Snacks lösen traditionelle Mahlzeiten ab. Die sogenannte Snackification der Esskultur ist Ausdruck einer flexibleren, spontaneren und individuelleren Gesellschaft. Das stellt die Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler in ihrem „Food Report 2020“ fest und analysiert zum siebten Mal in Folge die wichtigsten Food-Entwicklungen. Herausgeber ist das Zukunftsinstitut in Kooperation mit der Lebensmittel Zeitung, gv-praxis und foodservice (dfv Mediengruppe).
Der Mensch ist, was er isst
„Der Mensch ist, was er isst.“ Schon dem Philosophen Ludwig Feuerbach war es vor mehr als anderthalb Jahrhunderten klar, dass Essen weitaus mehr bedeutet als nur die reine Nahrungsaufnahme. Inzwischen ist der Mensch auch immer mehr das, was er aus Überzeugung nicht isst, betont Hanni Rützler. Wir können frei entscheiden, was wir essen. Und wir entscheiden zunehmend bewusster und gezielter, wann wir wo mit wem was essen. Diese Wahlfreiheit differenziert unsere Esskultur immens aus. Hierbei gibt es kein gesellschaftliches Richtig oder Falsch mehr, jeder Einzelne entscheidet über seine kulinarischen Vorlieben selbst.
Der Mensch ist nicht mehr nur das, was er isst, sondern “der Mensch ist immer mehr auch das, was er bewusst nicht isst”, betont Hanni Rützler. Diese Wahlfreiheit differenziert unsere Ess- und Ernährungskultur aus. Zudem ist Essen ein mächtiges Kommunikationsmittel geworden. Eat Artists und Food Designer zeigen spielerisch auf, wie die Zukunft unserer Ernährung aussehen wird. Ziel ist es dabei immer, Bewusstsein zu schaffen und Veränderungen zu erzeugen. “Essen ist ein wichtiger Treiber menschlicher Kultur – die stete Veränderung der Werte, Sitten, Strukturen und Rituale lässt sich an Food-Trends deutlich ablesen: Gemüse spielt die Hauptrolle auf dem Teller, Gesundheit tritt in den Vordergrund, Convenience und Fast Food muss gesund sein. Und auch unser mobiles und flexibles Leben zeichnet sich in unseren Essgewohnheiten ab, wie der Trend der Snackification zeigt”, fasst Rützler die aktuellsten Entwicklungen zusammen.
Snackification: Das Ende der Mahlzeiten (wie wir sie kennen)
Nicht mehr die Essenszeiten strukturieren unseren Alltag, sondern wir passen unsere Essgewohnheiten und -strukturen dem mobilen und flexiblen Leben an. Neuartige Gastro-Konzepte rund ums gesunde und hochwertige Snacking verändern daher auch das Angebot klassischer Restaurants und Handelsunternehmen. “Snacks lösen mehr und mehr die traditionelle Speisenfolge auf. Der strikte Glaube an die Dreieinigkeit von Vorspeise, Hauptgang und Dessert macht Platz für kreativere und offenere Essmöglichkeiten”, erklärt Rützler. Gegessen wird heute überall, oft „on the go“ und spontan.
Die Themenschwerpunkte des Food Reports
- Eating Art: Wie Kunst und Design den Blick auf unser Essen verändern
Künstler und Designer nutzen Food als Kommunikationsmittel, um einen Beitrag zur Gestaltung unserer Esskultur zu leisten. Dadurch wird auch die Lebensmittelproduktion verändert. Kritische und unabhängige Denkanstöße führen zu zukunftsfähigen Lösungen.
- Urban Food: Die Zukunft unserer Nahrungsmittelversorgung liegt in der Stadt
Neue Technologien ermöglichen nicht nur neue Nahrungsmittel, sondern auch die Rückkehr der Landwirtschaft in den urbanen Raum. Urban Food steht für ein neues Bewusstsein und eine neue Bewegung, die Innovationen vorantreiben möchte.
- Beyond Plastic: Die Zukunft der Lebensmittelverpackung
Das globale Plastikproblem lässt sich nicht mehr leugnen und stellt eine der größten Herausforderungen für die Food-Branche dar. Innovative Start-ups dynamisieren den Markt durch alternative Lösungen. Die Möglichkeiten reichen von nachhaltigen Verpackungen bis hin zu verpackungsfreien Systemen. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.
Über Hanni Rützler
Seit gut 25 Jahren erforscht Hanni Rützler Gegenwart und Zukunft unserer Esskultur, vor allem den Wandel der Konsumkultur. Sie versucht nachhaltige Food-Trends von kurzfristigen Moden und Medien-Hypes zu unterscheiden. „brand eins“ schreibt über sie: „Was in Rützlers Foodreport steht, dafür rüsten sich Lebensmittelhersteller, Kochzeitschriften und Gastronomen“.
Einschätzung und Anmerkung
Interessant sind Rützlers Vorhersagen vor allem für Lebensmittelhersteller, Lebensmittelhandel und die Systemgastronomie. Bedingt auch, um den Zustand der Gesellschaft zu beschreiben. Es geht dem Report darum, die Bedürfnisse des konsumfreudigen Verbrauchers der nahen Zukunft zu erfassen. Die Situation der familiären Alltagsküche wird durch den Report nicht erfasst, wie auch nicht die Trends in der Spitzengastronomie. Die setzen ihre eigenen, die dann Jahre später als Surrogat gerne von der Systemgastronomie aufgegriffen werden.