Essen & Politik – Das Mahl des Heiligen Matthias
Zum Matthiae-Mahl, dem ältesten noch begangenen Festmahl der Welt, hat Hamburg schon viele Staatsgäste begrüßt. Bundeskanzler Olaf Scholz und die estnische Premierministerin Kaja Kallas, die seit Anfang der Woche auf einer russischen Fahndungsliste steht, sind in diesem Jahr die Ehrengäste beim traditionellen Matthiae-Mahl im Hamburger Rathaus.
Die Geschichte des Mahls
Was hat es mit der Geschichte des traditionsreichen Banketts, das jährlich um den 24. Februar stattfindet, auf sich? Der Name des historischen Ehrenmahls bezieht sich auf das Datum, an dem es traditionell stattfindet. Der Matthias-Tag am 24. Februar galt im Mittelalter als Frühlingsbeginn und Auftakt des Geschäftsjahres. Die Senatoren erhielten ihre neuen Aufgaben und wählten den Ersten Bürgermeister.
Es entwickelte sich zu einem Brauch, „Vertreter der Hamburg freundlich gesonnenen Mächte“ am Matthias-Tag zu einem Festmahl einzuladen. Seit 1356 feiern die Hamburger mit ihren Gästen das Matthiae-Mahl. Es ist damit das weltweit älteste, heute noch begangene Festmahl. Nach 1724 wurde die Feier allerdings über 200 Jahre lang ausgesetzt, die Gründe für diese Pause sind jedoch nicht bekannt.
Messer für Minister
Für die geladenen Minister und andere hohe Gäste deckte man zum Matthiae-Mahl ein Messer ein. Im 14. Jahrhundert, als man für gewöhnlich mit den Fingern aß, war dies ein Ausdruck besonderer Ehre. Heute sind die Tafeln dekoriert mit Tafelaufsätzen, Vasen und Schalen aus dem Silberschatz des Rathauses. Ein besonders prunkvolles Stück ist ein Pokal, ein Geschenk König Edwards VII. von England. Zum Matthiae-Mahl steht er auf dem Ehrentisch, an dem der Erste Bürgermeister, die Ehrengäste sowie Hamburgs Ehrenbürgerinnen und -bürger sitzen.
Zusätzlichen Glanz verleihen der Abendveranstaltung die Ehrengäste, unter ihnen Staatspräsidenten, Regierungschefs und gekrönte Häupter. Um nur einige Namen zu nennen: Königin Silvia von Schweden speiste ebenso als Ehrengast im Rathaus wie Jordaniens König Abdullah II. und Kronprinz Frederik von Dänemark mit seiner Frau Mary. Die Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schörder folgten ebenfalls der Einladung. Kanzlerin Angela Merkel war im Jahr 2016 schon zum zweiten Mal dabei. Rekordhalter unter den Ehrengästen ist Helmut Schmidt. In den Jahren 1976 bis 1982 war er als Bonner Regierungschef gleich vier Mal Ehrengast und Redner. Generell gilt: Es wird ein ausländischer und ein deutscher Ehrengast eingeladen.
Für den einzigen handfesten Skandal in der langen Geschichte der Matthiae-Mahlzeit sorgte Wladimir Putin. Im Februar 1994 saß er als Vizebürgermeister der russischen Stadt St. Petersburg an der Tafel. Die Rede an diesem Abend hielt Estlands Staatspräsident Lennart Meri. Als dieser den Russen vorwarf, sie wollten wieder die Vorherrschaft im Osten, zögerte Putin nicht: Er warf seine Serviette auf die Festtafel und marschierte „mit durchgedrückten Knien aus dem Saal, jeder Schritt begleitet vom Knarzen des Parketts“, wie es eine Augenzeugin schilderte. Putin ließ es sich nicht nehmen, dem Gastgeber – dem damaligen Bürgermeister Henning Voscherau – vor Verlassen des Raums noch einen verächtlichen Blick zuzuwerfen.
Regeln zum Festmahl
Der erste Bürgermeister erwartet die Ehrengäste stets im Rathaus, auf dem oberen Absatz der Senatstreppe. So gerieten frühere Bürgermeister nicht in die Verlegenheit, zu Pferde anreisenden Gästen aus dem Steigbügel helfen zu müssen. Das strenge Protokoll zum Ablauf des Matthiae-Mahls gilt im Wesentlichen seit einem halben Jahrtausend unverändert. Nach der Begrüßung begleitet der Erste Bürgermeister die Ehrengäste zum Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Hamburg, bevor das eigentliche Mahl im Großen Festsaal beginnt. Zum ersten historisch belegten Matthiae-Mahl im Jahr 1356 waren 40 Gäste geladen. Heute sind es rund zehnmal so viele, darunter das gesamte Konsularische Korps sowie Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Auch Repräsentanten der großen Religionsgemeinschaften, internationaler Organisationen und der Bundeswehr zählen zu den Gästen.
Festliche Speisen
Früher waren die Köche des Ratskellers für die Speisenzubereitung zum Matthiae-Mahl zuständig. Inzwischen können sich Hamburger Gastronomen und Köche um die Ausrichtung des Festmahls bewerben. Das Menü bleibt ein Geheimnis, bis die Gerichte serviert werden. Selbstverständlich nehmen die Köche Rücksicht auf Geschmack und Vorlieben der Ehrengäste, so gibt es zum Beispiel jedes Jahr eine vegetarische Menüvariante. Das war nicht immer so: Die Menüfolge von 1715 sah drei überaus fleischreiche Gänge vor, darunter „ein ganzes gebratenes Reh garniert mit Rebhühnern, Wildschweinrücken garniert mit Krammetsvögeln, Fasanen garniert mit Finken…“ Abgerundet wurde das Ganze von einem Nachtisch aus Mandeln, Feigen, Rosinen und verschiedenen Kuchen.
Musikalische Untermalung
Seit vielen Jahren spielt das Kammerorchester der Hochschule für Musik und Theater Hamburg auf der Empore im Großen Festsaal, die nur an diesem Abend noch zu ihrem ursprünglichen Zweck genutzt wird. Georg Philipp Telemann komponierte 1724 sogar eigens eine Tafelmusik für das Matthiae-Mahl.
Am Abend des Matthiae-Mahls kümmern sich rund 150 Service-Kräfte um das Wohl der Gäste, zahlreiche weitere Mitarbeiter wirken unbemerkt hinter den Kulissen. Unmittelbar nach einem erfolgreichen Matthiae-Mahl beginnen mit der Auswahl und Einladung der Ehrengäste schon wieder die Vorbereitungen für das nächste Jahr.