Für ihre „gemeinsam entwickelte authentisch norddeutsche Küche, die ganz auf die Qualität hochwertiger und vergessener regionaler Produkte setzt“, kürt die internationale Gourmet-Bibel Gault&Millau Johannes King, 55, und Jan-Philipp Berner, 30, vom „Söl’ring Hof“ in Rantum auf Sylt zum „Koch des Jahres“. King, seit der Eröffnung im Jahr 2000 prägender Kopf der Küche, und Berner, seit 2013 als Küchenchef an seiner Seite, „setzen darauf, dass eine Makrele, ein Knurrhahn oder Wittling aus nahen Gewässern in Qualität und Frische und damit auch im Geschmack die aus dem Ausland herbeigeschafften Fische übertrifft, und demonstrieren, dass neben Salzwiesenlamm, Austern und Seeigel aus der Nordsee auch Strandgewächse der Insel und Knickfrüchte, die am Wegesrand wachsen, genug Delikatesse für Spitzenküche mit norddeutscher DNA haben“. Die schmeckt man von einer Vorspeise wie Apfel-Selleriesalat mit gestocktem Austernschaum und frischem Dill bis zum Dessert „Sylter Rose“ aus Schokolade mit Moosbeerensaft, gepopptem Amarant und knusprigen Miniaturen aus Weizen, Hafer, Mandel und Haselnuss. Und auch dazwischen, wenn Edles wie Kaisergranat subtil mit frischen Kräutern gekrönt oder vermeintlich Einfaches wie der heimische Steinköhler mit geliertem Dill, Karottenstampf, Eismeergarnelen und Felchenrogen in die Gourmetklasse gehievt wird. Für solche Gerichte erhalten die beiden Köche, die ihre Freizeit am liebsten in der Natur verbringen, „weil sie den Kopf frei macht“, 18 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung”.
Die Kochkünstler
Berner und King schließen damit zu den drei höchstbewerteten
Köchen zwischen Nord- und Ostsee auf, die ihre 18 Punkte aus dem Vorjahr souverän verteidigten:
• Holger Bodendorf vom Restaurant „Bodendorf‘s“ in Tinnum auf Sylt „bietet in seinen Gerichten eine sehr gelungene Balance von Säure, Süße, Schärfe und aromatischer Milde. So setzt zum zarten Wolfsbarsch auf einer gebratenen Fenchelwurzel das seltene Bergamotte-Püree mit seiner feinen, zitronigen Säure einen belebenden Akzent und spannenden Kontrast zu den kleinen Venusmuscheln und der kräftigeren Salsiccia in Muschel-Jus“.
• Dirk Luther von der „Meierei“ in Glücksburg „brilliert in seinem Abendmahl mit höchstmöglicher Perfektion – vom Steinbutt mit angeschmorten Pfifferlingen bis zu Geschmacksexplosionen wie gebratener Entenstopfleber im Gewürzlack, belegt mit angeschmortem Fenchel und Zitronenspalten“.
• Christian Scharrer vom „Courtier“ in Wangels-Weissenhaus „inszeniert seine französisch geprägte Küche bildhübsch mit subtil austarierten Aromen-Kombinationen. Den Carabinero legt er sechs Minuten lang mit Zitronenöl und Salz warm und bettet ihn dann in Sud vom hausgebeizten Ibérico Eichelmastschinken, bestreut mit Bröseln vom gerösteten Schinken; dazu gibt er Carabinero-Tatar mit Flan, trockener Speckstippe und Mayonnaise des Superschweins. Und drapiert das Ganze mit Melonenstücken, Melonensuppe als Sphäre und rohe, in einem Basilikum-Ingwer-Limetten-Essigfond vakuumierte Charantais-Melone“.
Hochklassige Bodenständigkeit
Ihnen folgt mit 17 Punkten Lutz Niemann von der „Orangerie“ in Timmendorfer Strand, dessen „opulentes Angebot an schönste Gourmetzeiten erinnert: Es beeindruckt von hochklassiger Bodenständigkeit beim saftig-zarten Hähnchen mit Morcheln über französisch-mediterranes Raffinement beim Bretonischen Hummer mit meisterlicher Peperonata bis zu Zeitgeistigem wie Ceviche von der Gelbschwanzmakrele mit Avocadotupfen, Mango und angeknuspertem Kokos.“
Mehr Sein als Schein
In den dritten Rang teilen sich weiterhin mit jeweils 16 Punkten für ihre inspirierten Gerichte die in Westerland/Sylt kochenden Jörg Müller vom „JM“ („das dry aged Entrecôte mit etwas Fettrand als Geschmacksträger, leichter Remoulade, knackigen Bohnen mit Speckwürfelchen und krossen Bratkartoffeln demonstriert Müllers Meisterschaft in der syltfremden Disziplin mehr Sein als Schein“) und Ulrich Person vom „Hardy’s“ („zum saftigen Seeteufel trumpfte die Langoustinen-Tomatensalsa mit vollem Krustentiergeschmack auf“) sowie Dirk Seiger vom „Buddenbrooks“ in Lübeck („beim Maine-Lobster mit Gewürzbulgur, Datteltomate, Auberginenpüree und würziger Krustentierbutter erklären leicht pikante, süße und auch bittere Töne der Gewürzmischung Ras el Hanout, warum das Gericht ‚Marrakesch‘ heißt“).
Auf 15 Punkte verbessert sich das seit Frühjahr 2018 vom Berliner Spitzenkoch Tim Raue „auf moderne asiatische, mutig gewürzte Küche“ getrimmte „Spices“ in List/Sylt. „Bei dem mit Sternanis und Ingwer gedämpften und mit Galiamelone, Tomatenpüree und Holunderblüten servierten Lachs rechtfertigt der auf sanfte Schärfe gezügelte feurige Chili Habanero den neuen Namenszusatz: Spices by Tim Raue.“
Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 35 Restaurants in Schleswig-Holstein. 33 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus. Von ihnen erreichen weiterhin 9 – mit 16 und mehr Punkten – das Niveau, auf dem nach Gault&Millau-Geschmack das Kochen zur Kunst wird; von ihnen stehen 5 auf Sylt und 4 an der Ostsee am Herd – allesamt in Hotelrestaurants. Im Vergleich zur Vorjahresausgabe nimmt der Gault&Millau in Schleswig-Holstein 3 Restaurants neu auf und streicht 3 langweilig gewordene; 3 werden höher, 2 niedriger bewertet.