Werner Brockmann

Weinakademiker & Weinfachhändler

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Keine Angst vor Säure

Brockmanns Weinschule (Teil 12)
2. August 2019

Säure ist neben Schwefel für viele Leute ein sehr sensibles Wort in Verbindung mit Wein, quasi schon ein Schimpfwort. Das Wort Säure ist ja auch nicht unbedingt ein Begriff, den wir mit Genuss verbinden. Allerdings gehört Säure genauso zu jeder Speise wie in jedes Getränk. Wenn wir das ominöse Wort durch Frische ersetzen, erhält es eine positive Bezeichnung und drückt die Funktion viel besser aus, die es erfüllen soll. 

Stellen Sie sich einen Wein ohne Säure vor. Das Getränk, ich nenne es bewusst nicht mehr Wein, würde jegliche Frische und Eleganz verlieren. Es schmeckt flach und stumpf. Kraftvolle Weine mit wenig Säure wirken fett, marmeladig und langweilig, von denen man nach einem Glas genug hat. Bei einem guten Wein hingegen ist man überrascht, dass die Flasche so schnell leer ist. 

Lassen Sie uns also das Positive sehen: Säure bringt Frische und Eleganz in den Wein und sorgt dafür, dass auch das zweite und dritte Glas noch animierend schmeckt. Kraftvolle und körperreiche Weine bewahren durch die Säure ihre Lebendigkeit und wirken vielschichtig und interessant. Wichtig ist, wie die Säure eingebunden ist und um welche Säure es sich handelt. 

Kommen Sie mit auf einen Exkurs und lassen sich in Zukunft nicht mehr von der Säure abschrecken. 

Bacchus Aromen. Foto: DWI

Was lässt uns Angst vor Säure haben? 

Die natürliche Säure im Wein lässt sich vornehmlich in Weinsäure, Apfelsäure und Zitronensäure aufteilen. Während die Weinsäure eher weich und angenehm am Gaumen wirkt, fühlt sich die Apfelsäure eher aggressiv, kantig und hart an. Wein- und Apfelsäure sind für etwa 90% der Säuren im Wein zuständig. 

Die Kunst des Winzers besteht darin, die Apfelsäure möglichst niedrig zu halten und diese harmonisch in den Wein einzubinden. Der wichtigste Aspekt ist der Zeitpunkt der Lese. Je reifer die Trauben sind und je länger sie am Stock hängen, desto geringer wird der Anteil der Apfelsäure. Nun könnte man denken, dann lassen wir die Trauben doch einfach länger hängen. Allerdings verändern sich auch die anderen Faktoren wie der Fruchtzuckergehalt im Wein und die Gerbstoffe in den Schalen. Der Winzer muss diese Komponenten möglichst schon im Weinberg in Einklang bringen und dafür ist viel Erfahrung notwendig. Guter Wein wird im Weinberg gemacht, im Keller kann nur so viel wie möglich von der Qualität erhalten werden.

Säure macht sich am Gaumen seitlich an der Zunge bemerkbar und ruft ein leichtes Prickeln hervor. Das Gefühl der Intensität hängt aber vom Zusammenspiel der unterschiedlichen Faktoren eines Weins ab. 


Säure im Einklang mit Süße und Alkohol 

Die Harmonie eines Weins ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Alkohol, Süße, Säure, Gerbstoffe und Frucht (allgemein Aromen). Je mehr alkohol- und körperreicher ein Wein ist, desto mehr Frische alias Säure braucht er auf der anderen Seite. Genauso ist es mit der Süße. Ein intensiv süßer Dessertwein wirkt ohne die notwendige Säure einfach nur klebrig und flach. Aus diesem Grund ergeben säurebetonte Rieslinge oft hervorragende lebendige Süßweine, obwohl sie auch in der trockenen Ausführung außergewöhnliches Potential haben. Wer sich vom Riesling durch die Säure abschrecken lässt, vergibt sich die Möglichkeit die besten Weißweine der Welt kennenzulernen.    

Gerade hatte ich einen Winzer von der Mosel als Gast zu einer Weinprobe bei mir. Seine Kollektion besteht vornehmlich aus Rieslingen, die mit ihrer verspielten Art und Leichtigkeit sowie dem spannenden Säure-Süße-Spiel die Teilnehmer einfach begeistert haben. Selbst einige Skeptiker unter ihnen sind mit einer anderen Einstellung zu Riesling und Mosel und neuen überraschenden Eindrücken aus der Probe herausgegangen. Lassen Sie sich durch Säure und vor allem Riesling als Rebsorte nicht abschrecken und entdecken tolle Genusserlebnisse.

Foto: DWI

Was hat noch Einfluss auf Höhe und Art der Säure? 

Ein ganz entscheidender Faktor für die Entwicklung der Säure ist das Klima. Je mehr Sonne und Wärme, desto geringer ist die Ausbildung der Säure in den Beeren. In warmen Anbauregionen wünschen sich die Winzer sehnsüchtig mehr Säure für die Frische ihrer Weine. Im Gegensatz zu Europa, werden in der neuen Welt wie Australien, USA oder auch Südamerika die Weine sogar aufgesäuert, damit sie nicht zu fett und kräftig werden. Auf der anderen Seite sind in den kühleren Anbaugebieten, wozu auch Deutschland gehört, die Weinstile durch die Frische und Leichtigkeit der Weine geprägt. 

Ich habe schon erwähnt, dass als natürliche Säuren vor allem Wein- und Apelsäure sowie etwas Zitronensäure im Wein enthalten sind. Während der Ausbauphase entstehen aber noch weitere Säuren, darunter Essigsäure, Milchsäure und Bernsteinsäure. Die wichtigste Rolle von diesen spielt die Milchsäure. 

Malolaktische Gärung und Biologischer Säureabbau 

Eine Möglichkeit, die Säure im Wein runder und weicher zu gestalten, hat der Winzer im Keller mittels der malolaktischen Gärung. Hierbei wird die kantige Apfelsäure in einer zweiten Gärung in Milchsäure umgewandelt. Meist geschieht dies durch die kontrollierte Zugabe von Milchsäurebakterien. Allerdings sind diese auch bereits von Natur aus im Wein vorhanden, so dass der Wein während der Ausbauphase diese Umwandlung unter idealen Voraussetzungen auch von selbst vollziehen kann. 

Durch diesen sogenannten biologischen Säureabbau (BSA) bekommt der Wein eine zusätzliche Geschmackskomplexität. Die Stilistik geht dann mehr ins schmelzig-cremige mit leicht buttrigen Noten, was dem Wein mehr Körper verleiht. Besonders bei Rotweinen ist diese Methode üblich und gewünscht, während bei Weißweinen die Frische und Lebendigkeit im Vordergrund stehen soll. Kraftvolle im Holz ausgebaute weiße Tropen, wie ein Chardonnay aus dem Burgund, werden dagegen auch gerne der BSA unterzogen und ergeben dann körperreiche Speisenbegleiter.  

Sauvignon Blanc Aromen. Foto: DWI

PH-Wert und Säure 

Ein kleiner Exkurs in den Bereich der Chemie gibt uns Aufschluss darüber, was eigentlich der Knackpunkt ist. Wichtiger als der absolute Säuregehalt ist der PH-Wert. Er gibt die schmeckbaren und nicht flüchtigen Säuren. Je höher der PH-Wert, desto weicher fühlt sich der Wein an und umgedreht. Leider wird mit diesem Wert in der Weinbranche vor allem im Verkauf nur sehr wenig gearbeitet. Technische Analysewerte eignen sich halt nicht gut für das Marketing.  

Aber auch für andere Aspekte ist die Säure wichtig im Wein. Säure ist ein wichtiger Faktor für die Alterungsfähigkeit von Weinen sowie die mikrobiologische Stabilität. Sie bremst das Wachstum von schädlichen Bakterien, weshalb die Zugabe von Schwefel als Stabilisator bei solchen Weinen reduziert werden kann.

Mein Tipp im Umgang mit Säure: 

Seien sie vorsichtig bei der Beurteilung von Analyse- und Säurewerten, bei denen die Säure in g/l angegeben wird. In meinem Online-Shop gebe ich zwar auch die Analysewerte inkl. der absoluten Säure an. Allerdings werden neben der Säure gleichzeitig der Restzuckergehalt sowie der Alkohol mit angegeben. Wenn man sich der Wechselwirkung dieser Einzelkomponenten bewusst wird, kann man eine erste Einschätzung vornehmen. Allerdings kann das Internet keine Beratung und auch das Probieren nicht ersetzen. 

Eines sollte man jedoch bedenken. Je hochwertiger der Wein, desto besser ist i.d.R. die Qualität der Trauben und desto harmonischer ist die Säure im Wein eingebunden. Für billige Weine werden meist Trauben aus dem Massenanbau mit hohen Erträgen verwendet oder solche, die für die guten Qualitäten nicht genügen. Dementsprechend hat dies negative Auswirkungen auf die Harmonie des Weines, bei denen häufig die spitzere Apfelsäure imVordergrund steht. 

Geben Sie ein paar Euro mehr für einen guten Wein aus und ärgern sich nicht im Nachhinein über vermeintliche Schnäppchen, bei denen der Genuss auf der Strecke bleibt.  

Eine allseits genussvolle Zeit wünscht Ihnen

Werner Brockmann

Werner Brockmann, Weinvertikale

 

Weinvertikale Werner Brockmann

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