Jutta Kürtz

Journalistin & Sachbuch-Autorin

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Heimat is(s)t … Omas Schwipskuchen

Schwipskuchen nach Oma Thea
26. Juli 2018

Wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihn vor mir: den „Schwipskuchen“ der Kieler Oma Thea. Ich sehe den von meiner Mutter wunderschön gedeckten Kaffeetisch der 50er Jahre mit dem stilvollen Goldrand-Geschirr, matte Knöpfe schmückten die Deckel der Kanne und der Zuckerdose, das Silber lag blank geputzt am Platz, zierlich gestickte Servietten passten perfekt zum Gedeck – und dann wurde der gut gekleideten, plaudernden Damenrunde nach dem großen Torten-Genuss die kleine Spezialität des Hauses gereicht. Ein ganz besonderer Biskuit, eigentlich ein viktorianischer Sponge cake, also der locker-luftige Rührkuchen der Briten. Mutters Schwipskuchen aber hatte es in sich. Auf dem kostbaren Kuchenteller deckte eine goldgelbe Creme über dicht gesteckten Mandelstiften das Geheimnis ab. Erst beim Anschnitt wurde klar: der Teig war getränkt mit „Schwips“. Ein sündhafter Geruch und Geschmack verwöhnte die Kuchenrunde. Genuss pur in einer Zeit, in der so Köstliches nicht selbstverständlich war. „Kleine Stücke schneiden“, sagte meine Mutter, besorgt um das Wohlbefinden ihrer Gäste und legte meist selbst Hand an. Und immer sagte sie dann „Prost Thea“. Meine Kieler Großmutter lebte nicht mehr, aber ihr Rezeptheft und der Kuchen hatten überlebt. Ich selbst durfte selbstverständlich nicht einmal naschen. Beim Backen des Biskuit rutschte der Finger schon mal in den Teig. Und es war auch meine Aufgabe, mit meinen kleinen Kinderfingern den Teig zu „igeln“, ihn also mit den Mandelstiften dicht an dicht zu spicken. Daran blieb dann später die Creme so schön hängen. Eine herrliche, abgerührte Vanillecreme, von der ich heimlich naschte. Aber bevor sie kurz vor dem Servieren sehr kalt über den Kuchen gegossen wurde, musste der igelige Teig ja noch über Nacht beschwipst werden. Rum und Portwein und Läuterzucker wurden dafür gemischt und über- und angegossen. Vollgesogen wie ein Schwamm stand der Kuchen dann da.

Eines Tages, versteht sich, gab es dann auch bei mir am Ende der Kaffeetafel diese norddeutsche Variante einer Baba au rhum. Scheibchenweise, denn was zu Oma Theas Zeiten kein Problem war, muss die Hausfrau ja heute wohl bedenken: die Damen kommen nicht mehr zu Fuß herbei – Schwipskuchen in großer Menge geht ins Blut.

 

 

Rezept: Omas Schwipskuchen

 

Für 1 runde Springform, ergibt ca. 12 Stücke Kuchen

  • 3 mittelgroße Eier
  • 60 g Zucker
  • 3 EL Wasser
  • 120 g Weizenmehl, 1 TL Backpulver
  • je 0,2 Liter Rum & Portwein
  • 100 g Zucker, o,1 l Wasser
  • 0,4 l Schlagsahne (mind. 33% Fett)
  • 8 Eigelb
  • 150 g Zucker
  • ausgekratztes Mark von 2 Vanilleschoten (ersatzweise 2 TL echter Vanillezucker)

 

Zubereitung

Herstellung des Basis-Biskuit:

Die 3 Eier trennen. Die Eigelbe mit 60 g Zucker & 3 EL sehr warmem Wasser 5 Minuten sehr schaumig schlagen.

Die 3 Eiweiß mit einer kleinen Prise Salz sehr steif schlagen (bei Schüssel und Rührbesen auf Fettfreiheit achten).

Das schnittfeste Eiweiß auf die geschlagene Eigelbcrème geben, 120 g Weizenmehl mit 1 TL Backpulver fein darüber sieben und beides unter die Creme heben. Dies muss sehr sorgfältig und vorsichtig geschehen. Niemals länger rühren

Sofort in eine vorbereitete runde Springform auf Backtrennpapier geben, nicht einfetten.

Bei ca. 160 Grad ungefähr 20 Minuten goldgelb backen. Ofen nicht aufmachen zwischendrin.

Nach dem Backen auf ein gezuckertes Geschirrtuch stürzen, Backpapier abziehen, mit einem zweiten Geschirrtuch abdecken und auskühlen lassen.

 

Grundkuchen mit Mandeln spicken und alkoholisieren

Die Kuchenoberfläche dicht an dicht mit Mandelstiften bestecken. Das „Ding“ muss wie ein Igel aussehen.

Erst dann: die „Schwips-Mischung“ herstellen.

Je ein 0,2 Liter Läuterzucker (100ml Wasser mit 100 g Zucker aufgekocht und abgekühlt), Portwein und Rum mischen

Den Biskuitkuchen auf eine Platte mit Rand legen, vorsichtig mit der Mischung begießen, einen Rest als „See“ drumherum stehen lassen. Sehr gut abdecken, über Nacht kühl stellen. Wenn die Mischung zu schnell aufgesogen ist, noch etwas nachgießen. Der Biskuitteig muss richtig „schwammig“ vollgesogen sein.

 

Am nächsten Tag die Creme rühren

0,4 l Schlagsahne mit 8 Eigelb, 150 g Zucker und dem Mark von 2 Vanilleschoten verrühren und im Wasserbad „zur Rose“ rühren.

Erklärung: Die Schüssel mit der Eiermischung wird über einen passenden Topf mit leicht kochendem Wasser gestellt und die Masse unter stetigem Rühren langsam erhitzt. Sobald die Creme anfängt dick zu werden und beim Hineinpusten die Ringe einen Moment sichtbar bleiben, schnell herunternehmen und über Eiswasser rührend abkühlen.

Diese abgekühlte Vanillecreme 10 Minuten vor dem Servieren über den „Igel“ gießen, so gut verteilen, dass alles bedeckt ist und damit auch der verräterische Geruch nicht herausdringt.

Guten Appetit & Prost!