Jens Mecklenburg

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Overtourismus – Proteste gegen den Massentourismus auf den Kanaren

Umweltprobleme, zu hohe Mieten für Einheimische
22. April 2024

Unter dem Motto „Die Kanaren haben eine Grenze“ haben Zehntausende Menschen auf den Kanarischen Inseln gegen Massentourismus demonstriert. Insgesamt 55.000 Demonstrierende forderten eine Obergrenze für die Zahl der Touristen, mehr Umweltschutz und bezahlbaren Wohnraum für Einheimische, wie der staatliche TV-Sender RTVE und die Zeitung El País berichteten. „Der Tourismus erhöht meine Miete“ und „Das Paradies wird nicht aus Beton gemacht“ war auf Transparenten zu lesen.

Die Protestierenden forderten unter anderem, die Vermietung von Urlaubsunterkünften besser zu überwachen, den Immobilienkauf für Nichteinheimische zu begrenzen und eine Umweltsteuer für Touristen einzuführen.

Acht Touristen auf einen Einheimischen

Bei den Kanaren handelt es sich um acht bewohnte Inseln, die zu Spanien gehören, aber im Atlantik vor der Westküste Afrikas liegen. Insgesamt leben dort gut 2,2 Millionen Menschen. Allerdings halten sich vor allem in der Urlaubszeit deutlich mehr Menschen auf den Inseln auf. Auf jeden Einwohner kommen dann im Schnitt etwa acht Touristen – sieben ausländische, vor allem aus Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden, und ein Spanier vom Festland. Die meisten der gut 14 Millionen ausländischen Touristen zog es im vergangenen Jahr auf die größten Inseln Teneriffa, Gran Canaria und Lanzarote.

Für die Wirtschaft der Inseln ist der Tourismus unverzichtbar. Die Branche steht für 35 Prozent der Wirtschaftsleistung und sichert 40 Prozent der Arbeitsplätze. Vom Boom profitieren aber nur wenige. Unter den 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens, die den deutschen Bundesländern entsprechen, sind die Kanaren das zweitärmste.

Am Erfolg nicht zugrunde gehen

Der Tourismus auf den Kanaren boomt, 14 Millionen Urlauber kamen im vergangenen Jahr aus dem Ausland, noch nie waren es mehr. Zu viele? Selbst die Tourismusministerin der autonomen Region, Jessica de León, warnte bereits im Herbst 2023: „Die Herausforderung der Kanaren ist, nicht am eigenen Erfolg zugrunde zu gehen.“ Seitdem erlebten die Sonneninseln im Atlantik die erfolgreichste Wintersaison ihrer Geschichte, doch in mehr Wohlstand für die Einheimischen schlagen sich diese Zahlen kaum nieder.

„In Las Palmas zu leben? Unmöglich. Das kann ich mir nie leisten“, sagt ein Demonstrant, der aus einem Vorort zur Demo an die Strandpromenade von Las Palmas gekommen ist. „Platz finden würde ich hier höchstens als Kellner, für einen Hungerlohn“, sagt der junge Mann sarkastisch.

1600 Euro beträgt der Durchschnittsverdienst auf den Kanarischen Inseln – und ist damit mit der niedrigste in ganz Spanien. Andererseits stiegen die Mieten allein 2023 im Vergleich zum Vorjahr um fast 14 Prozent. Der Kauf eigener vier Wände ist für zahlreiche Bewohner der Kanaren unerschwinglich geworden: In den vergangenen zehn Jahren schossen die Preise für Häuser und Wohnungen um 80 Prozent in die Höhe. Gleichzeitig kletterte die Inflation, die Lebenshaltungskosten stiegen so stark wie fast nirgendwo sonst in Spanien.

Die Aktivistinnen und Aktivisten betonen, dass sie nicht grundsätzlich gegen den Tourismus seien, sondern gegen die schleichende Zerstörung der Inseln. Der Biologe und bekannte Dokumentarfilmer Felipe Ravina meinte kürzlich: „Seit Jahren werben wir für uns als weltweit einzigartiges Naturreiseziel, aber der Tourismus zerstört das Produkt, das wir verkaufen.“