Ein Beitrag von Insa Lohmann
Viele Landwirtinnen und Landwirte würden ihre Produkte gerne direkt vermarkten – schrecken aber vor dem Aufwand zurück, sich einen eigenen Onlineshop aufzubauen. Die Bremer Brüder Carl und Moritz Armbrust haben mit „Friedhold“ eine Software entwickelt, die regionalen Erzeugerinnen und Erzeugern die digitale Arbeit erleichtern und den Direktvertrieb ankurbeln soll.
Der Hof Hemmlisch im Bremer Blockland ist ein idyllischer Ort. Biegt man als Besucherin auf den Hof ein, erscheint der Stadttrubel weit weg – obwohl er mit dem Fahrrad gerade mal zehn Minuten entfernt ist. Auf der angrenzenden Weide grasen die Angus-Rinder von Landwirt Jan Geerken. Hinter der ländlichen Idylle steckt viel Arbeit: Der 29-Jährige, der vor vier Jahren den Betrieb seiner Eltern übernommen hat, ist täglich im Einsatz. Er muss sich nicht nur um Hof und Tiere kümmern, sondern auch um die Vermarktung seiner Fleischprodukte. Geerken setzt mit seiner Rinderherde, die inzwischen aus 180 Tieren besteht, bewusst auf Bio-Qualität. Den Preis für seine Fleischprodukte seien einige Verkaufsläden jedoch nicht bereit zu zahlen, sagt er. Zu hoch wäre der Verbraucherpreis.
Zum eigenen Onlineshop in wenigen Minuten
Deswegen nutzt der Agraringenieur die Direktvermarktung – dabei kann er den Preis für seine Produkte selbst bestimmen. Die Bremer Plattform „Friedhold“ von Carl und Moritz Armbrust hilft ihm dabei. Das Versprechen der beiden Brüder: Das Einrichten eines eigenen Onlineshops für die Direktvermarktung dauert nur wenige Minuten – und gezahlt wird erst, wenn etwas verkauft ist. Fünf Prozent des Umsatzes gehen dabei an die Bremer Friedhold GmbH. Die Direktvermarktung ist für viele regionale Erzeugerinnen und Erzeuger deutlich lukrativer als der Vertrieb über die großen Handelsketten: „Von jedem Euro, der im Supermarkt für landwirtschaftliche Produkte ausgegeben wird, kommen nur noch 21 Cent bei den Erzeugern an“, erläutert Carl Armbrust.
Fleisch direkt ab Hof oder per Lieferung
Landwirt Jan Geerken kam mit „Friedhold“-Gründer Moritz Armbrust zufällig auf einer Veranstaltung ins Gespräch, als er gerade plante, den Betrieb seiner Eltern von Milch- auf Viehzucht umzustellen – die niedrigen Milchpreise waren nicht mehr wirtschaftlich. Geerken musste also umdenken und kaufte eine Rinderherde. Durch die stadtnahe Lage im Bremer Blockland erschien ihm die Direktvermarktung ideal: Die Kundinnen und Kunden können sich das Fleisch direkt bei Jan Geerken abholen oder an einigen Tagen auch nach Hause liefern lassen.
Von der Software für die Direktvermarktung der Armbrust-Brüder sei er deswegen gleich angetan gewesen, betont Landwirt Geerken: „Das passte perfekt“, sagt er. Der Einstieg in die Benutzung sei leicht gewesen, Hilfe habe er außerdem über die angebotenen Schulungen bekommen. Seitdem wickelt der Landwirt nach eigenen Angaben rund 50 bis 75 Prozent seiner Bestellungen über seinen Online-Holfladen ab. „Die Plattform vereinfacht die Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden erheblich“, sagt Geerken. Die Vertriebslösung sei für ihn genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen.
Erzeuger verdienen mehr
„Die Kundinnen und Kunden müssen nicht mehr beim Landwirt anrufen, um ihre Bestellung aufzugeben, das spart beiden Seiten viel Zeit“, sagt Software-Entwickler und Gründer Carl Armbrust. Zudem können sie über den Online-Hofladen genau auswählen, welche Produkte sie haben wollen. „So kann das gesamte Tier verwertet werden“, erklärt Carl Armbrust. Um Menschen zu einem bewussteren Fleischkonsum zu bewegen, setzt man bei „Friedhold“ auf das Prinzip der Verknappung: Jeder Benutzer und jede Benutzerin kann sehen, was andere in den Warenkorb gelegt haben – und was irgendwann nicht mehr zu haben ist.
Die Plattform soll es außerdem den Landwirtinnen und Landwirten leichter machen, den Überblick zu behalten: Wie viel wird verkauft? Wie oft und wann? „Seit unserem Go-Live haben die teilnehmenden Nutzerinnen und Nutzer mit unserer Software schon 9,3 Millionen Euro umgesetzt und damit gut 7,3 Millionen Euro mehr verdient, als sie das ohne Direktvermarktung getan hätten“, unterstreicht Carl Armbrust.
Idee kam auf einer Geburtstagsparty
Dass es zur gemeinsamen Unternehmensgründung der Brüder Armbrust kam, ist einer Begegnung auf einer Geburtstagsfeier zu verdanken. Ein Landwirt aus dem Bekanntenkreis erzählte Moritz Armbrust, dass er gerade von Milch- auf Viehwirtschaft umgestellt habe. Nun stand er vor der Herausforderung, in die Direktvermarktung einzusteigen. Analoge Prozesse? Schwierig. Ein Onlineshop? Teuer, befand er. Doch Moritz Armbrust wollte seinen Bekannten unterstützen: Noch in derselben Nacht rief er seinen Bruder Carl an, gerade einmal zwei Wochen später ging der erste Prototyp online. Kurz darauf war bereits das erste Rind seines Freundes mit Hilfe des Internets verkauft. „Wir haben gemerkt, dass das funktioniert und dass es Spaß macht“, erinnert sich Moritz Armbrust. „Und dann sind wir richtig eingestiegen.“
400 Landwirtinnen und Landwirte setzen auf „Friedhold“
Inzwischen setzen nach Angaben von „Friedhold“ bundesweit bereits rund 400 regionale Erzeugerinnen und Erzeuger auf die Dienstleistung der Bremer, rund 200 bis 280 verkaufen regelmäßig. Am größten ist das Angebot an regionalem Fleisch direkt vom Hof. „Junge Landwirte verstehen, dass man neue Wege gehen muss“, berichtet Carl Armbrust. Und das zahlt sich offenbar aus: Der erfolgreichste Anbieter habe inzwischen 1.500 Kundinnen und Kunden. „Das hätte er händisch nicht hinbekommen“, so der Gründer. Trotzdem ist es den Brüdern wichtig, dass die Landwirtinnen und Landwirte unabhängig bleiben: Die Online-Hofläden werden über eigene Internetadressen betrieben. Durch Schulungen zum Thema Online-Marketing erfahren sie, wie sie neue regionale Kundinnen und Kunden gewinnen können.
Vor Gründung bereits Start-up-Erfahrungen gesammelt
Moritz und Carl war schnell klar, dass sie sich auch etwas Eigenes aufbauen wollten. Die beiden setzten nach ihrer Zeit beim Ferienwohnungen-Portal zunächst eigene Software-Projekte um, bevor sie „Friedhold“ gründeten. Carl Armbrust schätzt die kurzen Wege zu anderen Gründerinnen und Gründern, die man in Bremen seinen Erfahrungen nach hat. „Mir gefällt hier im Norden einfach die Bodenständigkeit der Gründerinnen und Gründer“, so der 40-Jährige.
Für den fachlichen Input holten sich die Brüder acht Landwirte mit ins Boot, die ihnen als Branchenfremde wertvolle Tipps lieferten. Und auch der passende Name für das Unternehmen war schnell gefunden: Friedhold hieß der Großvater der Brüder, er war viele Jahre als Landwirt tätig. Seine Ideen inspirierten die Brüder schon in ihrer Kindheit, sagt Carl Armbrust. Ihre Ziele haben sie klar vor Augen: „Wir möchten möglichst jedem Landwirt und jeder Landwirtin in Deutschland helfen.“ 2022 bekam „Friedhold“ den Bremer Gründungspreis in der Kategorie „Nachhaltigkeit“. Das Bundeswirtschaftsministerium zeichnete das Unternehmen als „Digitales Startup des Jahres 2023“ aus. Unterstützung erhielt das Startup zudem beim Starthaus Bremen und Bremerhaven, wo die jungen Gründer die Gründungsberatung sowie Workshopangebote wahrnahmen.
Als zusätzlicher Verkaufskanal wurde inzwischen die App „Support your Farmer“ entwickelt, auf der Verbraucherinnen und Verbraucher Höfe mit Direktvermarktung in der Nähe finden und Produkte zur Abholung oder zur Lieferung bestellen können. So sollen beide Seiten noch besser zusammenfinden. Das Geschäft von „Friedhold“ soll sich künftig nicht nur auf Deutschland beziehen, auch Österreich, Schweiz und die Niederlande wollen die Brüder in Angriff nehmen. „Wir wollen wachsen“, so der 40-Jährige.