Das Geheimnis guter Schokoladen – Ein Gespräch mit Josef Zotter

Über Qualität, Kreativität und die Faszination von Schokolade
16. Oktober 2025

Josef Zotter zählt mit rund 500 Schokoladensorten zu den innovativsten Chocolatiers der Welt. Er ist europaweit einer der wenigen unabhängigen Bean-to-Bar-Produzenten, der ausschließlich in Bio- und Fair-Qualität produziert. Seine Kreationen wurden bei den „Academy of Chocolate Awards“ in London mehrfach von einer internationalen Fachjury ausgezeichnet.

© Lukas Beck

Wie sind Sie auf Schokolade gekommen?

Ich habe meine Lehrjahre hier in der Oststeiermark in der Küche als Koch/Kellner absolviert und so meine ersten Erfahrungen in der Gastronomie gemacht. Später habe ich die Liebe zur Patisserie gefunden und nochmal eine Lehre als Konditor gemacht. Schokolade hat mich schon früh fasziniert. Ich habe nach den Wanderjahren in der Top-Gastronomie mit meiner Frau ein Kaffeehaus eröffnet und bereits dort die handgeschöpfte Schokolade erfunden. Es war eigentlich eine Notlösung. Ein Kunde hat 500 Tafeln Schokolade bestellt und wir hatten nicht genug Gussformen. So habe ich auf einem Tapeziertisch Kürbiskernnougat aufgestrichen und mit gerösteten Kernen und Gewürzen verfeinert – dann in Tafeln geschnitten und in Schokolade getunkt. Das ist inzwischen 34 Jahre her – und der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Inzwischen haben wir über 1.500 Rezepturen entwickelt und ca 130 Sorten in dieser Produktlinie im Sortiment. Nach meiner Insolvenz in den späten 90er Jahren habe ich die Kaffeehäuser geschlossen und mich nur noch der Schokolade gewidmet.

Was fasziniert Sie an ihr?

Als wir in den 90er Jahren begonnen haben Schokolade herzustellen, war der Markt sehr überschaubar. Es gab kaum gute Qualität und Vielfalt. Dunkle, Weiße und Milchschokolade deckten das Angebot ab. Ich habe versucht den Grund dafür zu erkunden und bin nach Nicaragua gereist, in ein Kakaoanbauland. Es war mir wichtig mit den Menschen hinter den Rohstoffen in Kontakt zu treten, ihre Herangehensweise kennenzulernen und ihnen unseren Qualitätsanspruch zu erklären. Viele Kakaobauern haben noch nie Schokolade gegessen, aber sie sind der Ursprung für gute Qualität. Durch einen fairen Preis und regelmäßigen Austausch wurde die Qualität immer besser und so wurden wir 2004 Partner des fairen Handels und 2007 stellten wir den gesamten Produktionsbetrieb auf Bio um und eröffneten das Bean-to-Bar-Werk und legten den Grundstein für die Erlebniswelt. Die Investition war enorm, aber wir profitieren noch heute von diesem Schritt und haben uns in der Produktionstechnik immer weiter verbessert und experimentelle Wagnisse umgesetzt. Als Bean-to-Bar-Hersteller können wir an allen Stellschrauben der Produktionskette drehen – angefangen von der Qualität der Rohstoffe, über Conchierzeiten bis zur Rezeptentwicklung. Wir können Schokolade immer wieder neu erfinden – mit Fruchtnoten, mit Zuckeralternativen oder vegane Kreationen – es gibt keine Grenzen.   

Was macht gute Tafelschokolade aus?

Das wichtigste sind Kakaobohnen in erstklassiger Qualität. Der Kakaobauer muss sauber/biologisch arbeiten, die Fermentation muss unter optimalen Bedingungen erfolgen und natürlich muss der Erntezeitpunkt stimmen. Dann können aus guten Bio-Kakaobohnen auch gute Schokoladen produziert werden. Wenn die Kakaobohnen schimmlig oder im Geschmack nicht ausgereift sind, kann daraus keine gute Schokolade entstehen, der Rohstoff ist entscheidend.

Was ist für den Geschmack ausschlaggebend?

Gute Qualität entsteht in erster Linie im Ursprungsland. Optimale Wetterbedingungen, keine Unwetter oder kranke Triebe am Kakaobaum, gepflegte Bäume ohne Fäulnis, gesunder Rückschnitt. Dann muss der optimale Erntezeitpunkt festgelegt werden, der Nasskakao rasch zur Fermentation gebracht werden, danach getrocknet und verschifft werden. Wenn diese Punkte alle erfüllt sind, dann haben wir die besten Voraussetzungen in unserem Schokowerk köstliche Schokolade daraus herzustellen. Die Röstgrade werden dabei auf den Charakter des Kakaos abgestimmt und dieser kommt besonders bei den dunklen, puren Ursprungsschokoladen mit einem hohen Kakaogehalt sehr gut zur Geltung.   

Sie produzieren Bio-Schokolade: warum?

Weil wir Verantwortung übernehmen für uns, die Umwelt und alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette. Ich möchte keine Lebensmittel essen, die mit Pestiziden und Fungiziden behandelt wurden und ich möchte auch nicht, dass meine Lieferanten diesen Gefahren ausgesetzt sind. Schlussendlich werden daraus Lebensmittel – und Gift kennt keine Grenzen. Langfristig ist der Biolandbau die einzige Lösung für eine intakte Landwirtschaft und Umwelt.

Fairer Handel ist ein großes Thema bei Zotter. Wie stellen Sie sicher, dass die Bohnen-Anbauer einen fairen Preis erhalten?

Wir stellen nicht sicher und wir können auch nichts garantieren. Aber wir befinden uns in anderen Strukturen. Wir bezahlen faire Preise auf einer sehr kurzen Lieferkette. Wir bezahlen neben der Fairtrade-Prämie auch noch eine Bio-Prämie und einen Qualitätsaufschlag für besonders gute Qualität. Damit bewegen wir uns in einem Qualitätsbereich, wo ein relativ hoher Bildungsstandard herrscht und auch Kakaoanbauende einen relativ hohen Lebensstandard haben. Wir verteilen keine Almosen, sondern bezahlen für hohe Qualität, das ist ein Unterschied. Wir können damit nicht eine ganze Branche ändern, aber für unsere Partner ist das ein erfolgreiches Geschäft – und zwar für beide Seiten, auch für uns.

Beim Wein spricht man vom Terroir. Kann man dies auch bei Schokolade?

Auf jeden Fall, jedes Land hat andere Bodenstrukturen und das prägt auch den Geschmack der Kakaobohnen, da gibt es große Unterschiede zwischen Ostafrika und Lateinamerika und anderen Kakaoanbaugebieten.

Von der Bohne bis zur fertigen Tafel: Was sind die Arbeitsschritte?

Die getrockneten Kakaobohnen werden gereinigt, debakterisiert und geröstet. Je nach Ursprungsland und Aromenprofil wird der Röstgrad auf den Kakao individuell abgestimmt. Nicht jede Lieferung oder jedes Ursprungsland durchläuft automatisch den gleichen Prozess, denn die Aromen im Kakao sind sehr empfindlich, sie müssen behutsam behandelt werden.

Danach kommen die gebrochenen Kakaonibs in die erste Mühle und es entsteht flüssige Kakaomasse. Diese wird nun je nach Rezeptur mit Milch, Zucker, Gewürzen vermischt und läuft über die 5-fach-Walze und wird ganz fein vermalen, die verschiedenen Komponenten verbinden sich, es entsteht Walzenpulver. Dieses Walzenpulver kommt nun in die Conche, wo durch permanentes Rühren und Reibungswärme der Fettanteil des Walzenpulvers sich verflüssigt. Die nun folgende Conchierzeit entscheidet über die Intensität der Schokolade. Üblicherweise werden dunkle Schokoladen länger conchiert als helle oder Milch-Schokolade. Früher hat man bis zu 70 Stunden conchiert, weil der Kakao schlecht war, aber dann verliert man viel gutes Aroma. Wir haben bei dunklen Sorten ca. 12 – 20 Stunden, da bleibt ein interessantes Aromenprofil erhalten, was bei erstklassigem Kakao auch sehr gut schmeckt.

Wenn Sie neue Sorten kreieren, wie gehen Sie dabei vor?

Ich habe ein Ideenbuch, da schreibe ich während des Jahres immer wieder spannende Geschmackskombinationen hinein. Wenn ich mit Julia im Mai das neue Sortiment bespreche, dann schaue ich meine Notizen durch und wenn mich die eine oder andere Idee immer noch fasziniert, überlegen wir, wie wir das in eine Rezeptur umsetzen können. Dabei gehen uns die Ideen nie aus. Wir haben meistens viele Ideen und nur wenige schaffen es dann auch ins Sortiment. Aber wir diskutieren auch über bestehende Sorten und wenn wir neue Möglichkeit haben eine bestehende Sorte zu verbessern, fliegen auch Bestseller aus dem Sortiment und müssen für Innovation und Fortschritt Platz machen, unter neuem Namen und veränderter Rezeptur. Auch das ist Fortschritt. Deswegen gibt es bei uns auch den Ideenfriedhof, der in der Zwischenzeit schon recht groß ist

Eine Ihrer neusten Kreationen heißt „Hirn mit Ei“. Dunkle Milchschokoladen wurde mit Eierlikörganache und karamellisierter Schweinehirn verfeinert. Wie kamen Sie auf die Idee?

Dieses Gericht ist eigentlich ein Klassiker in der österreichischen Wirtshausküche. Aber natürlich ist es auch doppeldeutig. Wir erlauben der Kulinarik auch satirisch zu sein, um damit aufzuzeigen was schiefläuft. Wir dürfen uns als Gesellschaft nicht einschüchtern lassen und die Verantwortung nicht abgeben. Wir dürfen die Demokratie nicht gefährden. Es geht um ganz entscheidende Themen, die ich auch gerne mit Kunden und Besuchern diskutiere, weil uns nur der Austausch weiterbringt.

Darf Schokolade aufregen?

Ja, unbedingt, das sehe ich als wichtige Aufgabe der Kunst, speziell der Satire aber auch der Kulinarik.

Julia u. Josef Zotter © Zotter

Sie kreieren zusammen mit Ihrer Tochter Julia die neuen Sorten. Wie darf man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Wir Älteren sind nicht mehr so experimentierfreudig, aber dafür haben wir mehr Erfahrung. Das ergänzt sich sehr gut. Julia möchte noch viel ausprobieren und ich kann das Wissen aus meinen eigenen Fehlschlägen einbringen und so erarbeiten wir uns eine Lösung die funktioniert und setzten neue Rezepturen um, die meisten funktionieren.

Gibt es Kombinationen, an die Sie sich nicht rantrauen?

Nein, eigentlich nicht. Wir haben schon Rezepturen mit Fisch, Blut, Insekten, Speck und jetzt auch Hirn gemacht. Aber was ich nicht machen würde, ist eine Lakritz-Schokolade, weil ich den Geschmack nicht mag.

Welche Kreationen und Sorten sind von Ihnen in Zukunft noch zu erwarten?

Mein Ideenbuch ist gut gefüllt, mal sehen, was in der nächsten Saison davon umgesetzt wird, das entscheiden wir kurzfristig.

Die Fragen stellte Jens Mecklenburg für Nordische Esskultur.

Über Zotter

1992 sind die allerersten handgeschöpften Schokoladen bei Zotter entstanden. Diese Art Schokolade zu machen war völlig neuartig. Auf langen Bahnen, ohne Gussform, wie sonst üblich, haben Josef Zotter und sein Team Schokolade und Füllungen in Handarbeit Schicht für Schicht aufgestrichen, um neue Geschmacksrichtungen zu entwickeln, zu fusionieren oder explodieren zu lassen.

Josef Zotter zählt mit rund 500 Schokoladensorten zu den innovativsten Chocolatiers der Welt. Er ist europaweit einer der wenigen unabhängigen Bean-to-Bar-Produzenten, der ausschließlich in Bio- und Fair-Qualität produziert. Mit dem Schoko-Laden-Theater legte er den Grundstein für eine Erlebniswelt, die mit jährlich rund 290.000 Besuchern zu den beliebtesten Ausflugszielen in der Steiermark zählt und sich zu einem Kompetenzzentrum in Fachkreisen entwickelt hat. Seine Kreationen wurden bei den „Academy of Chocolate Awards“ in London mehrfach von einer internationalen Fachjury ausgezeichnet.

www.zotter.at

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