
„Kein größeres Volk hat der Welt jemals mehr literarisches und künstlerisches Genie gegeben als die Iren.“ Starke Worte des starken John F. Kennedy. Und in der Tat sprechen allein vier Literatur-Nobelpreisträger, darunter Samuel Beckett und William Butler Yeats, eine deutliche Sprache. Wobei die Auszeichnung wahrlich auch Oscar Wilde verdient hätte. 2025 jährt sich der Todestag des weltberühmten Autors von „Das Bildnis des Dorian Gray“ und anderen Meisterwerken zum 125. Mal. Grund genug, sich auf seine Spuren zu begeben in Irland.
Geboren wurde der Ausnahmeschriftsteller 1854 in Dublin, wo er den Großteil seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Kein Wunder also, dass sich in der irischen Hauptstadt, nicht zuletzt wegen ihm zur „UNESCO City of literature“ ernannt, eine Reihe interessanter Wirkungsstätten finden lassen. Praktisch, dass die wichtigsten Stationen allesamt in fußläufiger Distanz liegen und auf einem etwa – Nettolaufzeit – einstündigen Rundgang auf eigene Faust erkundet werden können.
Ein Mann, viele Worte
Am besten startet man am Merrion Square. Allein schon, weil der von wunderschönen, georgianischen Häusern umrahmte grüne Rechteckplatz zu den schönsten des Landes gehört. Das liegt nicht zuletzt an der angrenzenden National Gallery sowie der hübschen Parkgestaltung, zu der auch eine Oscar-Wilde-Statue zählt. Im extravaganten Hausanzug aalt sich der Dichter da auf einem Felsen, ihm gegenüber zwei Säulen. Auf denen sind einige seiner berühmten Bonmots verewigt, darunter sein wohl bekanntestes: „Everything is going to be fine in the end. If it‘s not fine it‘s not the end.”
Und von wegen Ende! Feiner ist es, sich mehr über den einst so Gefeierten und dann wegen seiner Homosexualität zu zwei Jahren Gefängnis Verurteilten erzählen zu lassen. Dank der technisch raffinierten „Dublin Talking Statue“, eine von zehn im Stadtgebiet, geht das auch. Wie? Einfach das Smartphone an die blaue Tafel halten, schon startet die liebevolle Hommage, die von Booker-Preisträger John Banville geschrieben und von Schauspiel-Ass Andrew Scott gesprochen wurde. Hörenswert!
Familiengeschichten und wertvolle Bücher
Tiefere Einblicke ermöglicht das Haus gegenüber. Hier in 1, Merrion Square wuchs Wilde auf. Besucher des Oscar Wilde House können auf vier Etagen die erstaunliche Geschichte der Familie erfahren, etwa dass das Haus einst als Kulturzentrum im viktorianischen Dublin fungierte. Die extravaganten Eltern brachten hier Klein-Oscar schon frühzeitig mit Künstlern und Schriftstellern in Kontakt.
Geboren wurde Oscar Wilde indessen im unweit entfernten Haus mit der Adresse 21 Westland Row – heutzutage Heimat des Oscar Wilde Writers Centre, das Teil des Trinity College ist. Die Hauptgebäude der 1592 gegründeten Top-Universität gehören ebenfalls unbedingt auf die Route, allein schon wegen der einmaligen, interaktiven „Book of Kells Experience“. Aber auch, weil Wilde als einer der berühmtesten Absolventen gilt (und auch auf dem Campus wohnte, konkret in der Botany Bay 18, das bis heute als Studentenwohnheim fungiert). Gut zu wissen: Die legendäre Bibliothek verfügt über eine bedeutende Oscar-Wilde-Sammlung, die mehr als 150 Objekte von symbolischer Bedeutung für Wildes Biografie im Manuskript- und Druckformat sowie Fotografien und Erinnerungsstücke umfasst.
Apropos Bücher. In „Ulysses Rare Books Opens“ in der nahen Duke Street sind einzigartige Ausgaben von Wildes Werken zu sehen. Zu den Highlights des Antiquariats zählen eine wunderschön illustrierte Version des kontroversen Theaterstücks „Salomé“ sowie eine seltene Ausgabe des Weltromans „Das Bildnis des Dorian Gray“.
Wo Yeats Wilde zujubelte
Was man auf dem Rundgang noch besichtigen sollte? Wildes Taufkirche St. Mark’s Church, heutzutage eine lebendige Pfingstkirche, die der örtlichen Gemeinde dient. Oder das Gaiety Theatre in der King Street South. Wo heutzutage Musicals, Theaterstücke und Konzerte aufgeführt werden (und 1971 sogar der Eurovision Song Contest stattfand), hielt Wilde 1883 zwei Vorträge. Fun Fact: Im Publikum saß der damals 18-jährige William Butler Yeats, späterer Literatur-Nobelpreisträger und begeisterter Fan von Wilde. Der wiederum war privat von Constance Lloyd begeistert, der er just nach einem der Vorträge einen Heiratsantrag machte. Wo? Am Ely Place Nummer 1. Also wenn das kein feiner Ort für ein Happy End des Rundgangs ist! And if it’s not fine, it’s not the end!

Der besondere Tipp: Essen, Trinken, Wilde zitieren
Einer von Wildes Lieblingsorten in Dublin war das historische „Shelbourne Hotel“, in dem er auf späteren Reisen, als er längst in London und anderswo lebte, nächtigte, wenn er in Dublin zu Gast war. Interessierte Urlauber können in seine Fußstapfen treten und in dem edlen Fünf-Sterne-Hotel auf einen Drink oder eine Mahlzeit vorbeischauen. Alternativ genießen Interessierte eine Mahlzeit im Vintage-Glamour der 1930er-Jahre im Fine-Dining-Restaurant „Wilde“, das nach dem Schriftsteller benannt ist. Es liegt wie das Familienhaus der Wildes ebenfalls am Merrion Square. Alternativ geht es auf eine literarische Kneipentour. Beim Dublin Literary Pub Crawl erfahren die Teilnehmer mehr über Wildes Leben und Werk, indem ihnen Schauspieler Auszüge aus seinen Romanen und Theaterstücken sowie aus den Werken anderer großer irischer Literaten wie Joyce, Beckett und Yeats vortragen. Los geht’s um 19.30 beim „The Duke Pub“, wo die knapp zweieinhalbstündige Tour – womöglich bei einem Drink – auch wieder endet.

Hintergrund: Oscariana-Festival
Im Herbst 2024 hat rund um den 170. Geburtstag von Oscar Wilde das mehrtägige Oscariana-Festival stattgefunden – bereits zum zweiten Mal. Die dritte Ausgabe ist nun für diesen Herbst angekündigt. Der genaue Termin steht allerdings noch nicht fest, wobei sich die Tage rund um den 125. Todestag am 30. November herum anbieten. Womöglich geht das Programm aber bereits früher über die Bühne. Wie das konkret aussieht, steht ebenfalls noch in den Sternen, aber es ist von einer abwechslungsreichen Mischung aus Theaterstücken, Vorträgen, Musik und Filmen sowie geführten Touren auszugehen. Was indessen klar ist: woher der Festivalname stammt. Nämlich von Wildes Frau Constance, die 1884 eine Sammlung der besten Epigramme ihres Mannes zusammenstellte – unter dem Namen „Oscariana“.
