Wolfgang Götze

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Nachhaltigkeit braucht Raum

Überlegungen von Wolfgang Götze
11. Oktober 2021

„Nachhaltigkeit“ hat scheinbar ihren Raum in Gesellschaft und Wirtschaft erobert. Oder ist da noch ein Platz frei geblieben? Im Wirtschaftsraum fallen die inzwischen erstarkten Säulen „Ökonomie“ und „Sozialverträglichkeit“ ins Auge. Verwunderlich ist dies nicht, geht es hier doch unter dem Stichwort „Ressourcenschonung“ letztlich auch um Kostenersparnisse für den einzelnen Betrieb. Weniger Energie- und Wasserverbrauch, weniger Materialeinsatz, weniger Abfallentsorgung bedeuten eben geringere betriebliche Kosten – ein Effekt, der direkt erfahrbar ist.

Ähnliches gilt auch für die Säule „Sozialverträglichkeit“. Besonders viel Aufmerksamkeit schenken ihr die Betriebe der Tourismuswirtschaft mit ihren Hotels und Restaurants. Antriebsfeder für diese Entwicklung war und ist möglicherweise die schwierige Lage am Markt für fachlich versiertes Personal.

Was ist mit der dritten wichtigen Säule der Nachhaltigkeit – der „Ökologie“? Sie führt immer noch ein kümmerliches Schattendasein! Dies mag daran liegen, dass sie sich nicht einfach in „Cent und Euro“ rechnen lässt, der Effekt von Investitionen in sie für die meisten nicht direkt und schnell erfahrbar ist, und ihr schwer verständliches Klagen über mangelnde Wertschätzung meist überhört wird. Dabei benötigt sie den meisten Raum – sprich Fläche. Obwohl diese Ressource äußerst begrenzt ist, wird an ihr brutaler Raubbau betrieben. Täglich (!) werden in Deutschland 56 Hektar – eine Fläche von 79 Fußballfeldern – allein für Siedlungs- und Verkehrsflächen zugebaut. 


Konkurrenzkampf um Boden 

Der Konkurrenzkampf um Boden ist voll entbrannt. Hierunter leidet als Erste die Landwirtschaft, die stetig Flächen als Produktionsgrundlage und zur nachhaltigen Lebensmittelerzeugung verliert. Schon jetzt hat der Flächenmangel die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen von 2007 bis 2016 um satte 142 Prozent in die Höhe getrieben. Gleiches gilt für die Pachtpreise. Eine Entwicklung, die letztlich uns Alle trifft. Und immer mehr Akteursgruppen strecken ihre Finger aus: die Energiewirtschaft für den Anbau von regenerativer Biomasse, die Rohstoffwirtschaft für den Abbau von Metallen, Sand-/Kiesvorkommen oder Investment-Gesellschaften, die Boden als Kapitalanlage für hohe und sichere Renditen entdeckt haben. Auch die Tourismuswirtschaft entwickelt sich verstärkt zu einem Flächenkonkurrenten.


Übernutzung der Naturschutzgebiete

Die Corona-Epidemie wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Erholungssuchende, Tagesausflügler und Urlauber drängt es in Massen auf die Naturflächen. Naturschützer stellen zunehmend eine Übernutzung der wenigen Naturschutzgebiete fest, ländliche Gemeinden ihrer Naherholungsgebiete. Strand-Gemeinden klagen über desaströse Verkehrsverhältnisse und Wildcamper (seit 2015 bis 2020 ist die Zahl der Wohnmobile von 390.00 auf 590.000 gestiegen). Schon fordern Campingplatz- und Parkplatzbetreiber eine Ausweitung ihrer Flächen. Allerorten ist der Trend zum Urlaub im eigenen Land mit möglichster großer Nähe zur Natur erkennbar. Da sind Investoren nicht fern, die touristische Projekte in attraktiver Landschaft realisieren wollen.

Die Tourismuswirtschaft wäre angesichts der erkennbaren Fehlentwicklungen gut beraten, sich intensiv mit der Säule „Ökologie“ auseinanderzusetzen und ihr eigenes Handeln einer genauen Risikoanalyse zu unterziehen. Denn die Gäste erwarten u. a. eine „intakte“ Landschaft sowie den Genuss regionaler Produkte und Küche. Marketing mit Bildern von gelben Rapseinöden mit der obligatorischen Eiche in der Mitte oder Horden von Kanuten und Stand-Up-Paddlern auf den verbliebenen 7 Prozent naturnaher Flüsse und Seen sind fatale Augenwischerei.

Der Beitrag erschien im FEINHEIMISCH-Magazin Sommer 2021.

Wolfgang Götze ist politischer Sprecher des Feinheimisch-Vorstandes.

politik@feinheimisch.de

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