Jens Mecklenburg

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Kaviarspekulanten versauen den Russen das Neujahrsfest

30. Dezember 2021

Russischer Kaviar ist wie Trüffel aus Italien eine weltweit geschätzte Delikatesse. In Russland sind die Fischeier zu Neujahr besonders beliebt. Aber derzeit müssen die Menschen in dem Riesenreich trotz fetter Ausbeute so viel zahlen wie nie zuvor.

In Russland gehört Kaviar in vielen Haushalten zu einem gelungenen Festessen dazu. „Für Kaviar ist das Geld nicht zu schade“, sagt Alexander Jefremow, der Chef des russischen Fischereiunternehmens Dobroflot. Er meint dabei vor allem den roten Lachskaviar, der besonders zu den Feierlichkeiten um das neue Jahr herum angesagt ist.

Doch dieses Jahr stehen die Konsumentinnen und Konsumenten vor einem Problem: Die Preise für die Delikatesse, die auf Russisch Ikra heißt, haben in diesem Jahr Höchststände erreicht. Vor dem Neujahrsfest müssen Kunden etwa 30 Prozent mehr zahlen als zur selben Zeit im Vorjahr. Erstmals überhaupt stiegen die Preise auf über 5000 Rubel (60 Euro) je Kilo.

Schwarzer Kaviar, der längst auch in Deutschland und anderswo im Ausland produziert wird, kostet etwa das Zehnfache. Er stammt vom Stör und ist deutlich weniger verbreitet – vor allem seit er nur noch von Zuchtbetrieben vertrieben werden darf, weil der Fisch geschützt ist.

Absatz ins Ausland steigt stark

Nach Angaben des russischen Statistikamtes Rosstat hat sich der Preis für roten Kaviar in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als versiebenfacht. Im Jahr 2000 kostete ein Kilo demnach noch 675,2 Rubel. Dabei steigen die Preise in diesem Jahr sogar, obwohl der Fang von Lachs wieder deutlich höher liegt als im vergleichsweise mageren Jahr 2020. Die Kaviarausbeute lag im vergangenen Jahr bei nur etwa 11.000 Tonnen, die Hälfte der diesjährigen Menge. Die Produktion von schwarzem Kaviar belief sich 2020 gerade einmal auf gut 50 Tonnen.

„Von einem Defizit kann in diesem Jahr keine Rede sein“, sagt Jefremow der Nachrichtenagentur dpa. Die staatliche Fischereibehörde Rosrybolowstwo erwartet in diesem Jahr mehr als 20.000 Tonnen Lachskaviar. Der jährliche Verbrauch von etwa 12.000 bis 16.000 Tonnen im flächenmäßig größten Land der Erde werde damit gedeckt.

Massiv gestiegen ist demnach aber der Absatz im Ausland – China ist ein großer Abnehmer; einige Ex-Sowjetrepubliken, aber auch Deutschland, Australien und Kanada kaufen in Russland ein. Fischereibehörden-Chef Ilja Schestakow meint, dass die Preise wegen des großen Angebots wieder sinken sollten. Es seien in diesem Jahr 510.000 Tonnen Pazifiklachs gefangen worden, fast 90 Prozent mehr als im Vorjahr. Deshalb gebe es auch mehr Kaviar.

Dass die Preise trotzdem steigen, führen Marktexperten auf Spekulanten zurück, die das Angebot künstlich gering halten. Auch Preisabsprachen zwischen den Firmen gelten demnach als Problem.

Jefremow aber sieht eine konkrete Ursache für die hohen Preise auch darin, dass etwa von der Pazifik-Halbinsel Kamtschatka, dem Hauptproduktionsstandort, nur ein geringer Teil in die zentralen Teile Russlands kommt. Er macht die Bürokratie dafür verantwortlich. Wer größere Mengen der begehrten Ware in die Millionenstädte Moskau oder St. Petersburg bringen wolle, brauche dafür die entsprechenden Dokumente. Das Problem für viele Händler sei, die Herkunft des Kaviars nachzuweisen, um die Papiere zu bekommen.