Jens Mecklenburg

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Süße Träume – Kevin Lühmanns Chocolate Vision

12. Februar 2024

Sein Herz schlägt für Schokolade

Kevin Lühmann liebt und lebt Schokolade. Der Hannoveraner war einer der ersten Schokoladen-Sommeliers in Deutschland. Beruflich ist er viel als Berater unterwegs, vor allem in Japan. Seine Vision: beste Schokolade zum Träumen.  

© Chocolate Vision

Nicht etwa süß, sondern salzig, leicht bitter und nach einer Note Erdnuss schmeckt das Stück gerösteter Kakaobohne aus Tansania, das Kevin Lühmann per Hand aufgeknackt hat. Der Urstoff, diese sogenannte Nibs, erinnern streng genommen gar nicht an das Endprodukt. Der typische Schokoladengeschmack kommt erst später, wenn sich die Bohne nach einem aufwendigen Verfahren zur Tafel gemausert hat, zum Vorschein. Viele Zutaten braucht eine gute Schokolade nicht. Kakaobutter und Zucker, vielleicht noch Milchpulver. Der Experte weiß: „Mit Zutaten wie Butterfett, Vanilin oder Haselnussmark versuchen Hersteller die mangelnde Qualität zu übertünchen.“

Täuschen lässt sich Lühmann aber nicht. Der gelernte Konditor, Bäckermeister und Lebensmitteltechniker ist seit Jahren im „süßen“ Geschäft. Er war auch Hannovers erster geprüfter Schokoladen-Sommelier und einer der ersten in Deutschland. Nennen darf er sich so, seit er 2017 an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim eine entsprechende Weiterbildung abgeschlossen hat.

Schoko-Liebe in Japan entbrannt

©Takashi Ono

Seine Liebe zu hochwertiger Schokolade entbrannte in Japan, wo Lühmann nach der Ausbildung in einer Konditorei arbeitete und seitdem oft zu Besuch war. Im Land der aufgehenden Sonne lernte er kleine Schokoladenhersteller kennen, die das Prinzip „Bean to Bar“ umsetzen – also Schokoladen „von der Bohne bis zur Tafel“ selbst herstellen. „Ich hätte mir früher nicht träumen lassen, dass ich ausgerechnet in Japan auf eine solche Schokoladenkultur treffe“, sagt er. Denn als ausgemachtes Schokoladenland ist Japan in Europa ja nicht gerade bekannt.

Das trifft, was den Massenkonsum angeht, auch zu. So gilt Deutschland neben der Schweiz als weltweiter Schokoladenspitzenreiter, mit etwa zehn Kilo pro Person und Jahr. Der Japaner isst durchschnittlich gerade mal zwei Kilo. „Aber dafür gibt er wesentlich mehr Geld dafür aus“, so Lühmann. Das liegt unter anderem an der gepflegten japanischen Geschenk- , der Omiyagekultur. Es gilt als soziale Pflicht, Arbeitskollegen oder Bekannten etwas von einer Reise mitzubringen. Über die Jahre hat sich die Schokolade dabei mehr und mehr durchgesetzt und so eine besondere Schokoladenkultur entstehen lassen.

©NHK Japan

Kofferweise Schokoladen hat der Sommelier von seinen kulinarischen Reisen aus dem Land der aufgehenden Sonne bereits mitgebracht. Eine Auswahl an Sorten hat er exemplarisch vor sich aufgereiht: „Benciny“, „Es Koyama“ oder „Meiji“ lauten die klangvollen Namen der Hersteller. Und immer steht auch die Herkunft der „reinen“ Bohne mit darauf: Ecuador, Peru, Haiti, Ghana. „Das ist den anspruchsvollen Kunden wichtig, um zu sehen, dass es sich nicht um einen ’Blend’ handelt, also eine möglicherweise ständig wechselnde Mischung, bei denen niemand weiß, was für Kakaobohnen verwendet wurden.“

Noch etwas fällt beim Blick auf die bunten Tafeln, in allen Formen und Farben, auf: „Den Japanern ist eine wertige Verpackung mindestens genauso wichtig wie das hochwertige Innere“, erklärt der Experte. Lühmann nimmt eine braunweiß eingeschlagene Tafel in die Hand: „Allein, wie sich dieses Papier schon anfühlt: Die Textur ist nicht so glatt, aber seidiger“, schwärmt er und lacht. „Man fasst es einfach gerne an!“

Schokolade testen

„Beim Prüfen des Geschmacks sollte man sich Zeit nehmen“, sagt der Schokosommelier: „Ein kleines Stück Schokolade auf die Zunge legen, Augen schließen und langsam lutschen.“ Sei die Tafel in fünf Minuten im Mund verschwunden, handele es sich eher um Billigware. Bleibe der Geschmack hingegen lange erhalten und seien neue Aromen wahrnehmbar, komme es zum „Chocolate-High“: „Wenn das lange anhält und wir nur wenige Stückchen brauchen, um glücklich zu sein, ist es gute Schokolade.“

Zudem unterteilen Experten die Schokoladenwelt in „Beißer“ und „Lutscher“, erklärt Lühmann, und Deutschland sei ein Land der „Beißer“. Das heißt, die meisten Deutschen kauen Schokolade am liebsten und mögen gefüllte Sorten wie Ritter Sport oder Schogetten. Die „Lutscher“ dagegen lassen Schokolade genüsslich im Mund zergehen. „Zerkauen Sie mal ein Stück Schokolade, trinken dann einen Schluck Wasser und lassen anschließend die gleiche Sorte im Mund schmelzen“, empfiehlt Lühmann, „bei guter Schokolade entwickeln sich dann ganz andere Aromen bzw. sind überhaupt Aromen wahrnehmbar.“

Auge und Ohren essen mit

Den richtigen Schokoladengenuss demonstriert der Sommelier an der Schokoladenmarke „Ushio“ aus Japan. Die 40- Gramm-Tafel kostet umgerechnet etwa vier Euro. Für ein richtiges „Tasting“ kommen alle Sinne zum Einsatz. Zunächst nimmt der Experte die Schokolade nach dem Auspacken in Augenschein: Sieht sie appetitlich aus? Hat sie eine gleichmäßige Oberfläche, eine schöne Farbe? Doch auch auf Macken und Fehler achtet der Sommelier bereits. „Japanische Schokoladen, die im Laderaum eines Flugzeugs transportiert wurden, sind oft großen Temperaturschwankungen ausgesetzt“, so Lühmann. „Das kann sich auf die Optik schon auswirken, für den Geschmack ist es aber meistens nicht schlimm.“

Auch die Ohren essen mit: Der „Snap“, also das Knacken, wenn die Schokolade gebrochen wird, sagt viel über ihr Inneres aus. Der satte Klang der Ushio zeigt an, dass hier kein Milchpulver oder andere Fremdfette hingeschmuggelt wurden. Dann würde der Bruch zarter klingen. „Die Tafel besteht lediglich aus Kakaobohnen und Zucker – und das hört man auch.“

An der aufgebrochenen Schnittstelle kommt nun die Nase zum Einsatz. Ein sehr holziges Aroma macht Lühmann aus, was für eine kräftigere Röstung und eine sehr „kakaoige“ Schokolade spricht. „Ich nehme nichts Negatives wahr und werde es wagen, sie zu probieren“, so das Resümee. „Das ist nach der Riechprobe nicht immer der Fall.“

Erst nach diesem Vorspiel kommt der Gaumen zum Einsatz. Behutsam legt sich der Fachmann ein kleines Stück „Ushio“ auf die Zunge, dort lässt er es langsam, 30 bis 40 Sekunden, zergehen. „Wichtig ist, dass ich nicht kaue, damit die Kakaobutter Zeit hat, ihre Aromen freizusetzen, bevor das Stück in den Magen wandert.“

Die Ushio entfaltet auf der Zunge ein kräftiges, aber kein bitteres Aroma – was den Laien erstaunen mag. Der Experte kennt diese Reaktion: „Die meisten deutschen Schokoladenesser erwarten bei dunklen Tafeln Bitterkeit“, so Lühmann. „Das liegt daran, dass die Kakaobohnen bei den Herstellern hierzulande meist viel zu lange geröstet werden – leider!“ Die japanische Tafel ist dagegen leicht fruchtig. Sogar kleine Schokopartikel hat der Sommelier ausgemacht. „Das zeigt mir, dass sie nicht industriell produziert wurde, sondern in einem kleinen Melangeur in einer Chargengröße von vielleicht drei Kilo hergestellt.“

Für mehr Genuss hierzulande setzt sich der Sommelier persönlich ein, bietet Seminare über das Thema „Bean to Bar“ an sowie Schokoladen-Tastings für Genussmenschen – und solche, die es werden wollen. „Ich bringe dann Bohnen, Nibs, Kakaobutter sowie schlechte und gute Tafeln mit“, erklärt Lühmann und lacht. „Dann kann man die Unterschiede am eigenen Gaumen ausloten – und Hunger leiden muss auch niemand.“

Tipps für Genießer

Schokoladengenuss beginnt meist dort, wo die Massenproduktion aufhört. Doch auch im gängigen Einzelhandel können Genießer fündig werden. Chocolate- Vision-Betreiber Kevin Lühmann weiß, worauf man am Schokoregal achten sollte. „Wenn auf der Tafel das Herkunftsland der Kakaobohnen angeben sind und auch noch 100 Prozent vermerkt ist, spricht das schon mal für Qualität“, so der Experte. Weiterhin sollten auf der Zutatenliste kein Vanilin angegeben sein (Vanille ist dagegen in Ordnung). „Hier versucht der Hersteller meist, schlechte Zutaten zu übertünchen.“ Auch mit Butterreinfett oder gemahlenen Haselnüssen werden hochwertige Zutaten immer wieder ersetzt. „Der Einsatz von Lecithin ist bei industrieller Schokolade in Ordnung, bei handwerklich deklarierter Bean to Bar Schokolade jedoch unnötig“.

Demnächst ist der Schokoladenexperte wieder in Japan. Im Gepäck hat er feinste Schokolade nach seiner Rezeptur für den japanischen Markt.

Wer für besondere Tafeln nicht nach Japan fahren will, wird im Online-Shop von Kevin Lühmann fündig.

Chocolate Vision Kevin Lühmann
Mail: info@chocolate.vision
www.chocolate.vision

Schokotipps von Kevin Lühmann im TV

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