Jens Mecklenburg

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Blut & Schweiß & Genussmomente

Ein Gespräch über Rum
2. April 2020

Das neue Buch des Kieler Autors Hannes Hansen beschäftigt sich mit Freibeutern, Kaperfahrten, Sklaven, Schatzinseln, traditionellem Handwerk und der Stadt Flensburg. Da es um Rum geht, kommt auch der Aspekt Genuss nicht zu kurz. Ein Gespräch über eine komplexe Spirituose. 

Wie sind Sie auf das Thema Rum gekommen?

Mein Verleger, Herr Grabener, fragte mich 2019, ob ich mir vorstellen könne, ein Buch über Rum zu schreiben. Ich erinnerte mich sofort daran, dass ich ein Jahr zuvor im Flensburger Schifffahrts-Museum die von der jamaikanischen Kulturwissenschaftlerin Dr. Imani Tafari-Ama eingerichtete Ausstellung „Rum, Schweiß und Tränen“ gesehen hatte. In ihr ging es um die enge Verzahnung der Rumproduktion auf den Westindischen Inseln mit dem Sklavenhandel. Letztlich spiegelt sich in der Geschichte des Rums und des damit aufs Engste verbundenen „Atlantischen Dreieckshandels“ die europäische, afrikanische und amerikanische Kolonialgeschichte. Mein Verleger gab mir carte blanche, neben den rein kulinarischen und Produktionsaspekten auch diesem Thema nachzugehen. Es weitet die Perspektive ins Welthistorische.


Was fasziniert Sie am Thema?

Natürlich die unglaubliche Geschmacksvielfalt der Hunderte von Rumsorten, die spannende Geschichte ihrer wechselnden Produktionsbedingungen, dazu wie aus einem Piratengesöff eine Edelspirituose wurde, aber eben auch die erwähnte welthistorische Perspektive.


Der traditionsreichen Rum-Geschichte Flensburg haben Sie ein eigenes Kapitel gewidmet. Warum?

Weil in der Geschichte des Rumhandels die Stadt Flensburg eine einzigartige Rolle spielt. Schließlich kamen einmal siebzig Prozent des in Deutschland getrunkenen Rums aus der einst dänischen Stadt. Sie profitierte von der Sklavenarbeit auf den Zuckerrohrplantagen auf den dänischen Jungferninseln in der Karibik.


„Glorreiche Vergangenheit“ versus Kolonialismus und Sklaverei. Fluch oder Segen?

Wie die gesamte Kolonialgeschichte ist auch die der Rumproduktion und des -handels ein düsteres Kapitel der europäischen Geschichte voller Blut, Schweiß und Tränen.  


Welche Rolle kommt Rum im Norden zu?

Ich kann da eine Anekdote erzählen. Während meines Studiums in Freiburg wohnte ich in einem nahe gelegenen Dorf. Als ich an einem Winterabend in der Dorfkneipe – ich war erkältet – einen Grog bestellte, horchten Wirt und Gäste auf. Ja, davon hätten sie schon mal gehört. Als ich dann auch noch eine dreifache Menge Rum bestellte, ihn mit heißem Wasser aus der Küche (nicht zuviel) mischte und Zucker unterrührte, beobachteten die an solche exotischen Getränke nicht gewohnten Südbadener mich gespannt in der Erwartung, ich würde tot vom Stuhl fallen. Die Moral von der Geschichte? Getränke auf Rumbasis wie Grog, Eiergrog, Pharisäer oder Tote Tante sind ein ausgesprochen norddeutsches Phänomen. Für Cocktails wie Daiquiri, Mojito oder Cuba libre gilt das natürlich nicht. Sie sind international bekannt und weltläufiger.


Sie sind Schriftsteller. Welche Rolle spielt Rum in der Literatur?

Zwei Beispiele. Denken sie an die alte Schnapsnase Billy Bones in Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“, der im Suff das Lied grölt „Fünfzehn Mann auf des toten Manns Truh’ / Jo-ho-ho und ’ne Buddel voll Rum! / sauft und der Teufel sagt Amen dazu / Jo-ho-Ho und ’ne Buddel voll Rum.“

In dem Gedicht „Die Weihnachtsfeier des Seemanns Kuddeldaddeldu“ von Joachim Ringelnatz landet Kuddeldaddeldu nach langer Fahrt („die Springburn hatte festgemacht am Peterskai. Kuddeldaddeldu jumpte an Land“) statt bei seiner Braut in der Hafenkneipe „König von Schweden“. Dem Alkoholgenuss ganz und gar nicht abgeneigt, lässt er es sich gut gehen:

„Und ein Mädchen nannte ihn Trunkenbold / Und schrie: er habe sie an die Beine geneckt. / Aber Daddeldu zahlte alles in englischen Pfund in Gold. / Und das Mädchen steckte ihm Christbaumkonfekt / Still in die Taschen und lächelte hold / Und goß noch Genever zu dem Gilka mit Rum in den Sekt. / Daddeldu dacht an die wartende Braut. / Aber es hatte nicht sein gesollt, / Denn nun sangen sie wieder so schön und so laut.“

Edelspirituosen wie Whisky und Gin sind gerade „schwer angesagt“. Was hat Rum, was andere Brände nicht haben? 

Unbedingt die einzigartige Geschmacksvielfalt und seine Geschichte


Bei welcher Gelegenheit greifen Sie selbst gern zum Rum?

Gelegentlich nach einem guten Essen. Vor allem aber an einem Abend in einer Bar als Cocktail. Mein Lieblingscocktail ist Daiquiri „Papa Doble“. 


Passt Rum auch als Begleiter zum Essen?

Glaube ich nicht.


Haben Sie einen Lieblingsrum?

Nein. Aber es muss „echter“ Rum mit nicht zuviel Süße sein, kein Verschnitt. Und keine Billigmarke.


Haben Sie einen Tipp für Rumeinsteiger?

Ach es gibt so viele Geschmacksvarianten. Da muss man ausprobieren. Vielleicht „Braasch Premium Dark Cane“?

(Das Gespräch führte Jens Mecklenburg für Nordische Esskultur)

 

Das Buch

Hannes Hansen: Rund um Rum. Von der Karibik bis nach Flensburg
Die Geschichte eines Kultgetränks

edition:grabener im Grabener Verlag, Hardcover, 96 Seiten, 18,60 Euro.

 

Zur Buchbesprechung

Vom Piratengesöff zur Edelspirituose

 

Über Hannes Hansen

Geboren in Potsdam, Abitur und Studium der Germanistik und Anglistik in Kiel. Lektor für deutsche Sprache und Literatur in Wales und Dublin. Später Gymnasiallehrer in Deutschland. Der in Kiel lebende Schriftsteller arbeitet als freier Kultur- und Reisejournalist, Autor und Übersetzer für diverse Zeitungen und Rundfunksender. Zuletzt erschien von Hannes Hansen der Roman „Jenes volle satte Gelb“, erschienen in der edition:grabener.