Auf Kurs in ruhiges Fahrwasser 

Familienunternehmer lenken traditionsreiche Lloyd Werft zurück zu den Wurzeln
8. Januar 2023

Ein Beitrag von Wolfgang Heumer 

 
165 Jahre nach ihrer Gründung stand die Lloyd Werft in Bremerhaven vor dem Aus. „Dieser Betrieb ist ein Teil unserer Stadt“, sagte sich Schiffbau-Unternehmer Thorsten Rönner – gemeinsam mit dem Bremer Bauunternehmer und Reeder Kurt Zech kaufte er den Betrieb. Als Teil der Unternehmensgruppe, die Rönner mit seinen Brüdern lenkt, kehrt er zu seinen Ursprüngen als Reparaturbetrieb für Schiffe zurück. 

Thorsten Rönner © Jörg Sarbach

Thorsten Rönner ist kein Freund großer Reden, er sucht auch nicht das Rampenlicht. Zupacken ist dem 46-Jährigen wesentlich vertrauter. Chancen sehen, sie zu nutzen und vor allem, selbst viel für ihre Verwirklichung tun – das hat er von seinem Vater gelernt. Anfang der 1980er Jahre baute Heinrich Rönner mit zunächst fünf Beschäftigen in Bremen eine Stahlbaufirma auf. Gemeinsam mit seinen drei Söhnen formte er daraus in knapp 40 Jahren eine ganze Gruppe von Firmen. „Natürlich haben wir immer noch Stahlbau im Portfolio“, sagt Thorsten Rönner über den Unternehmensverbund: „Aber mit eigenen Ingenieurbüros, einem Logistikbereich sowie einer Reihe von Umbau-, Reparatur- und Neubauwerften sind wir längst viel breiter aufgestellt.“ Jetzt haben er und seine Brüder Heiner und Marcus dieser Entwicklung die Krone aufgesetzt: Gemeinsam mit dem Bremer Unternehmer Kurt Zech haben die Rönners das Bremerhavener Traditionsunternehmen Lloyd Werft gekauft – kurz bevor es geschlossen werden sollte. „Ist doch verrückt, eine Firma mit 300 Beschäftigten, aber keinem einzigen Auftrag in den Büchern zu kaufen. Oder?“, meint Rönner und muss selbst lachen. Natürlich ist das nicht verrückt, sondern wohl überlegtes strategisches Kalkül – und auch ein Stück Lokalpatriotismus. 

Lloyd Werft – ein Begriff in Bremerhaven, aber keine durchgehende Erfolgsgeschichte 

Die Lloyd Werft: In Bremerhaven ist das ein feststehender Begriff. Vor 165 Jahren wurde sie im Kaiserhafen als Reparaturbetrieb der Reederei Norddeutscher Lloyd gegründet. Wechselvolle Jahre und Jahrzehnte folgten. Auf „der Lloyd“ zu arbeiten, galt als Ehre und Karriereziel für Hunderte von Werftarbeitern – „aber wenn man genau hinschaut, gab es keine durchgehende Erfolgsgeschichte“, relativiert Rönner das historische Glanzbild der Werft. Spektakulären Großaufträgen wie der Umbau des legendären Oceanliners „Queen Elizabeth“ folgten harte Zeiten, die im Zusammenbruch des Bremer Vulkan-Verbundes gipfelten. 2016 kaufte der chinesisch-malaysische Freizeitkonzern Genting Hongkong die Werft, doch der aus weiteren Werften in Rostock, Stralsund und Wismar zusammengeschmiedete Konzern brach 2021 zusammen. Die Lloyd Werft sollte liquidiert werden. Rönners und die Zech-Gruppe wurden aktiv. „Es wurde Zeit, dass hier mal Ruhe einkehrt“, sagt Thorsten Rönner. 

„Strategisch sehr gut aufgestellt“ 

Wie es gelingt und dass es gelingt, Ruhe in den immer wieder kriselnden Schiffbau zu bringen, haben die Rönners bereits mehrfach bewiesen. Das Wort Krise mag Thorsten Rönner nicht hören, und noch weniger mag er es aussprechen. Dass der Schiffbau eine schwierige Branche sein kann, in der viele Entwicklungen durch internationale Wettbewerbsverzerrungen geprägt sind, räumt er ein. Jahrzehntelang ist es in Deutschland wie in den meisten anderen europäischen Ländern bergab gegangen. Aber mittlerweile „hat sich der Markt konsolidiert“, ist Rönner überzeugt: „Und wir sind strategisch sehr gut aufgestellt.“ Das ist für ihn das A und O für den Erfolg der Schiffbaubetriebe in der Rönner-Gruppe. 

© Jörg Sarbach

In vielen kleinen Schritten haben die Rönners eineinhalb Dutzend kleinerer Schiffbaubetriebe zunächst zu einem Verbund und dann zu einer unternehmerischen Gruppe zusammengeführt. Allein hatten es die Firmen schwer, sich auf dem Markt zu behaupten. Gemeinsam sind sie nun stark – die Gruppe ist einer der größten auf die Reparatur und den anspruchsvollen Umbau spezialisierten Anbieter an der deutschen Küste. Die Kundinnen und Kunden kommen aus aller Welt, weil sie die Zuverlässigkeit der Betriebe in Bremerhaven und Cuxhaven – und das Können der Belegschaft schätzen. In diesen Verbund wird nun die Lloyd Werft als eigenständiger Reparatur- und Umbaubetrieb eingegliedert. „Schuster, bleib bei deinem Leisten“, ist die Devise von Thorsten Rönner. 250 Arbeitsplätze hat er dadurch schon bei der Lloyd Werft erhalten – auf 300 Arbeitnehmende soll die Stammbelegschaft im Laufe der Zeit wieder wachsen. 

Werftübernahme auch ein Stück praktizierter Lokalpatriotismus 

Die Lloyd Werft kehrt damit wieder zu ihren Wurzeln zurück. Dennoch schließt Thorsten Rönner nicht aus, dass dort eines Tages wieder Neubauten entstehen, mit denen der Betrieb in den vergangenen Jahrzehnten Schlagzeilen machte. Rönner hat Erfahrungen mit Großprojekten: In seinem Verbund entstand vor wenigen Jahren unter anderem mit der „Alexander von Humboldt II“ der erste neugebaute deutsche Großsegler seit der Kiellegung der Gorch Fock vor bald 65 Jahren. Und mit dem Umbau der Inselfähre „Ostfriesland“ schuf die Rönner-Gruppe das erste mit umweltfreundlichem LNG-Antrieb ausgestattete Passagierschiff in Deutschland. Rönner kennt die Risiken, die mit solchen Vorhaben verbunden sind – als Maschinenbauingenieur sind ihm Großprojekte vertraut. Und deshalb ist für ihn die Devise: „Erst kommt die Pflicht“, also die Reparatur, „wenn das gut läuft, können wir an die Kür, den Neubau denken.“ 
So etwas ist nicht einfach daher gesagt – Thorsten Rönner ist ein langfristig denkender Stratege. Auch die Übernahme der Lloyd Werft war keine spontane Idee. Während des Gespräches über die Zukunft des Betriebes holt er ein Papier aus der Vergangenheit aus dem Archiv. In der internen Präsentation hatte er sich bereits 2018 mit der Zukunft der Lloyd Werft auseinandergesetzt – und vorhergesagt, dass Genting binnen drei bis vier Jahren sein Engagement in Bremerhaven aufgeben werde. Fast auf den Tag genau ist es so gekommen: „Damals haben wir bereits damit begonnen, uns auf diesen Tag X, die Übernahme der Werft und die Sicherung der Arbeitsplätze vorzubereiten.“ Auf die Frage nach den Beweggründen kommt dann doch noch eine andere Seite des klar strategisch denkenden Unternehmers zum Vorschein: „Es geht uns auch darum, dieses Bremerhavener Unternehmen am und für den Standort zu erhalten.“ Dass diese Form des praktizierten Lokalpatriotismus eine Menge Aufwand und Risiko für ihn bedeutet, weist Thorsten Rönner mit einer schnellen Handbewegung zurück: „Mir macht es einfach Spaß zu arbeiten.“ 

Thorsten Rönner © Jörg Sarbach