Segel setzen für die Umwelt

Das Atlantic Hotel Sail City ist Vorreiter in Sachen Klimaschutz
10. November 2020

Ein Beitrag von Anne-Katrin Wehrmann

Der Klimaschutz ist mittlerweile in allen Wirtschaftsbereichen angekommen, da macht die Tourismusbranche keine Ausnahme. Und doch sticht das Atlantic Hotel Sail City in Bremerhaven heraus: Mit außergewöhnlichem Engagement machten sich Hoteldirektion und Beschäftigte schon früh auf den Weg zur „grünen Transformation“. 

Los ging alles vor etwa sieben Jahren, als Tim Oberdieck, Direktor vom Atlantic Hotel Sail City in Bremerhaven, sich auf einen Handschlag mit einer Schulklasse einließ. Die Aufgabe war: Ist es im Alltag umsetzbar, die Klimaanlagen ab sofort erst dann einzuschalten, wenn die Gäste tatsächlich ihre Zimmer betreten? Das Experiment gelang tatsächlich, der Energieverbrauch des Vier-Sterne-Hauses sank erkennbar. „Wir haben gemerkt, dass wir mit vergleichsweise kleinen Änderungen viel erreichen können“, berichtet der 49-Jährige. „Uns war von Anfang an klar: Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Wenn wir damit anfangen, müssen und wollen wir auch dranbleiben.“

Vincent Hackstein, stellvertretender Küchenchef, behält mit Klarsichtbehältern den Überblick bei den Küchenabfällen. ©WFB/Jörg Sarbach

„Green Team“ entwickelt neue Ideen

Seither ist eine Menge passiert, das Hotel ist permanent auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, die Betriebsabläufe klimafreundlicher zu gestalten. So sparte das Hotel durch den Einsatz von LED-Leuchtmitteln im gesamten Gebäude sowie durch die Anschaffung energiesparender Geräte schon weit mehr als 100.000 Kilowattstunden Strom ein. Von den ersten schnellen Erfolgen ermuntert, bildete sich ein „Green Team“ aus Angestellten aller Abteilungen und Hierarchie-Ebenen. „Die Teilnehmenden begegnen sich da auf Augenhöhe und haben einfach Lust darauf, immer wieder neue Ideen für noch mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln“, erzählt Oberdieck. Zu Beginn der grünen Transformation, wie er den Prozess nennt, habe er „den Hut aufgesetzt“, weil eine neue Strategie zunächst vorgelebt werden müsse. „Inzwischen muss ich da gar nichts mehr vorleben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben diesen Gedanken längst übernommen und setzen ihn jeden Tag aus Überzeugung um.“


Wettbewerb: Wer produziert am wenigsten Abfall?

Einer der Ersten, die sich damals im Green Team engagierten, war der stellvertretende Küchenchef Vincent Hackstein. Auch er sagt: „Ich muss bei der Arbeit nicht mehr bewusst über Nachhaltigkeit nachdenken, das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen – auch bei Kleinigkeiten.“ Dass er und seine Kollegen Fleisch- und Gemüseabschnitte nicht wegwerfen, sondern daraus Fonds zubereiten, ist dabei nur eines von vielen Beispielen. Bleiben doch mal unverwertbare Reste übrig, werden sie in durchsichtigen Behältern gesammelt und abends gewogen. „Wir haben einen richtigen Wettbewerb bei uns im Team, wer am wenigsten Abfall produziert“, erzählt der 38-Jährige. Er selbst kam in dem Zusammenhang unter anderem auf die Idee, aus übriggebliebenen Frühstückscroissants, die die Küche noch nicht verlassen haben, einen leckeren Kabinettpudding zuzubereiten. „Es gibt ganz viele Möglichkeiten, und es macht einfach Spaß, da immer wieder Neues auszuprobieren.“


Regionale Produkte in passenden Portionen

Überhaupt ist die Küche einer der Orte, an denen sich der nachhaltige Ansatz besonders gut verfolgen lässt. Für das hoteleigene Restaurant produziert das Küchenteam inzwischen kleinere Portionen als früher, um Reste zu minimieren: Wer nach dem Genuss noch hungrig ist, bekommt Nachschlag. Selbst die Größe der Frühstücksbrötchen und des dazugehörigen Aufschnitts wurde in Absprache mit Bäcker und Fleischer auf die Essgewohnheiten der Gäste angepasst. „Normalerweise fallen etwa 100 Gramm Lebensmittelabfälle pro Gast an“, berichtet Hackstein. „Wir konnten diesen Wert auf 70 bis 80 Gramm verringern. Bei 200 bis 300 Gästen pro Tag macht das schon eine Menge aus.“ Dabei kommen möglichst viele regionale Produkte auf den Tisch: vom Wasserbüffel aus Bremerhaven über das Wollschwein aus Schwanewede bis hin zum Wild aus Brake. Und der Honig entsteht sogar direkt auf dem Hoteldach, wo 240.000 Bienen in vier Stöcken ihr Zuhause gefunden haben, um fleißig für den „Seestadt-Honig“ zu arbeiten.

Hoteldirektor Tim Oberdieck steht auf dem Dach des Conference Centers, wo vier Bienenvölker Bremerhavener Honig produzieren. ©WFB/Jörg Sarbach

Ökologie und Ökonomie schließen sich nicht aus

Ob es der „Grüne Service“ ist, den Gäste zum Einsparen von Wasser und Energie buchen können, der Einsatz von ökologischen Reinigungsmitteln oder der Firmenwagen mit umweltschonendem Antrieb: Tim Oberdieck und sein Team verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Beteiligten mit einschließt. 
 
In der ersten Zeit sei der Weg durchaus mit Hindernissen gepflastert gewesen, erinnert sich der Hotelchef – zum Beispiel mit Blick auf die Akzeptanz in der Branche. Darum ist ihm die Feststellung besonders wichtig, dass sich Ökologie und Ökonomie keinesfalls ausschließen. „Im Gegenteil, wir haben von Anfang an alle unsere Projekte genau durchgerechnet“, betont er. In manchen Bereichen müsse zwar erst Geld eingesetzt werden, um später etwas herauszubekommen: „Aber im Großen und Ganzen merken wir sowohl betriebswirtschaftlich als auch vom Image einen deutlichen Gewinn.“ Inzwischen zeigen sich andere Hotelbetreibende interessiert, wollen von Oberdiecks Erfahrungen lernen.


Trotz Corona auf Kurs bleiben

Konkrete Ziele für die weitere „Vergrünerung“ der Betriebsabläufe hat Oberdieck nicht, zumal die Auswirkungen der Corona-Pandemie jegliche Planbarkeit derzeit erheblich erschweren. „Feststeht aber, dass wir unsere Bemühungen fortführen werden, gerade jetzt muss es weitergehen.“ Um der Klimakrise entgegenzuwirken, müsse jeder seinen Beitrag leisten, im Großen wie im Kleinen. „Allein das ist für uns Antrieb genug, den eingeschlagenen Kurs auch in Zukunft zu halten.“

Das Atlantic Hotel Sail City in Bremerhaven ist nicht nur ein markanter Bau, sondern auch Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. ©WFB/Jörg Sarbach