Jens Mecklenburg

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Anselm Kiefer zu Gast im Nolde Museum Seebüll

Ein unverstellter Blick auf Emil Nolde
13. Mai 2025
›Orage de roses‹, Aquarell auf Papier, 2013, © Anselm Kiefer

Das Nolde Museum Seebüll präsentiert die erste Aquarell-Ausstellung von Anselm Kiefer in Deutschland. Vom 7. Mai bis 31. August 2025 sind 21 ausgewählte Werke des international renommierten Künstlers im Nolde Museum Seebüll zu sehen. Die Ausstellung markiert einen bedeutenden Moment in der fast 70-jährigen Geschichte der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde – erstmals seit dem Tod Emil Noldes im Jahr 1956 ist ein zeitgenössischer Künstler zu Gast in Seebüll. Die Begegnung zwischen Anselm Kiefer und Emil Nolde erfolgt im Medium des Aquarells – einer Technik, die beide Künstler auf herausragende Weise prägen. Während Nolde mit seinen leuchtenden Farbwelten als Meister des Aquarells gilt, verhandelt Kiefer im Aquarell tiefgreifende historische und philosophische Fragen. Seine Werke reflektieren Themen wie Identität, Mythos und Vergänglichkeit, die er in einer beeindruckenden Bildsprache verdichtet. Kiefer stellt sich mit seiner Kunst der Vergangenheit und gibt Antworten auf die ethischen Fragen der Gegenwart.

Anhänger des Nationalsozialismus

Der unverstellte Blick auf Emil Nolde zeigt eine komplexe Persönlichkeit. Er war überzeugter Anhänger der Nationalsozialisten und zugleich Opfer der nationalsozialistischen Kunstpolitik. Seine Werke wurden 1937 in der Propaganda Ausstellung ›Entartete Kunst‹ diffamiert, doch er hoffte weiterhin auf Anerkennung durch das NS-Regime. Nach dem Zweiten Weltkrieg glättete er diese Widersprüche in seinem Lebenslauf. Die Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde übernahm diese Sicht. Heute zeigt das Nolde Museum Seebüll das ganze Bild: die leuchtende Kraft seiner Kunst ebenso wie die vielschichtige Biografie. Nolde und mit ihm seine Stiftung sind Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte – einer Geschichte, die lange geprägt war von Verdrängung und Beschönigung. Sein Werk und seine Rezeption sind ein bedeutender Teil der deutschen Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts.

›Dem unbekannten Maler‹, Aquarell auf Papier, 1982, © Anselm Kiefer

Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

Anselm Kiefer hingegen widmet sich konsequent der Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit. Er thematisiert unbeirrt Fragen von Identität, Nation und der Erinnerung an Krieg und Holocaust. Seine Werke sind monumental und tiefgründig, sie stellen sich der Geschichte gegen das Vergessen. »Anselm Kiefer verweigert uns Deutschen seit fünf Jahrzehnten die Möglichkeit, unserer Geschichte zu entkommen«, so Florian Illies in seiner Laudatio zur Verleihung des Deutschen Nationalpreises 2023. Weiter führt er aus: »Seine Werke halten uns vor Augen, dass es keinesfalls ausgemacht ist, dass wir uns aus der Vergangenheit auf die Zukunft zubewegen.« Diese schonungslose Reflexion macht Kiefers Kunst so eindringlich – und verleiht ihr gerade in Seebüll eine besondere Bedeutung. Emil Nolde selbst hat Werke von ihm geschätzter Künstler gesammelt. Da seine Sammlung im Krieg in der Berliner Wohnung verbrannte, ist sie weitgehend unbekannt.

Kunst im Dialog

Mit der Ausstellung ›Anselm Kiefer – Wasserfarben‹ wird diese Tradition in Seebüll fortgesetzt – als künstlerischer Dialog zweier Epochen. In einem intensiven Auswahlprozess hat Anselm Kiefer für diese einzigartige Begegnung Werke aus verschiedenen Schaffensperioden zusammengestellt. Die Ausstellung eröffnet eine neue Perspektive auf die Aquarellmalerei und ermöglicht einen spannenden Austausch zwischen Expressionismus und Moderne. ›Anselm Kiefer – Wasserfarben‹ ist ein künstlerischer Brückenschlag über ein Jahrhundert hinweg. »Mit Anselm Kiefer zeigen wir einen Künstler in Seebüll, dessen Arbeiten weltweit Maßstäbe setzen«, so Christian Ring, Direktor des Nolde Museums. »Seine Aquarelle sind mehr als Kunstwerke – sie öffnen ein Fenster in tiefere Dimensionen des Seins.«

›So die bluomen uz dem grase dringent‹, Aquarell, Acryl, Kohle auf Papier, 2015, © Anselm Kiefer

Mit ›Anselm Kiefer – Wasserfarben‹ lädt das Nolde Museum Seebüll dazu ein, die Werke Anselm Kiefers und Emil Noldes in einem einzigartigen Kontext neu zu sehen.

Ausstellung ANSELM KIEFER – WASSERFARBEN

Bis 31. August 2025

EMIL NOLDE – „MALERMENSCH“ IN BERLIN

Bis 31. Oktober 2025

Öffnungszeiten

Täglich geöffnet (auch an Feiertagen) von 10 bis 18 Uhr

NOLDE MUSEUM SEEBÜLL Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde

Seebüll 31, 25927 Neukirchen

Tel. +49 (0) 4664-98 39 30 www.nolde-museum.de

›SOLARIS‹, Aquarell auf Papier, 2013, © Anselm Kiefer