Barbara Maier

Autorin

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101 Jahre Fischgeschäft Künnemann & Sohn

Fischhändler mit Showeinlagen
12. Oktober 2021

Im Oktober 2020 feierte das Kieler Fischgeschäft Künnemann sein 100-jähriges Jubiläum. Der kleine Betrieb ist das älteste Fischgeschäft in Kiel, seit Anbeginn fest in Familienhand und eine Art Kulturgut der Landeshauptstadt. 

Das 1920 von Wiebke und Willi Künnemann gegründete Fischgeschäft in der Wilhelmshavener Straße wurde 1955 von Sohn Hans und seiner Frau Martha übernommen und der Standort gleichzeitig in die Gneisenaustraße verlegt, wo man es heute noch vorfindet. Nach dem Tod der Eltern übernahmen die drei Geschwister, Birgit Müller, Uwe und Hans-Jürgen Künnemann das Geschäft. Mittlereile führen sie es auch schon seit über 20 Jahren.

© Künnemann

Drei Familien unter einem Dach

Die Geschwister sind von Kindesbeinen an mit und in dem Geschäft aufgewachsen. Den Fisch an sich quasi schon mit der Muttermilch aufgenommen, war wohl irgendwann allen dreien klar, dass sie die Arbeit ihrer Eltern fortführen würden. Da der Vater damals keine Ausbildungs-genehmigung besaß, machten sie nach der Schule erst einmal eine Kaufmännische Lehre, um danach in das elterliche Geschäft mit einzusteigen. Auch das ist inzwischen gute 40 Jahre her.

Die drei Familien leben zusammen direkt über dem Ladengeschäft in dem Mehrfamilienhaus ihrer Eltern. Man darf es sich aber nicht als WG vorstellen – jede Familie hat dort ihre eigene Wohnung. 


Hauptsache frisch

Woran erkennt man eigentlich einen frischen Fisch? Natürlich an den klaren, blanken Augen. Und die haben sie hier alle. Egal ob Seelachs, Gewässer Lachs, Kabeljau, Rotbarsch, Wels, Zander, Scholle oder schwarzer Heilbutt. Mit allen dreien kann man stundenlang über Fisch philosophieren.

Ihre Eltern sind noch jeden Morgen in aller Herrgottsfrüh auf den Kieler Seefischmarkt gefahren, um dort die besten Fische für ihr Geschäft auszusuchen. Das bedeutete aber auch, dass ein Arbeitstag gerne um die sechzehn Stunden hatte.

Ganz so lang ist der Tag von Birgit, Uwe, und Hans-Jürgen nicht mehr. Mittlerweile bekommen die Drei ihre Ware jeden Morgen fangfrisch und in ausgesuchter Qualität vom Großhandel geliefert.

© Künnemann

Nachfrage im Wandel

Sechzig bis siebzig Prozent ihrer Kundschaft sind Stammkunden. Die älteren von ihnen kaufen gerne mal einen ganzen Fisch um ihn selber zuzubereiten. Bei den etwas jüngeren Kunden geht der Trend zum Filet. Am liebsten von der Forelle oder von der Makrele. Auch Stremel Lachs ist in dieser Altersgruppe oft gefragt. Die ganz junge Kundschaft kauft meistens nur noch Lachsfilet. 

Der traditionelle Karpfen wird inzwischen nur noch von älteren Menschen gekauft. Karpfen blau zu Weihnachten oder Sylvester scheint eine aussterbende Tradition im Norden zu sein. 

Ab und zu erleben die Künnemanns auch skurrile Situationen in ihrem Laden. So erzählt Birgit Müller lachend, „Ich hatte einmal eine Kundin, die ein Stück Fisch ohne Haut und Gräten wollte. Er sollte nicht fischig schmecken und beim Braten auch nicht nach Fisch riechen. Ich sagte ihr, dass sie da wohl im falschen Geschäft sei.“


Ausflüge ins Showgeschäft

Eigentlich ist Familie Künnemann ganz bodenständig, doch gelegentlich gönnen sie sich einen Ausflug ins Showgeschäft. 2002 waren sie als regionales Unternehmen zu einer Show-Sendung in die Ostseehalle eingeladen. Verleger Hubert Burda beglich seine verlorene Wette in der Sendung in Form einer Werbeanzeige im Wert von 40.000 Euro. Die Anzeige im Magazin Focus galt dem Kieler Fischgeschäft. Für ein paar Tage stand Familie Künnemann und ihr Fischgeschäft im Rampenlicht der Republik. In aller Munde war das Geschäft auch, als die Punk-Band Toten Hosen ein Konzert vor dem Laden spielten, da Hans-Jürgen an die Band im Rahmen eines Kieler Konzerts einen originellen Brief geschrieben hatte.  „Ich habe geschrieben, dass sie etwas gutzumachen hätten, da die Kondome von einem ihrer Konzerte in den 80ern Jahren nicht funktioniert haben“, grinst der zweifache Vater. 

© Künnemann

Kein Dorsch mehr

Selber Räuchern die Künnemann-Müllers nicht, da das Geschäft von Wohnhäusern umgeben ist und sie es sich nicht mit der guten Nachbarschaft verderben möchten. So bekommen sie ihre Räucherwaren direkt aus Eckernförde von einem Traditionsbetrieb.

Aus Rücksichtnahme auf die stetig sinkenden Bestände vom Dorsch ist dieser aus dem Sortiment genommen worden. Auch Schillerlocken sucht man hier vergebens. Birgit Müller erzählt, dass der Dornhai hauptsächlich wegen seiner Bauchlappen gefangen wird, die sich dann durch das Räuchern so hübsch zu „Locken“ drehen. Der „Rest“ des Fisches jedoch zu Fischmehl verarbeitet würde. Das möchte sie auf keinen Fall unterstützen.


Es geht weiter

Ans Aufhören denkt zurzeit noch keiner von ihnen, macht die Arbeit doch allen dreien nach wie vor Freude. Birgit Müller ist mit ihren 60 Jahren die Jüngste. Sie sagt, „Ich liebe den Umgang mit den Kunden, sie zu beraten und ihnen gute Produkte anzubieten. Meinen Brüdern geht es ähnlich. Sie sind überwiegend damit beschäftigt verschiedenste Fischsalate  herzustellen. Der eine Bruder oben in der Ladenküche, der andere unten in der Küche im Keller.“ „So stehen sie sich nicht auf den Füßen“, schmunzelt die Schwester. „Beide haben nach wie vor immer neue Ideen, die sie dann gleich ausprobieren und herumexperimentieren, bis die neue Salatkreation so gelungen ist, wie sie es sich vorgestellt haben.“

Die Sorten sind vielfältig und abwechslungsreich. Vom klassischen Krabben- oder Räucherlachsalat, Hanseaten-Cocktail mit Matjes und Apfel, über Flusskrebs-Honig-Senf-Salat bis hin zum Dänischen Salat mit Hering sind 98 Prozent der Salate und Marinaden selber hergestellt. Einige noch nach Omas Rezepten. Birgit Müllers 31-jährige Tochter Lisa arbeitet mit zwei weiteren Teilzeitkräften auch im Geschäft mit. So steht die nächste Generation bereit. Das Kult-Fischgeschäft bleibt den Kielerinnen und Kielern noch lange erhalten. 

Birgit und Hans-Jürgen © Künnemann

Künnemann W. & Sohn

Gneisenaustraße 20

24105 Kiel

Tel. 0431/83682

facebook.com/kuennemannkiel

 

Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 8.30 bis 18.00, Sa. 8.30 bis 13.00 Uhr