Fünf Cent pro Mahlzeit – so viel würde eine Verbesserung des Tierwohls die Verbraucher im Schnitt kosten, rechnet eine neue Studie vor. Der Umbau der Nutztierhaltung soll Jahre dauern.
Deutschlands Nutztieren – Kühen, Hühnern und Schweinen – geht es nicht gut, das ist längst auch wissenschaftlich belegt. Eine Studie der Hochschule Hannover hatte etwa festgestellt, dass ein nicht geringer Teil der Milchkühe lahmt. Diese Beschwerden gehen auch auf Erkrankungen der Gliedmaßen zurück, die sich infolge unhygienischer oder enger Ställe mit ungeeigneten Böden mit Spalten einstellen.
Um solche und andere Probleme in der Massentierhaltung zu beheben, ist die Politik gefragt – und die Gesellschaft: Denn obwohl sich viele Verbraucher darüber im Klaren sind, dass sie eigentlich kein Billigfleisch wollen, stammen die meisten Fleischprodukte in Supermärkten aus prekärer Tierhaltung – und werden trotzdem gekauft.
Die Politik muss in den Umbau der Nutztierhaltung investieren. Doch wie teuer wird es für Tierhalter und Verbraucher?
Antworten gibt darauf nun eine Studie des Thünen-Instituts. »Wir haben über alle Szenarien hinweg berechnet, dass das ungefähr drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr kosten wird«, sagte Institutsleiter Folkhard Isermeyer in Berlin bei der Vorstellung der Daten, die zunächst die Gesamtkosten für die Landwirtschaft ermitteln sollte. Finanziert werden müsse das durch eine Förderung sowie eine Tierwohlprämie. Das klinge alles recht teuer. »Aber wenn man es umrechnet auf eine Mahlzeit pro Tag, sind es fünf Cent pro Mahlzeit«, sagte Isermeyer. Der Aufwand für den Verbraucher ist also verhältnismäßig gering.
Wenn gesellschaftlich gewollt sei, dass alle Nutztiere in Deutschland auf ein höheres Tierwohlniveau kommen, dann lasse sich das nicht über den Markt erreichen. Anders gesagt: Keiner hat mehr die Illusion, dass Supermarktkunden an der Kühltheke konsequent zum besseren Produkt greifen und so die Tierhaltung zum Besseren wenden. Der Staat müsse perspektivisch die Auflagen für die Tierhalter erhöhen und sie gleichzeitig finanziell unterstützen, empfiehlt der Experte.
Das Geld dafür soll über höhere Preise hereinkommen – entweder über eine von sieben auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer auf Fleisch und Fleischprodukte oder über eine Tierwohlabgabe auf Fleisch und Fleischprodukte, die mehr Platz für Tiere, besseres Futter oder Stroheinstreu möglich machen soll. »Ich bin für beides offen«, sagte Bundesagrarministerin Klöckner. »Es gibt kein Recht auf Billigstfleisch«, so die CDU-Politikerin. Fleisch werde aber auch kein Luxusprodukt für Reiche werden. Sie glaube, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bereit seien, Mehrkosten zu tragen. Ziel sei, dass weniger Fleisch, dafür aber höherwertiges verzehrt werde – »damit können alle besser leben«.
Mit Druck Sog erzeugen
Zu den Auflagen des Staates für die Tierhalter sagte Studienautor Isemeyer: Die Landwirte müssten durch Druck und Sog auf den gesellschaftlich gewünschten Pfad geleitet werden. Bis 2030, so der Vorschlag, solle die Stufe 0 der Tierhaltung verboten werden – das ist die Stufe, in der die aktuell geltenden Mindeststandards eingehalten werden. 2040 soll dann die Stufe 1 nicht mehr erlaubt sein – sie sieht aktuell leichte Verbesserungen für die Tiere wie eine größere Auslauffläche vor.
Der ehemalige Landwirtschaftsminister Joachim Borchert (CDU), Vorsitzender der Zukunftskommission Landwirtschaft, rechtfertigte den langen Zeitraum: Bauern, die die Stufe 2 oder 3 erreichen wollten, müssen meist einen Stall neu bauen. Das dauert erhebliche Zeit. Vielerorts werde eine solche weitreichende Investition auch erst mit dem Generationenwechsel auf einem Hof getroffen.
Die Landwirte sind nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes grundsätzlich bereit, den vorgeschlagenen Weg mitzugehen. Neben einem verlässlichen und langfristigen Förderkonzept sei eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung nötig, an der Verbraucher höhere Tierwohlstandards erkennen, außerdem ein einfacheres Baurecht für Ställe.
Klöckner will den Bauern Verträge mit der Regierung ermöglichen, die ihre Investitionen absichern. »Wer einen Stall umbaut, nimmt richtig Geld in die Hand.« Daher dürfe der Umbau der Tierhaltung nicht davon abhängen, welche Koalition gerade regiert. Sie lasse derzeit Vertragsentwürfe zwischen Staat und Tierhaltern ausarbeiten. Zudem wolle sie die derzeit laut EU-Recht zulässige Förderhöchstdauer von sieben Jahren ausweiten.
Um den Umbau der deutschen Nutztierhaltung voranzutreiben, hatte Klöckner im vergangenen Jahr eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge vorlegte. Eine Anfang März veröffentlichte Machbarkeitsstudie schlug die höhere Mehrwertsteuer zur Finanzierung eines solchen Umbaus vor. Die nun vorgestellte Studie zur Folgenabschätzung untersucht, wie sich dieser Umbau auf die Branche, die einzelnen Betriebe und auf die Verbraucher auswirkt.