Jens Mecklenburg

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Schweinefabrik oder Ferienidyll auf Fehmarn?

Tier- und Naturschutzverbände rufen zur Kundgebung gegen Schweinezuchtanlage auf
21. August 2022

Eine Schweinezucht- und Mastanlage auf Fehmarn soll von 900 auf 1.800 Sauenplätze und bis zu 13.000 Mastschweine erweitert werden.

© ProVieh

Die Nutztierschutzorganisation Pro Vieh und weitere Tier- und Naturschutzverbände wollen dies verhindern und rufen für kommenden Dienstag zu einer Protestkundgebung auf.

Durch veraltete und tierschutzwidrige Konzepte wie Kastenstände und sogenannte Ferkelschutzkörbe wird abertausenden Schweinen Leid und Schmerz zugefügt, ist Pro Vieh überzeugt. Auch die Nutzung von Vollspaltböden und das unzureichende Brandschutzkonzept kritisiert die Organisation scharf.

Tierfabrik inmitten der Ferienidylle

Die Insel Fehmarn ist bekannt als malerischer Urlaubsort mit kilometerlangen Stränden, idyllischer Natur und verträumten Fischerdörfern. Als „Sonneninsel in der Ostsee“ ist Fehmarn ein beliebtes Ziel für mehr als 300.000 Gäste jährlich. Was viele Urlauber nicht wissen: Fehmarn ist auch ein Ort industrieller Tierhaltung. Direkt an der Grenze zum Landschaftsschutzgebiet Wallnau-Fehmarn werden in einer großen Schweinezucht- und -mastanlage 900 Muttersauen und 10.000 Mastschweine gehalten. Schon 2014 und 2016 war diese Anlage erweitert worden – und nun sollen die Tierzahlen erneut steigen. Der Betreiber der Schweineanlage, der Landwirt Falk Voß-Hagen, hat eine Stallerweiterung beantragt mit der Absicht, die Anzahl der Mastplätze auf 13.000 zu erhöhen und die Zahl der Muttersauen auf 1.800 zu verdoppeln. Pro Vieh geht gegen die geplante Erweiterung vor und hat eine Einwendung gegen den Antrag des Betreibers eingereicht. Die Organisation setzt sich dafür ein, dass solche „tierschutzwidrigen Anlagen“ keine Zukunft mehr haben. Sie dürfen weder neu gebaut noch erweitert werden. Bestehende Anlagen gehören stattdessen zurückgebaut und durch tierschutzkonformere Haltungssysteme ersetzt. Pro Vieh fordert das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume Schleswig-Holstein auf, den Antrag auf Erweiterung abzulehnen und damit ein deutliches Zeichen gegen ein unzeitgemäßes Geschäftsmodell zu setzen. Mit der geplanten Erweiterung

werden eine ganze Reihe von gravierenden Tierschutzproblemen wie die Haltung im sogenannten „Ferkelschutzkorb“ und auf Spaltenböden sowie unzureichende Brandschutzkonzepte in Kauf genommen.

Dagegen wehrt sich ein Bündnis folgender Organisationen:

Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt, bmt – Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Bundesverband Tierschutz e.V., BUND Ortsgruppe Ostholstein, Bündnis 90/Die Grünen Fehmarn, Deutsche Umwelthilfe, DJGT – Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht, IG Fehmarn Lebenswert, SPD Ortsverein Fehmarn, Tiere in Not e.V. Heiligenhafen-Fehmarn und PROVIEH e.V.

Kein Brandschutz für Tiere

Ein häufig übersehendes Thema: Das Brandschutzsystem sei „aus Sicht von -Fachleuten unzureichend“, sagt Pro Vieh, eine Brandmeldeanlage werde laut Bauantrag als nicht erforderlich angesehen.

Dabei sollte Brandschutz in Ställen kein Randthema sein, wie die taz recherchierte.

Rund alle zwei Stunden geht in Deutschland ein Tierstall in Flammen auf, rein rechnerisch. 5.000 Brände erfasst der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Berlin, pro Jahr. „Ein großes Problem sind dabei korrosive Gase wie Ammoniak, die von den Tieren ausgestoßen werden“, sagt ein Sprecher des GDV der taz. „Sie können Bauteile der Elektroinstallation angreifen, „wodurch Brände etwa aufgrund von Kurzschlüssen entstehen können“. Bislang sei häufig nicht festgelegt, wie oft die Inhaber der Ställe ihre Anlagen prüfen lassen müssen. Der GDV plädiert der taz gegenüber für kleinere Ställe. „Rein brandschutztechnisch wird es nicht zu schaffen sein, jedes Tierleben zu schützen“, schränkt er ein. Es sei aber „eine Debatte nötig, wie viel Verlust gesellschaftlich akzeptabel ist und welche Brandschutzmaßnahmen dafür notwendig sind“.

Auch Stefan Stein vom Tierschutz-„Team Stallbrände“ hat Zahlen in „horrenden Dimensionen“ zusammengetragen: Allein 2021 seien knapp 153.000 Tiere getötet und 433 Menschen verletzt oder getötet worden, schreibt er in einem offenen Brief an die Politik.

Wer fragt, wie oft es in Norddeutschlands Ställen brennt, wie viele Tiere dabei sterben und was die Brände verursacht, stößt schnell an Grenzen – auch in Schleswig-Holstein. „Für das Thema ‚Brandschutz‘ ist das Innenministerium zuständig“, sagt Jana Ohlhoff, Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums, der taz. Aber auch dort ist nichts zu holen. „Daten zu Stallbränden werden nicht zentral erfasst“, sagt Tim Radtke, Sprecher des Innenministeriums. Auch Christian Böse, Sprecher des Statistischen Amts für Hamburg und Schleswig-Holstein, teilt mit, dass „keine Daten zum Thema Brände, Brandursachen o.ä. erfasst werden“. Er empfehle, die Feuerwehr zu fragen. Ähnlich in Niedersachsen: Man möge sich an das Landeskriminalamt (LKA) wenden, sagt Alexandra Schönfeld, Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums. Konkrete

© ProVieh

Fallzahlen können auch die LKA-Sprecher Simon Ebbertz und Philipp Hasse nicht bieten.

Die Kundgebung findet am Dienstag, den 23. August 2022, ab 9:00 Uhr auf dem Vorplatz des Kursaals im Ostseepark, Eichholzweg 99, in 23774 Heiligenhafen statt. Mehr Infos