die nicht in Schleswig-Holstein wohnen, sofern sie einen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können.

Das Nachbarland Niedersachsen will vom kommenden Montag an mit einem Stufenplan in Lockerungen einsteigen. In Kreisen und Städten mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 soll Tourismus unter Auflagen möglich sein – zunächst aber nur für niedersächsische Gäste.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Buchungssituation wegen eines noch unklaren Öffnungsdatums nach Angaben des Landestourismusverbandes noch nicht aussagekräftig. «Gleichwohl stellen wir auf Basis aktueller Umfragen eine hohe Nachfrage nach Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern fest», sagte Verbandsgeschäftsführer Tobias Woitendorf. Rund 60 Prozent der Kapazitäten seien gebucht: «Wir gehen von einer raschen Zunahme der Buchungen aus, sobald ein genauer Öffnungstermin bekannt ist.»

Nach Einschätzung des Reisekonzerns Tui könnten die geplanten stufenweisen Lockerungen im Deutschland-Tourismus noch rechtzeitig für eine stabile Sommersaison auch im Inland kommen. «Insbesondere in den Küstenregionen und in den Bergen wird es einen Run auf Urlaubshotels geben», glaubt die Managerin Nicole Sohnrey, die bei dem Branchenprimus unter anderem für Auto- und Städtereisen zuständig ist. Für die inländischen Ziele werde aus derzeitiger Sicht ein «starker Sommer» erwartet.

Wichtigste Urlaubsgegend hierzulande dürfte demnach 2021 wieder die Ostseeküste werden. In den touristischen Modellregionen Schleswig-Holsteins hätten die Buchungen schon zuletzt deutlich angezogen, man liege hier gut 70 Prozent über dem Vorjahr. Aber auch das Interesse an Ferien in Ostfriesland, auf der mecklenburgischen Seenplatte, im Schwarzwald oder in Bayern sei hoch, berichtete Tui. «Sobald Urlaub in Deutschland wieder möglich ist, rechnen wir mit einem sprunghaften Anstieg des Buchungsvolumens», erklärte Sohnrey.

Bremen

Menschen, die vollständig gegen das Coronavirus geimpft oder in den vergangenen sechs Monaten eine Infektion überstanden haben, sind künftig im Bundesland Bremen von allen Testpflichten ausgenommen. Eine entsprechende Regelung beschloss der Senat am Dienstag. Die Betroffenen benötigten keine Tests mehr. Ein vollständiger Impfschutz bestehe ab dem 15. Tag nach der abschließenden Impfung, hieß es. Die Bürgerschaft muss der Änderung in dieser Woche noch zustimmen.


Hamburg

Die Hoffnungen auf eine rasche Lockerung der Corona-Auflagen in Hamburg hat sich nach nur einem Tag wieder erledigt. War die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag nach Berechnungen der Stadt erstmals seit Mitte März unter den wichtigen Wert von 100 gesunken, lag er am Dienstag schon wieder knapp darüber – was aus Sicht des rot-grünen Senats Erleichterungen vorerst unmöglich macht. Senatssprecher Marcel Schweitzer sprach am Dienstag von einer heiklen Lage. Es müsse ein Jo-Jo-Effekt verhindert werden. «Der Jo-Jo-Effekt heißt: lockern, schließen, lockern, schließen. Ich glaube, das verträgt niemand.» Es bleibe allerdings dabei: «Wenn die Hamburger Sieben-Tage-Inzidenz mindestens an fünf aufeinander folgenden Werktagen den Wert von 100 unterschritten hat, dann wären Lockerungen denkbar, sofern das Infektionsgeschehen stabil bleibt.»


Mecklenburg-Vorpommern

(Stand 6.5.) In der Diskussion um Öffnungsszenarien hat Wirtschafts- und Gesundheitsminister Harry Glawe angekündigt, bei weiter fallenden Corona-Inzidenzen touristische Modellregionen entwickeln zu wollen: «Die Verhandlungen laufen», sagte Glawe am Donnerstag. Bei den Modellregionen werde es um die Küste und um das Binnenland gehen. «Wir werden vor dem 22. Mai eine Antwort geben.» An diesem Tag läuft die derzeit gültige Lockdown-Regelung aus. Beim Vergleich mit Schleswig-Holstein verwies Glawe darauf hin, dass dort die Inzidenz deutlich niedriger als in Mecklenburg-Vorpommern ist.

Zuvor hatte Staatskanzleichef Heiko Geue angekündigt, schon zu Pfingsten regionalen Tourismus zulassen zu wollen. Grund seien die sinkenden Fallzahlen. «Das ermöglicht uns, den Tourismus in Modellregionen mit stabil niedriger Inzidenz bereits ab Pfingsten zuzulassen», sagte Geue der «Schweriner Volkszeitung» (Donnerstag). Modellprojekte würden vorbereitet.

Der Landestourismusverband Mecklenburg-Vorpommern hat für die künftigen Regelungen im Tourismus und der Gastronomie einen «norddeutschen Weg» vorgeschlagen. Es sei wichtig für die Gäste und den Wettbewerb, im Sommer gleiche und nachvollziehbare Bedingungen zu schaffen, sagte Verbandsgeschäftsführer Tobias Woitendorf am Donnerstag. Schleswig-Holstein hatte am Mittwoch beschlossen, dass Geimpfte, Genesene und Getestete vom 17. Mai an unter strengen Vorgaben landesweit Gaststätten auch in Innenräumen besuchen und in Beherbergungsbetrieben samt Campingplätzen übernachten dürfen. Viele Anbieter in der Tourismusbranche befürchten nun, gegenüber Schleswig-Holstein an Boden zu verlieren.

Die Urlaubsbranche und das Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern geraten nach der Entscheidung Schleswig-Holsteins zur weitgehenden Öffnung von Tourismus und Gastronomie noch vor Pfingsten unter Druck. Wenn die Menschen nicht nach Mecklenburg-Vorpommern kommen dürften, würden sie sich andere Ziele suchen, sagte der Präsident des Dehoga-Landesverbands, Lars Schwarz. «Wir müssen zwar anerkennen, dass Schleswig-Holstein deutlich niedrigere Inzidenzen hat», sagte Schwarz. Diese lagen am Mittwoch im Nachbarland bei 54,5 und in Mecklenburg-Vorpommern bei 105,7. Da aber in MV in Kürze mit einer Inzidenz von unter 100 zu rechnen sei, liege nun der Ball bei der Landesregierung. Derzeit laufen die Planungen nur bis Ende des Lockdowns am 22. Mai. «Dann müssen die ersten flächendeckenden Öffnungen kommen», forderte Schwarz. Die Gastronomie könne Vorreiter sein, sehr zeitnah die Beherbergung folgen.

Niedersachsen

(Stand 5.5.) Der Durchstart des Tourismus aus dem Corona-Lockdown verlangt Gästen und Hotels in Niedersachsen einiges ab. Wenn von Montag an Hotels, Ferienwohnungen und andere Quartiere in Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 wieder Gäste empfangen dürfen, gilt es etliche Einschränkungen und Pflichten zu beachten. Während die Landesregierung noch an den Details der Lockerungen feilt, müssen Hoteliers abwägen, ob sie so schnell überhaupt den Betrieb wieder hochfahren können – und ob sich das auch rechnet. Buchen können auf jeden Fall zunächst nur Menschen aus Niedersachsen. Auch die Gastronomie soll von Montag an zunächst draußen und zwei Wochen später auch drinnen mit einem Hygienekonzept wieder öffnen dürfen, dort dann mit einer Kapazitätsbegrenzung auf 50 Prozent. Es greift eine Sperrstunde um 23 Uhr, eine Tischreservierung ist nicht erforderlich.

In 32 der 45 Landkreise und Großstädte lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch unter 100. Für die Tourismusregionen an der Küste sowie im Harz und in der Heide steht einem vorsichtigen Neustart nichts im Weg – vorausgesetzt, die Inzidenz bleibt fünf Werktage hintereinander stabil unter 100. Dies ist auch in den Kreisen Friesland, Wittmund, Aurich und Leer, zu denen auch die sieben Ostfriesischen Inseln gehören, der Fall.

Die Einschränkungen beim Neustart stellen die Betriebe vor eine Herausforderung – zeitlich, personell und finanziell. Für etliche Hotels kommt die Öffnungsmöglichkeit kurzfristig, und ob sie sich zunächst noch ohne die Touristen aus NRW überhaupt rechnet, ist auch eine Frage. Unter denselben Vorzeichen prüfen die Fährbetriebe ein Ausweiten der Fahrpläne. Auch für die Hoteliers im Harz kommt die Öffnung kurzfristig, und ob eine maximale Belegung von 60 Prozent wirtschaftlich ausreicht, bezweifeln einige.

An der Nordseeküste sind bereits vielerorts Teststationen installiert worden – auch beispielsweise an den Fähranlegern in Norddeich und in Harelsiel, von wo aus Fähren zu den Inseln Juist, Norderney und Wangerooge starten. Die Testzentren entlang der Küste seien bereits im Zuge der Öffnung der Campingplätze für Dauercamper aufgebaut worden, sagte die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Nordsee, Sonja Janßen. Denn für Dauercamper gilt bereits eine Testpflicht. Den Ostfriesischen Inseln kommt zu Gute, dass sie sich bereits seit Längerem mit Öffnungen beschäftigen. Auf allen sieben Ostfriesischen Inseln gibt es daher bereits Schnelltestzentren. Noch sind sie vor allem für die Inselbevölkerung ausgelegt – ein Kapazitätsausbau soll nun in den kommenden Tagen erfolgen, sagte der Geschäftsführer der Marketinggesellschaft der Ostfriesischen Inseln, Göran Sell.


Schleswig-Holstein

Die Sieben-Tage-Inzidenz in Schleswig-Holstein ist am Dienstag auf 54,5 gesunken. Am Tag zuvor hatte sie bei 56,9 gelegen, eine Woche zuvor noch bei 70,2. Die kritische Schwelle von 100 bei der Sieben-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen einer Woche) überschritt weiterhin kein Kreis. In dem Land laufen zahlreiche Modellprojekte mit geöffneter Gastronomie und Hotels. Weitere Öffnungsschritte wurden nicht bekannt.