Jutta Kürtz

Journalistin & Sachbuch-Autorin

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Heimat is(st)…

das Quittenbrot der Nachbarin
20. April 2019

Es war ein kleines Pappschächtelchen, ausgelegt mit Stanniol aus Zigarettenpackungen, gefüllt mit aromatisch duftenden, klebrigen, burgunderroten Stückchen. Eines wurde mir zugeteilt, eine kleine Kostbarkeit: Quittenbrot. In den Zeiten großen Hungers eine Wonne. Ein Stück vom Paradies.

Quittenbrot muss seither sein, wenn es wintert und weihnachtet. Es ist ein – essbares – Mosaiksteinchen in dem, was sich bei mir zu einem Heimatgefühl fügt. Heimat ist ja immer etwas Sinnliches und hat auch sehr mit erinnertem Genuss zu tun. Die damalige Kinderfreude über die von der Nachbarin geschenkte Süßigkeit erklärt sich aus der Kargheit der „schlechten Zeit“, in der es ohnehin wenig zu essen gab – Süßes schon gar nicht. Tauchte irgendwo mal eine Rosine auf, so polkte ich sie mit krummen Fingerchen auf und lutschte sie wie Bonbons. Und nun also die süßen Rechtecke und Rauten, die von allen bestaunt und gewürdigt wurden und mit Bedacht genossen. Eine kleine Schachtel nur – aber man hatte ja kaum Zucker damals, von dem ja reichlich gebraucht wird, wenn man Frucht-Pasten zubereiten will. Und außerdem schenkte „man“ nicht groß. Die kleine Gabe und das Geben an sich hatten ihren großen Wert.

Portugiesen und die Spanier bereiten aus dem eingedickten Quittenmus ihre „Dulce de membrillo“ bzw. „ Carne de membrillo“ und essen die aromatischen Stücke und Scheiben auf Frühstücks- und Käsetoast. Auch zu Braten. In Argentinien liebt man Quince Past mit cheese and crackers. Und bei den Brasilianern Pasten aus Guaven.

Für mich gehört es zum Oktober, dass ich die gelb-leuchtenden Apfel- und Birnenquitten von den knorrigen Bäumen pflücke und mich dann gerne abplage mit dem Zerteilen und Ausschneiden der steinharten Früchte. Wenn das gare, süße Mus dann in flacher Schicht auf den Blechen im Backofen trocknet, stundenlang, zuweilen tagelang, dann zaubert der Duft die Erinnerung an das süße Wunder meiner Kindertage auf die Zunge. Hoch oben auf dem Schrank bewahrte die Nachbarin die Bleche auf, bis zum Advent. Die Vorfreude wuchs mit jedem Tag.

Übrigens bevorratete Mutter auch Quittenmus für einen ganz köstlichen Krümelkuchen. Und sie köchelte Quittenscheiben in Zuckersud für die so beliebte Fliederbeersuppe.

© Wiki Commons/ 4028mdk09 CC3.0

Rezept: Quittenbrot (Konfekt)

Zutaten (1 Blech)

  • 1,5 kg Apfelquitten (Apfelquitten sind würziger als Birnenquitten)
  • 1 Zitrone
  • 750 – 1000 g Zucker
  • 1 geh. TL Zimt
  • Distelöl für das Blech
  • Hagelzucker


Zubereitung

Quitten waschen und trockenreiben. Die Quitten mit der Schale in Achtel schneiden, dabei nur die Blume und den Stiel entfernen. Im Entsafter bei mittlerer Hitze 30 Minuten dämpfen. (Den Saft zu Quittengelee verkochen). Das weiche Quittenmus mit dem Schneidstab pürieren, durch ein Sieb streichen. (Da bleiben die Gehäuse-Reste und Kerne übrig, die Schalen sind püriert). Zitronensaft dazugeben. Abwiegen. Die gleiche Menge Zucker und den Zimt vermischen, unter das Quittenmus rühren. (Achtung: es gibt Rezepte, die Gelierzucker angeben. Ich persönlich habe damit keine guten Erfahrungen gemacht.)

Backblech mit Alufolie auslegen, mit Öl bestreichen. Das Quittenmus daumendick glatt auf dem Blech ausstreichen. In den vorgeheizten Backofen (E-Herd: 200 °C/ Umluft 175 °C/ Gas: Stufe 3) geben,
20 Minuten heiß werden lassen, (Achtung: die Masse verbrennt leicht an den Rändern), dann bei geringster Hitze (E-Herd: 50 °C/ Umluft 30 °C/ Gas: Stufe 1) 12 Stunden trocknen lassen, die Backofentür bleibt einen Spalt weit offen (Kochlöffel in die Tür klemmen).
Die Quittenmasse umdrehen. Erneut auf Alufolie platzieren. Dann noch einmal bei geringster Hitze im geöffneten Backofen 12 Stunden trocknen lassen.
Prüfen, ob die Masse stabil ist.

Auskühlen lassen. Mit einem luft-durchlässigen Tuch (leichtes Handtuch, Windel, Leinentuch) abgedeckt an einem geschützten Ort noch 14 – 30 Tage nachtrocknen lassen. Die Masse muss sich verfestigen, sie darf nicht mehr Saft abgeben.

In Rhomben oder Würfel schneiden, in Hagelzucker wälzen.

© Ingo Wandmacher