Barbara Maier

Autorin

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PROVIEH – 50 Jahre Nutztierschutz im Norden 

Für artgemäße, wertschätzende Tierhaltung in der Landwirtschaft
13. Juni 2023

PROVIEH ist Deutschlands erfahrenste Tierschutzorganisation für „Nutztiere“. Seit 1973 setzt sie sich für eine artgemäße und wertschätzende Tierhaltung in der Landwirtschaft ein. Im Juni feiert die Organisation ihr 50-jähriges Jubiläum. 

Die Tierschutzorganisation mit Hauptsitz in Kiel kämpft gegen tierquälerische Haltungsbedingungen und gegen die Behandlung von Tieren als bloße Produktionseinheiten. Grundlegende Motivation ist das Verständnis von Nutztieren als intelligente und fühlende Wesen. PROVIEHs Vision: Kühe, die auf der Weide grasen, Schweine, die im Erdreich wühlen und Hühner, die nach Würmern picken!

Jubiläum

Im Juni 2023 wird PROVIEH 50. Der Verein wurde am 15. Juni 1973 von den Schwestern Margarethe und Olga Bartling gegründet. Bei einem Besuch eines „modernen“ Maststalls für Kälber schockierten sie die unwürdigen Haltungsbedingungen der Tiere dermaßen, dass die Schwestern den Verein VgtM gründeten, der später zu PROVIEH e.V. umbenannt wurde. Sie begannen ihre erfolgreiche Tierschutzarbeit. Für ihren Einsatz gegen die tierquälerische Massentierhaltung verlieh ihnen der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1993 das Bundesverdienstkreuz. Am 25. Oktober 2001 trat die Erstverkündung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in Kraft – mit den ersten gesetzlich festgeschriebenen Mindestanforderungen an das Halten von bis zu sechs Monate alten Kälbern. Ein wichtiger Schritt, der auf das Wirken und den Einsatz von Margarethe und Olga Bartling zurückzuführen ist.  
Seitdem konnte PROVIEH weitere wichtige Erfolge erringen, zum Beispiel das Verbot der Käfighaltung von Legehennen und die Auslistung von Eiern mit der 3 aus dem Frischeisegment des Lebensmitteleinzelhandels. Auch das kommende Fixierungs-Verbot von Muttersauen in Kastenständen ist u.a. auf die Arbeit der Organisation zurückzuführen. Die Organisation wirkt aber nicht nur durch politische Arbeit, sondern ebenfalls durch Aufklärungsarbeit und Bildungsarbeit sowie durch Leuchtturmprojekte in der Landwirtschaft wie das Projekt KUH & KALB. 

Kuh und Kalb gehören zusammen

Kühe leben natürlicherweise in einem vielschichtigen Sozialverband und hegen tiefe Beziehungen zu Herden- und Familienmitgliedern. Wird ein Kälbchen geboren, ist die Mutterkuh in den ersten Lebenswochen des Kalbes durch einen starken Mutterinstinkt geleitet. Sie erkennt ihr Kalb in der Herde am Geruch stets wieder und bleibt fortwährend in seiner Nähe. In den ersten Tagen säugt ihr Kalb bis zu 15-mal täglich. Diese gute Grundversorgung ist essenziell für das Wohlergehen und die Gesundheit des Kalbes. Durch die gemeinsame Aufzucht bildet sich langfristig eine enge Kuh-Kalb-Bindung aus, in der das Kalb intensiv vom erwachsenen Tier lernt.  
Das Glück, bei der Mutter aufzuwachsen und enge Familienbindungen aufzubauen, haben leider nur sehr wenige Milchkühe, denn die meisten Kälbchen werden direkt nach der Geburt von der Mutter getrennt. Diese Trennung widerspricht dem artspezifischen Verhalten und den Bedürfnissen der sensiblen Tiere. Deshalb befürwortet PROVIEH die kuhgebundene Kälberaufzucht ausdrücklich und macht sich für diese Aufzuchtform stark.  
In Deutschland werden jedes Jahr, etwa vier Millionen Kälber geboren, denn nur wenn eine Milchkuh regelmäßig ein Kalb gebärt, gibt sie Milch. In der kuhgebundenen Kälberaufzucht wächst nur ein Bruchteil der Kälbchen auf, denn diese ist in der Milchviehwirtschaft eher die Ausnahme. Die meisten Kälber der Milchkühe werden aus wirtschaftlichen Gründen direkt nach der Geburt von ihnen getrennt, da die Milch der Mütter verkauft und nicht mit ihren Kälbern geteilt werden soll. Diese Kälbchen verbringen daher ihre erste Lebenszeit allein in Plastikiglus: Von Mutterwärme und Geborgenheit keine Spur! Sie werden mit einem Gemisch aus Kuhmilch und Milchaustauschpulver getränkt – um nicht zu viel wertvolle Milch für das Kalb zu „verschwenden”. Viele spezialisierte Milchviehbetriebe stehen außerdem vor dem Problem der überschüssigen Kälber, denn nur wenige Jungtiere werden für die Nachzucht benötigt. Ähnlich wie die männlichen Küken der Legehennen sind die männlichen Kälber daher ein unerwünschtes „Nebenprodukt“. Hochleistungsrassen, wie die schwarz-weißen Holstein-Friesian, werden allein auf hohe Milchleistung gezüchtet und setzen kaum Fleisch an, weshalb sich eine Mast der Milchkälber oft nicht lohnt. Unzählige Bullenkälber, aber auch schwache und überzählige Kuhkälber, werden bereits mit einem Alter von zwei Wochen über lange Strecken quer durch Deutschland und ins Ausland transportiert, um dann in Intensiv-Mastanlagen in kürzester Zeit und unter widrigen Bedingungen gemästet zu werden.  

© PROVIEH

 
Dieser Entwicklung, die rein auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist, möchte PROVIEH entgegenwirken und macht sich deshalb für die Umstellung auf kuhgebundene Kälberaufzucht stark, in welcher die Tiere ihre natürlichen Bedürfnisse besser ausleben können und Kuh und Kalb zusammenbleiben dürfen. Zum Glück gibt es immer mehr Betriebe, die auf kuhgebundene Kälberaufzucht umsteigen und außerdem die männlichen Kälber auf dem Hof aufwachsen lassen. Diese Betriebe wirken der Problematik der sogenannten „Wegwerfkälber“ entgegen. PROVIEH besucht regelmäßig solche Höfe und tauscht sich mit den teilnehmenden Landwirt:innen aus. Mit den Erkenntnissen aus dieser Arbeit möchte die Tierschutzorganisation noch viele weitere Landwirt:innen und Verbraucher:innen von dieser Aufzuchtform überzeugen, damit Kälber zukünftig bei ihren Müttern aufwachsen können.  
Viele Menschen wünschen sich heute eine neue Form der Milchviehhaltung und hinterfragen die Herkunft tierischer Lebensmittel. Das ist eine Entwicklung, für die PROVIEH seit geraumer Zeit kämpft. Auf der Organisations-Webseite und im Vereinsmagazin „respektiere leben“ werden regelmäßig besonders gute Höfe vorgestellt und über die neuesten Tierschutzentwicklungen berichtet. PROVIEH setzt sich für eine Tierhaltung ein, in der Mütter ihren Nachwuchs angemessen umsorgen und auch sogenannte Nutztiere ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben können. Dabei freut sich die Organisation über Unterstützung: www.provieh.de 

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