Barbara Maier

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50 Jahre Club 68 in Kiel

Nördlichster Kult-Club Deutschlands
19. November 2019

Erstveröffentlicht am 27. Juni 2019

Als Autorin nimmt man auf den Chefredakteur Rücksicht. Das Wort „Kult“ dürfen wir in diesem Magazin nur sparsam verwenden. Der Begriff ist in seinen Augen meist reines Marketinggetue. Beim Kieler Club 68 bestand er aber auf die Verwendung des Begriffs, ist er doch tatsächlich gelebte Geschichte und sympathisch-kultig aus der Zeit gefallen.

© Barbara Maier

Seit fast 51 Jahren gibt es ihn: den Club 68 in Kiel. Genauso lange wird er vom Inhaber Holger Henze geführt und bekocht. Gern aus regionalen Produkten der Saison zubereitet, wird hier in der Kneipe aufgetischt. Man sitzt auf rustikalen Holzstühlen, in mit Original Mercedes Sitzen bestückten Nischen oder an der Bar. Weit über die Stadtgrenzen bekannt wurde „Holgi“, wie ihn hier alle nennen, durch seine Zusammenarbeit mit dem Comiczeichner „Brösel“, der eigentlich Rötger Feldmann heißt, die gemeinsam die „Werner-Comics“ zum Leben erweckten. Für manchen Zeitgenossen ist „Brösel“ auch „Kult“. Wie auch immer: Im Club 68 ist die Zeit stehen geblieben


So sahen die 70er Jahre aus

Beim Eintreten werden wir von Rockmusik aus den 70ern, viel rustikalem Holz und noch mehr Bildern an den Wänden empfangen. Eine freundliche Bedienung begrüßt uns und da es noch früh am Abend ist, haben wir freie Platzwahl. Wir schauen uns um: Ja, genauso sahen die 70er und 80er Jahre aus – gemütlich und urig. Es gibt hier sogar einen durch Glas abgetrennten Raucherraum. Die Kneipe erstreckt sich über zweieinhalb Etagen – je voller es wird, desto mehr werden auch die Oberen genutzt. Ganz oben in der dritten Etage befindet sich eine Galerie, in der regelmäßig Ausstellungen von jungen wie alten Nachwuchskünstlern zu sehen sind.

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Ein Mann mit komplexen Leidenschaften  

Holger Henzes Vita ist komplex und ganz bestimmt nicht langweilig. Als Kieler Jung hat er schon in der Kindheit seine Leidenschaft für das Kochen und die Kunst entdeckt. Das Kochen lernte er von seiner Großmutter. Die Kunst an sich und die Leidenschaft für Malerei zogen ihn nach Berlin. Vor seinem Kunststudium sollte er jedoch bitte etwas Solides lernen. Also machte er vorher noch schnell eine Lehre als Stahlbauer. Danach hielt ihn erst einmal nichts mehr in Kiel. In den Jahren seines Studentenlebens hielt er sich mit Straßenmalerei, als Garderobist und als Kellner in Restaurants über Wasser.

Mitte der Sechziger kehrte er in seine Heimat zurück und gründete 1967 mit ein paar Studenten der Muthesius-Werkschule in einem um 1870 erbautem Gebäude in der Ringstraße das „Informationszentrum junger Künstler“. Ziel war es, jungen Künstlern eine Ausstellungs- und Galeriefläche zu bieten. Da es schwer war den Galeriebetrieb zu finanzieren, übernahm Holger Henze 1969 den Club und baute das Innere des Gebäudes so um, dass unten eine gemütlich-urige Gaststätte entstand. Diese sollte von nun an die Kosten für das Künstlerzentrum decken. Also unten „Kneipe“, oben Galerie und Arbeitsräume für die Künstler. Das Konzept ging auf. Heute arbeiten hier keine Künstler mehr, dafür stellen sie hier immer noch aus oder trinken ihr Feierabendbier.

„Holgi“ hat sich auch als Filmemacher probiert („Der vierte Gesang“) und war als Schauspieler tätig.Heute lebt Holger Henze mit seiner Frau in einem abseits gelegenem niederdeutschen Fachhallenhaus, das er seit vielen Jahren, wenn er denn Zeit findet, mit großer Hingabe restauriert.


Werner, Bölkstoff und PS

Anfang der Achtziger lernte Holger Henze an seinem Tresen den zu der Zeit arbeitslosen Comiczeichner Rötger Feldmann (Brösel) kennen. Henze war begeistert von dessen Zeichnungen und es entstand die Idee eines gemeinsamen Comics. Gedacht getan. Feldmann zeichnete und Henze gab den Figuren ihren Text. Mit durchschlagendem Erfolg. Das Frankfurter Satire Magazin „Pardon“ ließ sich von Holger Henze nicht lange bitten und veröffentlichte die Geschichten. Es dauerte nicht lange, da entstand auch schon der erste „Werner“ Film „Werner – Beinhart!“  Inzwischen sind es fünf Filme geworden. Auch das passende Bierlabel wurde kreiert und gebraut. Unter der Marke „Bölkstoff“ produzierte die Gilde-Brauerei aus Hannover ab 1991 ein helles, untergäriges Pilsener. Seit dem Jahr 2001 hat die Flensburger Brauerei die Produktion übernommen.

Und nebenbei schwelt der ewig andauernde Wettkampf zwischen Holgi und Brösel: Wer ist schneller!? Holgi in seinem roten 1967er Porsche 911 oder Brösel auf seinem mit vier Horexmotoren getunten pinkfarbenen Motorrad „Red Porsche Killer“. Die Rennen auf einem Provinzflugplatz gingen in die norddeutsche Heimatgeschichte ein. Bis zu 200.000 Besucher kamen, um Bands zu lauschen, viel Bier zu trinken und das kurze Rennen zu beobachten. Im letzten Jahr kam es zu einem beachtlichen Revival in Hartenholm. Es war wohl das letzte Rennen zwischen Holgi und Brösel. Holgi meint, diesmal hätte er seinen alten Kumpel Brösel gewinnen lassen. Man muss auch Gönnen können.

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Kochen und organisieren

Mit den Jahren ist Henze immer weniger Zeit für seine eigene Malerei geblieben, denn der Clubbetrieb erfordert Zeit und Engagement. Es geht beim fast täglichen Einkauf auf dem Großmarkt um frisches und regionales Gemüse zu bekommen los und dem Schlachter seines Vertrauens, bei dem er das Fleisch von Weiderindern und freilaufenden Schweinen erwirbt, weiter. Holger Henze achtet auf Qualität, denn er möchte seinen Gästen nichts vorsetzen, was er selbst nicht auch gerne isst. Gesunde Ernährung, so sagt er, ist die Voraussetzung für eine gute Gesundheit.

Nachmittags geht es dann ab in die Küche um die obligatorische Gulaschsuppe zu kochen, Pellkartoffeln und Soßen zuzubereiten, sowie die Zutaten für das täglich wechselnde Tagesgericht in Angriff zu nehmen.

Heute gibt es frischen Spargel mit Katenschinken und zerlassener Butter. Außerdem steht die Holsteiner Kartoffelsuppe mit Kochwürstchen auf dem Programm. Beikoch Cristopher steht ihm zur Seite. Im Angebot sind noch die  klassischen Kneipengerichte der 70er und 80er Jahre wie Spinataufläufe, Rosé Champignons mit Rahmsoße, verschiedene La Flute, Bratkartoffeln, Bauernfrühstück (mit Bio Eiern), Steaks, Schnitzel aber auch Zitronenhuhn und Salate. Wie man hört, soll alles anständig schmecken. Keine große Kochkunst aber von guter bis bester Kneipenqualität.

Die Getränkekarte offeriert, was man von einer besseren Kneipe erwarten darf: von Fassbier bis Schnaps ist alles dabei. Auch einen anständigen Wein bekommt man im Club. Zwei Kellner/Innen sorgen für den freundlichen und guten Service. Eine von ihnen ist Heike; sie ist seit dreißig Jahren dabei. Mit dem Chef sind nicht nur zahlreiche Gäste mitgealtert. Das Arbeitsklima, so sagt sie, ist einfach freundlich, entspannt und familiär. Man schätzt und achtet sich gegenseitig.


Live-Musik

Zwei bis dreimal im Monat wird hier Live-Musik geboten. Jeweils von ca. 19.30 bis 22.00 geben Solisten oder Bands ihr Bestes. Der Eintritt ist frei – am Ende des Abends geht der Hut rum. An nicht Live-Abenden klingt Rockmusik, klar, aus den 60er bis 80er Jahren, aus den Boxen. Was anderes würde zum Club 68 auch nicht passen.

Wenn Holger Henze in der Küche mal eine Pause machen kann, mischt er sich gerne unter die Gäste und pflegt soziale Kontakte. Er ist ein geselliger Mensch und hat Interesse an anderen. Henze sagt, „Ich möchte, dass meine Gäste sich wohlfühlen und dass es ihnen schmeckt“. Geschmeckt hat es uns auf jeden Fall. Die Gulaschsuppe war wirklich gut und das Spargelgericht hätte man in einem guten Mittelklasserestaurant oder Landgasthof auch nicht besser bekommen. Nur, dass die Preise hier deutlich volkstümlicher sind. Es gibt nicht viele Kneipen, wo das Essen was taugt. Auch in dieser Hinsicht ist der Club vorbildlich. Die überwiegend entspannten Gäste, die man hier antrifft, liegen vom Alter her zwischen 18 und 80. Viele von ihnen kommen seit Jahren oder Jahrzehnten hierher. Es gibt wohl nur wenige Kneipen, wo sich jung und alt so harmonisch mischen. Holgi und sein Club 68 machen es möglich. Einfach Kult!

© Barbara Maier

Galerie Club 68

Ringstraße 68
24103 Kiel

Telefon: 0431 61739

www.club68.de

 

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