Vielfalt, mehr Vegetarisches und Regionales – für höchste Kochkunst bei entspannt-kultivierter Atmosphäre sind bundesweit 334 Restaurants mit den begehrten Michelin-Sternen ausgezeichnet worden. Damit wird in der am Dienstag präsentierten neuen Ausgabe des Restaurantführers Guide Michelin sogar noch der Vorjahresrekord um sieben Sterne getoppt.
Mit dem Restaurant Jan in München gibt es nun ein weiteres Drei-Sterne-Restaurant, außerdem 8 neue Zwei-Sterne-Restaurants und 34 neue Restaurants mit einem Stern. Noch hat der Süden und Südwesten in der Spitzengastronomie die Nase vorn – doch Großstädte sind ein interessantes Pflaster. „Gerade in Berlin hat sich sehr viel getan“, sagte der Direktor des Guide Michelin für Deutschland und die Schweiz, Ralf Flinkenflügel. Angetan ist er von der Vielfalt und Unkompliziertheit in der Hauptstadt.
Ungewöhnliches Jahr, schwieriges Umfeld
„Es war ein ungewöhnliches Jahr in einem schwierigen Umfeld. Mit so einem positiven Ergebnis hätten wir niemals gerechnet“, sagte er. Zwar sind die Lokale nach der Corona-Zeit wieder gut besucht. Doch die Zeiten sind wirtschaftlich schwierig, und es fehlen Fachkräfte.
Doch die Küchenchefs und Küchenchefinnen der Spitzengastronomie lassen sich ihre Probleme nicht anmerken. Sie kochen nach Beobachtung der Michelin-Tester auf beständig hohem Niveau und setzen zunehmend auf Nachhaltigkeit. Beeindruckt waren sie vom Engagement, dem Mut und von der Flexibilität, mit dem die Gastronomen allen Widrigkeiten trotzen. Um die Qualität bei kleinerer Mannschaft halten zu können, reagierten manche Restaurants mit kürzeren Öffnungszeiten und schlankeren Speisekarten.
Aufsteiger des Jahres ist Jan Hartwig, der mit seinem Restaurant Jan im Münchner Museumsquartier aus dem Stand in den Sterne-Olymp sprang. Bereits aus dem Münchner Atelier für seine Drei-Sterne-Küche bekannt, überzeugte er nun im eigenen Restaurant. Hartwig wurde für seine kreative Küche und seine perfekte Handwerkskunst direkt mit drei Sternen ausgezeichnet. Damit gibt es jetzt in Deutschland 10 Restaurants mit drei Sternen, 50 Restaurants mit zwei Sternen und 274 Restaurants mit einem Stern.
Hartwig selbst zeigte sich überwältigt: „Ich bin sprachlos“. Als Koch gebe man sich jeden Tag so viel Mühe, aber dann den dritten Stern zu bekommen, sei unfassbar. Hartwig dankte seinem Team, seiner Lebensgefährtin und Familie. Er habe den dritten Stern erhofft, aber nicht erwartet, sagte der sichtlich gerührte Spitzenkoch.
Bei den acht neuen Zwei-Sterne-Restaurants hoben die Michelin-Tester unter anderem das Alois – Dallmayr Fine Dining in München hervor, das nach seiner Wiedereröffnung unter der Küchenleitung von Max Natmessnig direkt zwei Sterne bekam.
Das Gourmetrestaurant Dichter unter der Leitung von Thomas Kellermann wird für seine regional-inspirierten Kreationen mit dem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet „Ich bin wahnsinnig stolz auf mein Team. Der zweite Stern war von Anfang an unser Ziel und ich bin sehr glücklich darüber, dass nun erreicht zu haben“, freut sich Thomas Kellermann. Seine Philosophie im Gourmetrestaurant Dichter ist klar: Regional-inspirierte Küche auf höchstem Niveau, modern interpretiert und mit klaren Aromen sowie Texturen. Im Mittelpunkt stehen dabei häufig traditionelle, oftmals herkömmliche Lebensmittel von höchster Qualität, die er gekonnt in Szene setzt.
Auch Niedersachsen hat ein neues Zwei-Sterne-Restaurant: Das Votum in Hannover mit Benjamin Gallein als Chef am Herd hat sich von einem auf zwei Sterne steigern können. Das Lakeside im Hamburger Fontenay-Hotel an der Außenalster gewann ebenfalls einen Stern hinzu und gehört nun zu den Zwei-Sterne-Lokalen der Hansestadt.
Bei den 34 neuen Ein-Sterne-Restaurants wurden die Berliner Lokale The Noname und das Bonvivant besonders erwähnt. Letzteres hat sich die Auszeichnung mit rein vegetarischer beziehungsweise veganer Küche verdient. Beachtlich auch der Zuwachs an Sternen in Freiburg: Hier gibt es mit dem Colombi Restaurant, der Eichhalde und der Wolfshöhle gleich drei neue Ein-Sterne-Restaurants.
Erfreulich war für die Tester das zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit, Regionalität und Saisonalität. Dafür haben nun 72 Restaurants einen Grünen Stern. Einen „Bib Gourmand“ für das beste Preis-Leistungs-Verhältnis haben bundesweit 274 Restaurants.
Verliehen wurden auch vier Awards für besondere Leistung der Restaurantteams: Als „Mentor Chef“ geehrt wird Christian Bau aus dem Drei-Sterne-Restaurant Victor’s Fine Dining by Christian Bau im saarländischen Perl-Nennig, weil er dem Nachwuchs wertvolles Know-how vermittle. Den „Young Chef Award“ samt Stern erhielt Alina Meissner-Bebrout mit ihrem Restaurant bi:braud in Ulm. Der „Service Award“ ging an Mona Schrader aus dem Zwei-Sterne-Restaurant Jante in Hannover. Für seine Weinexpertise geehrt wurde Christophe Meyer vom Le Pavillon im Schwarzwaldort Bad Peterstal-Griesbach.
TV-Koch nur noch mit einem Stern
Doch es gibt nicht nur Gewinner: In 28 Fällen wurden Sterne gestrichen. So hat Fernsehkoch Frank Rosin mit seinem Rosin im nordrhein-westfälischen Dorsten nur noch einen Stern. „Die Qualität war nicht mehr auf dem Niveau wie in den vergangenen Jahren“, hieß es von Michelin. Teils kamen Sterne auch wegen Schließungen abhanden, wegen eines Teamwechsels oder – wie im Fall Heinz Winkler – mit dem Tod des Patrons.
Lob haben aus Sicht Flinkenflügels letztlich alle verdient: „Wir sind richtig stolz darauf, was sich im letzten Jahr entwickelt hat. Da war so viel Leidenschaft dabei. Es steckt so viel Arbeit dahinter. Das ist beachtlich.“
Der Michelin-Guide kommt in 41 Ländern heraus, neben Europa auch in den USA und Asien. Hinter dem renommierten roten Restaurantführer steht der gleichnamige französische Reifenhersteller. In Deutschland erschien der erste Guide Michelin 1910, damals noch „den Herren Automobilisten“ gewidmet und vor allem mit Straßenrouten versehen. Die ersten Michelin-Sterne in Deutschland wurden 1966 verliehen.