Die friedliche Grenzziehung zwischen Deutschland und Dänemark durch eine Volksbefragung im Jahr 1920 jährt sich bald zum 100. Mal. Die engen nachbarschaftlichen Beziehungen feiern die beiden Länder daher 2020 mit einem Deutsch-Dänischen Kulturellen Freundschaftsjahr. Ausgehend von den tiefen politischen, historischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen soll das Freundschaftsjahr das nachbarschaftliche Band noch enger knüpfen. Das Deutsch-Dänische Kulturelle Freundschaftsjahr umfasst 12 Leuchtturmprojekte mit mehr als 100 Ausstellungen, Konzerten, Theatervorstellungen, Debatten und Projekten zu Kulturaustausch und –tourismus. Startschuss des Freundschaftsjahres war die Eröffnung einer großen Deutschlandausstellung im Kopenhagener Nationalmuseum am 8. November (bis 01. März 2020). Verantwortlich für das Projekt Deutsch-Dänisches Kulturelles Freundschaftsjahr zeichnen die Botschaften der beiden Länder, das Goethe-Institut sowie die dänische Kulturbehörde.
Disziplin. Fortschritt. Macht.
„Disziplin. Fortschritt. Macht“ steht auf einem riesigen Schild am dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen. Darüber hängen ein Foto vom Mauerfall und eine quadratische Form, die unweigerlich an das Logo einer bekannten deutschen Schokoladenmarke erinnert. Der Schriftzug „Tyskland“ prangt in dem Quadrat – das dänische Wort für Deutschland. Das ist also das Bild, das die Dänen von ihrem südlichen Nachbarn zu haben scheinen: Deutschland, der große, disziplinierte Bruder im Süden mit der Vorliebe für Schokolade und der besonderen Geschichte.
Chance zum Austausch
Den Startschuss für das Freundschaftsjahr gaben die beiden Außenminister Heiko Maas und Jeppe Kofod am Freitag in Kopenhagen. Zuvor weihte Dänemarks Königin Margrethe II. die große Tyskland-Ausstellung ein.
Über ein Jahr lang sollen sich die beiden Nachbarn nun weiter näherkommen. Für beide ist das eine Chance zum Austausch – auch über Konzerte, gemeinsame Kunstprojekte und Museumsausstellungen hinaus. Während des Freundschaftsjahres soll nämlich auch gefeiert werden, dass man in einer politisch nicht immer einfachen Zeit einen verlässlichen Partner in der unmittelbaren Nachbarschaft hat. „Die deutsch-dänischen Beziehungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten hervorragend entwickelt und sind heute so gut, eng und vertrauensvoll wie noch nie“, sagt der neue deutsche Botschafter in Dänemark, Detlev Rünger. Deutsche und Dänen seien gute Nachbarn, enge Handelspartner und in vielen internationalen Fragen wie etwa beim Klima auf einer Wellenlänge. Ähnlich sieht es die aus Hamburg stammende Leiterin des Goethe-Instituts in Kopenhagen, Bettina Senff. Sie sagt: „Aus norddeutscher Sicht ist Dänemark ein Land, das traditionell sehr positiv gesehen wird. Dänemark war immer so ein Lichtblick für uns, etwa in Sachen Toleranz und Freiheit.“
Besonders in der Grenzregion freut man sich auf das Jahr, dort jährt sich 2020 die Grenzziehung zwischen Deutschland und Dänemark zum 100. Mal. So entstand einst im nördlichen Schleswig-Holstein die dänische Minderheit, der heute etwa 50 000 Menschen zugerechnet werden. Zur deutschen Minderheit nördlich der Grenze zählen etwa 15 000 Menschen.
Tausende Menschen pendeln zum Arbeiten über deutsch-dänische Grenze. In ganz Dänemark leben derzeit rund 34 000 Deutsche und ihre Nachkommen. Manche kamen der Liebe wegen, andere wegen des Jobs. Das Zusammenleben klappt – trotz vereinzelter Ärgernisse – gut. Tausende Menschen pendeln heute täglich in beide Richtungen über die Grenze zu ihren Arbeitsplätzen. Auf deutscher Seite gibt es dänische Kindergärten, Schulen, Bibliotheken und Altenheime und umgekehrt Einrichtungen der deutschen Minderheit in Dänemark.
Dänemark ist mehr als Urlaubs- und Strandland
Für die Dänen geht es dabei auch darum, sich über die Grenzregion und den Rest von Norddeutschland hinaus einen Namen zu machen. „Wir hoffen, dass wir einen größeren Teil von Deutschland erreichen können“, sagt der dänische Botschafter in Berlin, Friis Arne Petersen. Sein Land wolle die ganze Bandbreite der dänischen Kultur zeigen, darunter auch viele Angebote für die jüngere Generation. Dänemark sei viel mehr als bloß ein Urlaubs- und Strandland.
Streitpunkt Wildschweinzaun
Ein aktueller Streitpunkt ist die Debatte um den Wildschweinzaun, mit dem sich Dänemark vor der Afrikanischen Schweinepest schützen will. Dafür wird seit Monaten ein Zaun an der Grenze hochgezogen. Viele Menschen in der Grenzregion verstehen den Zaun weniger als Schutzzaun vor der Schweinepest, sondern als Symbol der Abschottung. Der Zaun sei sehr unglücklich, sagt auch Senff. „In einem Jahr, in dem wir deutsch-dänische Freundschaft feiern, in dem wir 30 Jahre Mauerfall feiern, da weckt das einfach ungute Assoziationen.“ Wie die Grenzkontrollen auch sei das für überzeugte Europäer ein Rückschritt.
Doch alles in allem läuft es blendend zwischen Deutschen und Dänen. Sinnbildhaft für diese Beziehung könnte ein Kunstprojekt herhalten, das 2020 sowohl in Aarhus als auch in Hamburg zu sehen sein wird. Sein Titel: „Always Together – Mostly Happy“ (Immer zusammen – meistens glücklich). Oder wie Dänemarks Botschafter Petersen über die Beziehungen sagt: „Diese Jahre sind die erfolgreichsten.“
Kulturelle Highlights
Kommende größere Veranstaltungen im Rahmen des Freundschaftsjahres 2020 sind unter anderem das VinterJazz-Festival „Kraut Remixed“ in mehreren dänischen Städten (6.-29.2.2020), eine Ausstellung der Schmucksammlung des staatlich-dänischen Kunstfonds in München (10.3.-14.6.2020), die Ausstellung „Always together – mostly happy“ in Hamburg und Aarhus mit Werken junger dänischer und deutscher Künstler (1.5.-30.9.2020), das Reeperbahn-Festival in Hamburg, das 2020 ganz im Zeichen dänischer Bands stehen wird (16.-19.9.2020), und eine große Wechsel-Ausstellung zum 250. Geburtstag des berühmtesten dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen, dessen Werke in Kopenhagen (ab 8.3.2020) und München (ab 19.11.2020) zu sehen sein werden.
Dänemarks eigene Wiedervereinigungsgeschichte
Ein ganz besonderes Datum für die deutsch-dänische Geschichte ist das Jahr 2020 für die Grenzregion zwischen Nord-Ostsee-Kanal und Kolding Å: 65 Jahre nach dem deutsch-dänischen Krieg 1864 wurde das von Deutschland annektierte Nordschleswig 1920 wieder ein Teil Dänemarks. „Genforeningen“, die Wiedervereinigung, ist für das nationale Empfinden in Dänemark ein ebenso einschneidendes Erlebnis wie der Mauerfall für Deutschlands Geschichte. Der heutige Grenzverlauf geht allerdings auf eine Volksbefragung zurück, deren Votum die Rückkehr Nordschleswigs an Dänemark und den Verbleib Flensburgs und Südschleswigs unter deutscher Hoheit festlegte. Auf die deutsch-dänische Freundschaft!