Bettina Seitz und Thomas Hildebrandt betreiben gemeinsam ein Hotel, eine Kochschule und einen Catering-Service in Neumünster. Im November mussten sie wegen des zweiten Corona-Lockdowns alle geplanten Veranstaltungen, Kochkurse und Dinner-Events absagen. Auch der Hotelbetrieb läuft seitdem nur noch auf Sparflamme.
Aus der Not geboren, bietet das Ehepaar seitdem auf ihrem Parkplatz Candle-Light-Dinner in Wohnmobilen an. Man muss reservieren, die Wohnmobile stehen dort Schlange.
Köchin Bettina Seitz las in der Zeitung, dass im Corona-Jahr 2020 der Absatz von Wohnmobilen enorm angestiegen sei. Zwischen 2015 und 2020 wuchs der Bestand an Wohnmobilen in Deutschland von gut 390.000 auf knapp 590.000. Allein im Mai nach dem ersten Lockdown stieg der Absatz um 29 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Da vor dem Hotel ein großer Parkplatz liegt der zurzeit ungenutzt ist, kam ihr die Idee für die Candle-Light-Dinner im Wohnmobil.
„Wenn die Gäste nicht zu uns reinkommen dürfen, können wir die Gäste doch vor unserer Tür in ihren mobilen zuhause verwöhnen,“ so Seitz.
Menüs „to go“ kamen für sie von vorne herein nicht in Frage. Essen in Plastik, welches dann obendrein noch kalt ist, wenn man zuhause ankommt, das wollte sie auf keinen Fall.
Sie druckte einen Flyer und stellte ein Foto davon auf ihr WhatsApp-Profil. Von da an war es quasi ein Selbstgänger, denn die Verbreitung über Social-Media funktionierte hervorragend.
Am zweiten November-Wochenende 2020 starteten Bettina Seitz und Thomas Hildebrandt dann durch. Vor ihrem Hotel ist Platz für gleichzeitig 14 bis 18 Wohnmobile, je nach Größe der Fahrzeuge. Jeder dieser Plätze wurde mit einem Stromanschluss ausgestattet und die Umgebung mit stimmungsvollem Licht illuminiert. Nach einer kurzen Anlaufphase mit vereinzelten Anfragen gibt es mittlerweile eine Warteliste. Seitdem bieten die Beiden vier bis fünfmal pro Woche ein 4-gängiges Themenmenü an. Dieses umfasst eine Vorspeise, den zweiten und dritten Gang, sowie ein Dessert. Bei der Buchung werden Hinweise von Vegetariern oder Allergikern natürlich berücksichtigt. Während des Lockdowns durften nur Gäste aus Schleswig-Holstein und Hamburg angenommen werden.
Eine Speisekarte oder verschiedene Gerichte zur Auswahl gibt es aus logistischen Gründen nicht. Seitz und ihr Ehemann Thomas Hildebrand legen gemeinsam die Themen für mehrere Wochen im Voraus fest. So können sich die Gäste über das Internet aussuchen, zu welchem Thema sie gerne buchen möchten. Menüs wie „Rund ums Rind“, „Schleswig-Holstein Original“, „Mediterrane Küche“, oder auch „Fisch und Meer“ stehen im Angebot.
Die Prozedere
Wenn die mobilen Gäste um 18.30 eingetroffen sind und von Thomas Hildebrandt ihren Parkplatz zugewiesen bekommen haben, erhalten sie zunächst einmal eine Box mit einer Flasche Aperitif, Mineralwasser, der weißen gestärkten Tischwäsche aus Leinen, Porzellantellern, geschliffenen Gläsern und polierten Besteck an die Wohnmobiltür. Auch die Tischdekoration wie Kerzen und kleine Vasen mit Blumen wird mit geliefert. So kommt auch das festliche Ambiente nicht zu kurz, denn so Seitz, „Viele unserer Gäste fahren nicht „nur“ zum Essen hierher, sondern oft auch aus einem festlichen Anlass heraus. Es werden Beispielsweise Geburts- und Hochzeitstage, oder auch bestandene Prüfungen bei uns gefeiert. Allerdings müssen wir darauf achten, dass die gerade von der Politik vorgeschriebene Personenanzahl bei Zusammenkünften eingehalten werden.“ Eindecken müssen die Wohnmobilisten allerdings selbst, denn die Wohnmobile dürfen von den Betreibern und dem Servicepersonal nicht betreten werden.
Um 19.00 wird dann mit dem Servieren der Vorspeise begonnen. Jedes Speise und jedes Gericht kommen von Bettina Seitz frisch gekocht auf vorgewärmten Platten und in Styroporboxen zur Wärmeerhaltung an die Tür der erwartungsfrohen Gäste. Die zum Menü passenden Getränke wie Rot- oder Weißwein, Prosecco oder nach Wunsch auch Bier, werden in geschlossenen Flaschen ans Wohnmobil mitgeliefert und sind im Preis von 89 Euro pro Person inbegriffen.
In der Box des Hauptganges liegt dann unten ein kleiner Bestellzettel, auf dem angekreuzt werden kann, ob man zu seinem Dessert lieber Kaffee, Espresso oder Cappuccino trinken möchte.
Insgesamt sind acht feste Mitarbeiter für die Kochschule, das Hotel und das Catering angestellt. Diese kämpfen nun mit ihren beiden Chefs durch das Betreiben der Wohnmobil-Dinnerabende um ihre Jobs. Bettina Seitz steht alleine in der großen modernen Küche ihrer Kochschule. An besonders gut gebuchten Tagen beschäftigt sie zusätzlich zwei Auszubildende, die sie sich von umliegenden Hotels ausleiht.
Die drei Servicekräfte, die für einen Womo-Dinner-Abend eingesetzt werden, laufen an einem Abend zwischen 15 und 20 Kilometern. Da braucht es in der Freizeit keine Joggingrunden oder Fitnessbesuche im Studio mehr.
Betriebskosten
Thomas Hildebrandt betreibt das Hotel, in dem zurzeit nur wenige Business Gäste untergebracht sind. Die Kochschule, sowie das Catering entfallen durch die derzeitigen politischen Corona-Maßnahmen noch völlig. Die Kosten für die Pacht, Gehälter, Wasser und Strom laufen jedoch nach wie vor weiter. Seitz sagt, „Durch den Wohnmobil-Dinner-Betrieb schaffen wir es immerhin kostendeckend zu arbeiten. Von Gewinn-Erwirtschaftung kann keine Rede sein. Dafür arbeiten wir bis zu 16 Stunden täglich. Von den Gästezimmern im Hotel über die Bestellungen, den Einkauf, die Organisation, die Büroarbeit, das Kochen, die Spülküche, etcetera – alles muss erledigt werden.“
Bettina Seitz appelliert an die Politiker, endlich schnell und unbürokratisch Hilfen auszuzahlen. Schließlich wären sie vom Volk gewählt worden, das sollten sie sich mal klar machen, so ihre Meinung.
Bettina Seitz und Thomas Hildebrand bieten ihren Dinner-Gästen, die vielleicht doch ein Gläschen zu viel hatten an, die Nacht auf dem eigenen Hotelparkplatz zu verbringen. Wer möchte kann sich dann am nächsten Morgen ein Frühstückskörbchen für 12,00 Euro an die Mobile Haustür bringen lassen. Meistens wird das wohl kein Problem sein, doch es könnte zu einem werden.
Empfehlung des ADAC
Denn noch ist es so, dass bis zum 18. April touristische Übernachtungen in Hotels und anderen Unterkünften in Deutschland verboten sind. Daher raten die Juristen des ADAC: „Wohnmobil-Fahrer sollten nicht auf die Idee kommen, zum Dinner im Camper reichlich Tischwein zu genießen und dann gleich an Ort und Stelle zu übernachten. Touristische Übernachtungen sind im Corona-Lockdown bundesweit verboten. Auch Campingplätze und andere Anbieter von Stellplätzen gegen Entgelt gelten als Beherbergungsbetriebe, damit dürfen dort keine touristischen Übernachtungen stattfinden. Stellt der Wirt des Gasthauses seinen privaten Parkplatz zur Übernachtung mit dem Wohnmobil zur Verfügung, kann auch das je nach Auslegung des Wortlautes der einzelnen Länderverordnungen durchaus ein Verstoß gegen das Beherbergungsverbot sein.“
Seitz und Hildebrand haben sich aufgrund des positiven Feedbacks ihrer Wohnmobil Gäste überlegt, auch nach dem Lockdown wenigstens einmal pro Monat ein Wohnmobil-Candle-Light-Dinner anzubieten. Es wird wohl, so überlegt Bettina Seitz, als Event mit einem kleinen Konzert oder vielleicht einem Barbecue angeboten werden. Man darf gespannt sein.
Wohnmobil-Dinner in Hamburg
Die Kochschule Tschetschorke ist die größte ihrer Art in der Hansestadt und liegt mittendrin. Hier laden ebenfalls verschiedene Themenabende wie zum Beispiel „Meat Lovers“, „Happy Spring“, „Wild-West“ oder „Oster-Special“ Wohnmobilisten von Donnerstag bis Samstag zum Genießen ein. Zwanzig Mobilheime können hier gleichzeitig am 5-Gänge-Menü teilnehmen. Serviert wird auf vorgewärmten Porzellan-Tellern, welche in beschichteten Styroporboxen von den Servicekräften an die Mobile Eingangstür gebracht werden. Tischwäsche, Servietten, Besteck, Gläser, Mineralwasser, Kerzen und Vasen mit Blumen werden schon vor dem ersten Gang ans Wohnmobil gebracht. Auch hier müssen die Gäste selbst eindecken. Pro Person liegt der Preis für das Menü inclusive einer Flasche Rot- oder Weißwein, einer Flasche Sekt, alkoholfreien Bier und Mineralwasser bei 85 Euro.
Tschetschorke erzählt, „Wir haben Anfang des Jahres mit dem mobilen Dinner Service angefangen. Auf diese Art und Weise können für unsere Wohnmobil-Dinner-Abende kostendeckend arbeiten, doch von unserem Betrieb als Grillakademie und Kochschule bricht nun nach und nach immer mehr weg. Bis jetzt konnten wir aber unsere drei festangestellten Köche, sowie die drei Teilzeitmitarbeiter, die wir normalerweise für unseren Betrieb brauchen, behalten.“ Ein Koch, zwei Servicekräfte, sowie Andreas Tschetschorke selbst stemmen die Mobilen Dinnerabende.
Auch Tschetschorke möchte nach der Eröffnung der Gastronomie die Wohnmobil-Dinnerabende beibehalten. „Diese werden dann wohl zu einer Mischung aus gemeinsamer Schnippelei, regen Austausch der Wohnmobilgruppe und gemeinsamen Dinierens an einer großen Tafel abgeändert werden. Denn der Kontakt zu unseren Gästen fehlt mir doch sehr“, so Tschetschorke.
Kochschule & Grillakademie Tschetschorke
Ferdinand-Harten-Straße 8
22949 Hamburg
Tel. 040 5141822