Johanna Rädecke

Redakteurin

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Lob der alten Haus- und Nutztiere

Buchvorstellung: Raritäten von der Weide
17. Februar 2020

Jede Woche stirbt weltweit eine Nutztierrasse aus. Und auch in Deutschland finden sich etliche traditionelle Rassen nur noch in Büchern oder im Tierpark. Das ist eine Folge der Gier nach Billigfleisch, die zu industrieller Tierhaltung geführt hat. Den fast vergessenen Haus- und Nutztieren widmet sich Jens Mecklenburg in seinem Buch „Raritäten von der Weide“. Er zeigt, wo sie heute noch zu finden sind und welch enormes Potenzial in ihnen steckt.

© Ingo Wandmacher

Esst, was ihr schützen wollt!

Deutschland ist einer der größten Fleischproduzenten Europas. Unter dieser „Hochleistungsproduktion“ hat die Vielfalt alter und traditioneller Nutztierrassen in den letzten Jahrzehnten stetig abgenommen. Nur wenige Hochleistungsrassen decken rund 98 Prozent des hohen Bedarfs an günstigem Fleisch ab. Der Herausgeber dieses Magazins skizziert in seinem Buch, wie es in der dafür notwendigen Turbomast zugeht. Der Wunsch der Konsumenten nach magerem Fleisch hat dem entsprechend sukzessive das robuste Vieh verdrängt. Eine Entwicklung, die unsere kulturelle und kulinarische Vielfalt beschneidet.

Nur ein Beispiel aus Schleswig-Holstein: Weideten in den 1930er Jahren noch rund 80.000 Angler Rinder zwischen der Schlei und der Flensburger Förde, so ist der Bestand der schleswig-holsteinischen Rinderrasse heute auf einige Hundert Tiere geschrumpft. In seinem spannend zu lesenden Werk stellt Jens Mecklenburg neben vielen alten Rinderrassen auch zahlreiche selten gewordene Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner, Puten und Gänse vor.

Es ist ein großes Plädoyer, alte regionale Rassen zu schützen und zu erhalten. Diese eigenen sich in besonderem Maße für die nachhaltige Landwirtschaft und kommen zudem erheblich besser mit energieärmerem Futter zurecht. Und ist es nicht eine besondere menschliche Kulturleistung, dass sich in den unterschiedlichsten Gebieten jeweils die ideale Rasse angesiedelt hat, in der sich wiederum etwas von unserer kulturellen Identität widerspiegelt? Immerhin hat ein Umdenken eingesetzt. Die Population einiger alter Rassen ist in den letzten Jahren wieder gestiegen. Das hat auch mit einer gezielten Nachfrage des Verbrauchers und dem Wiedererwachen der regional geprägten Küche zu tun. Dementsprechend geht es in den Porträts auch immer wieder um den außerordentlich guten Geschmack der einzelnen Rassen. Mecklenburgs Appell ist klar und eindeutig: „Esst, was Ihr schützen wollt“. Jens Mecklenburg hat ein verdienstvolles Buch geschrieben, dass für den politisch Interessierten ebenso ein Gewinn ist wie für alle diejenigen, die sich besser ernähren oder endlich mal wieder ein besonders gutes Stück Fleisch essen wollen.

 

Jens Mecklenburg: Raritäten von der Weide.  66 Nutztiere, die Sie kennenlernen sollten, bevor sie aussterben

Oekom Verlag, HC, 200 Seiten, 18.95 Euro