Im Herbst beginnt in Südtirol die Törggele-Zeit bei jungen Weinen und kulinarischen Genüssen der Region. Während einer herbstlichen Wanderung in eine Hofschänke einkehren, um sich mit Schlutzkrapfen, Surfleisch und Hauswürsten zu stärken und im Nachgang noch geröstete Kastanien oder süße Krapfen serviert zu bekommen, ist schon was Feines. Der passende Wein kann das genussvolle Urlaubsvergnügen zu etwas Außergewöhnlichem werden lassen, denn besonders die Weißweine aus Südtirol gelten unter Weinkennern inzwischen als Spitze der Qualitätspyramide in Italien.

98% DOC-Weine unter dem Motto
„Klein aber fein“
Südtirol ist eines der kleinsten Anbaugebiete in Italien mit nur rund 5.400 ha. Dies entspricht knapp der Rebfläche von Franken. Die Qualität steht ganz im Fokus der Winzer. 98% der Weine laufen unter dem DOC-Siegel, was es so in keiner anderen Region in Italien gibt. Insbesondere aufgrund der Kosten, bleibt den Winzern nichts anderes übrig, wenn man bedenkt, dass der Preis für Kulturland satte 100,- € pro Quadratmeter aufwärts beträgt. So wundert es nicht, dass Flaschenpreise von unter 10,- € inzwischen nur noch sehr selten anzutreffen sind, speziell wenn es sich um Winzerhandwerk handelt.
Die Kellereigenossenschaften haben einen großen Stellenwert, sie sind für 70% der Produktion zuständig. Allerdings gibt es wohl kaum eine Region in der Welt, in der die Weinqualität von Genossenschaften so hoch ist wie in Südtirol. Rund 5000 Weinbauern liefern an insgesamt 200 Betriebe. Kleine bzw. kleinste Flächen sind die Regel, in der manuell gearbeitet wird mit Ertragsreduzierung, dem Blick auf Nachhaltigkeit und Fokus auf reifes Traubenmaterial. Die restlichen 30% verteilen sich auf den Verband „Südtiroler Weingüter“ sowie freier Weinbauern.
Höhenunterschiede wirken wie Klimaveränderungen
Mehr als 60% der Fläche ist mit weißen Rebsorten bestückt. Pinot Grigio, Weissburgunder, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Gewürztraminer werden von den Winzern gerne in den höheren Lagen angebaut, um die Frische im Wein zu erhalten. Die Höhe ist in dieser Region sehr entscheidend für den Weinstil. Von 200m bis auf 1000m über NN reicht das Niveau und mit der Höhe verändert sich auch die Temperatur und damit das Klima. So kann Südtirol aufgrund der Höhenunterschiede auf engstem Raum mit unterschiedlichsten Klimatas aufwarten, was sonst nur über verschiedene Breitengrade möglich ist. Die Breitengrade in Südtirol sind sozusagen die Höhenlinien der topographischen Karte. Mit den Höhenunterschieden ändert sich gleichzeitig auch das Bodenprofil, was einen entscheidenden Einfluss auf den Weinstil, Geschmack und auch dessen Mineralität hat. So wechseln sich auf kleinstem Raum Lehmboden mit Kalkablagerungen, Quarz, Schiefer sowie Böden vulkanischen Ursprungs und Dolmitgestein ab. Basis für einzigartige und facettenreiche Weine, die man in keine Schublade stecken kann. Mainstream findet man anderswo!

Wofür steht Südtirol?
Dies zu erfassen ist aufgrund der eben dargestellten Vielfältigkeit schlichtweg unmöglich. Das Klima ist abgesehen von der Höhe geprägt von den 300 Sonnentagen mit knapp 2000 Sonnenstunden pro Jahr. Trotzdem gibt es ausreichend Niederschlag mit über 800 mm. Südtirol ist zudem in Europa eine der am meisten von Unwettern und Hagel heimgesuchten Regionen. Ein Angstgespenst für jeden Winzer, ebenso wie die Spätfrostgefahr. Das Winzerleben in einer von Bergen geprägten Region ist definitiv nicht einfach, aber Qualitätsweine entstehen nicht unter einfachen Bedingungen.
Die Wärme und Sonne sorgt dafür, dass die Weine meist einen kräftigen Körper besitzen, während die Höhe über die Säure und damit die Frische der Weine entscheidet. Werden die Weißen Tropfen in den höheren Regionen angebaut sind es im Tal meist die roten Reben, allen voran die autochthonen Rebsorten Lagrein und Vernatsch, letzterer in Deutschland als Trollinger bekannt. Weine aus Vernatsch sind eher als leichte Weine bekannt, erbringen hier in Südtirol als St. Magdalener oder am Kalterersee auch weiche und füllige Tropfen oft mit einem Alkoholgehalt von über 13% hervor. Lagrein ist dagegen eine dunkelfarbige Traube, die kräftige Weine mit einer opulenten Frucht und Veilchenaromatik hervorbringt. Fast ausgestorben vor 40 Jahren, ist sie heute der Inbegriff für Rotwein aus Südtirol.
Weissburgunder und Blauburgunder zeigen ihre Klasse und Finesse
Eigenständige Weine ergibt aber auch die Rotweindiva Spätburgunder, hier Blauburgunder genannt. Der Winzer kann hier mit der Höhe besonders gut spielen, wodurch die Finesse dieser Rebsorte voll zum Tragen kommt. Die Top-Spätburgunder aus Südtirol mischen inzwischen unter den besten Weinen in Italien mit, leider jedoch auch im Preis.Der Counterpart zum Blauburgunder ist der Weissburgunder, der in den höchsten Regionen mit der Frische quasi spielt. Mineralisch, direkt und sehr aromatisch, bedingt durch die hohen Tag-/Nacht-Temperaturschwankungen, bringt er Tropfen hervor die eine gute Alterungsfähigkeit besitzen. Einige Weinexperten sagen, dass hier die besten Weissburgunder der Welt entstehen…aber das ist bekanntermaßen relativ. Auf jeden Fall kann die Rebsorte wunderbar das Terroir abbilden, ist offen für einen vielseitigen Ausbau im Keller und gleichzeitig ein exzellenter Speisenbegleiter.

7 Unterregionen mit 18 Rebsorten
Insgesamt sind in den sieben Unterregionen Südtirols 18 Rebsorten zugelassen. In den beiden kühlen Regionen Vinschgau und Eisacktal sind die weißen Rebsorten sowie Blauburgunder dominierend. In den Höhenregionen von Terlan und dem Kalterersee sind es die aromatischen Rebsorten mit Sauvignon Blanc, Weissburgunder und Chardonnay, die den Ton angeben. Die warmen Regionen Meran und Bozen werden dageben stärker von Vernatsch und Lagrein beeinflusst. Hier werden auch internationale Rebsorten wie Merlot und Cabernet Sauvignon angebaut. Eine Besonderheit stellt der St. Magdalener dar. Ein Wein, der an den Hängen des heißen Talkessels von Bozen aus Vernatsch entsteht. Bis zu 15% Lagrein sind als Beigabe erlaubt, wodurch er kräftiger und fülliger als ein reinsortiger Vernatsch ausfällt. Traditionell wird er als Gemischter Satz angebaut, also bereits im Weinberg gemeinsam bearbeitet und gelesen. Heute wird jedoch häufig die Cuvée-Version bevorzugt, bei der der Wein reinsortig an- und ausgebaut und erst zum Ende cuveetiert wird.
Wussten Sie?
Dass Südtirol, insbesondere die Region Bozen, im Sommer eine der heißesten Regionen in ganz Italien ist, oft wärmer als Süditalien. Im Sommer steigen die Temperaturen gerne bis auf 35 Grad und mehr. Die durchschnittliche Maximaltemperatur liegt im Juli bei 29 Grad. Im Winter kann es dafür aufgrund der Nähe zu den Bergen empfindlich kalt werden mit durchschnittlichen Minimaltemperaturen von -3 Grad. Ein Klima der Extreme. Und doch entstehen hier wunderbare Weine. Vielleicht gerade deshalb?
Probieren Sie unbedingt mal einen Tropfen aus Südtirol. Man kann dort auch wunderbar Urlaub machen.
Eine genussvolle Zeit wünscht
Werner Brockmann