Johanna Rädecke

Redakteurin

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Goldener Windbeutel 2021

Wie Verbraucher:innen mit Klima- und Umweltlügen getäuscht werden
19. November 2021

Welches Lebensmittel ist die dreisteste Werbelüge des Jahres? Darüber können Verbraucher:innen ab heute bei der diesjährigen Wahl zum Goldenen Windbeutel auf www.goldener-windbeutel.de abstimmen. Die Verbraucherorganisation foodwatch hat fünf Produkte nominiert, die exemplarisch für Täuschung im Supermarkt stehen. Die meisten von ihnen präsentieren sich als besonders klima- und umweltfreundlich – können diese Werbeversprechen aber nicht halten, kritisierte foodwatch. Die Verbraucherorganisation sprach sich deshalb für eine klare Regulierung von „nachhaltigen“ Werbeversprechen aus. Die nominierten Unternehmen reagierten mit Ausreden und wiesen die Verantwortung von sich, so foodwatch.

„Klimakrise, Abholzung und Plastik-Müllberge: Unsere Ernährungsweise hat ihren Anteil an den riesigen Problemen, vor denen wir heutzutage stehen. Aus dem Bedürfnis von Verbraucher:innen nach mehr Nachhaltigkeit will die Lebensmittelindustrie jetzt Kasse machen und vermarktet ihre Produkte als Rettung für Umwelt und Klima. Viele Werbeversprechen entpuppen sich als dreiste Lüge: Ein grüner Anstrich macht aus einer Kaffeekapsel kein nachhaltiges Produkt und auch Fleisch wird durch manipulierte Zertifikate nicht zum Klimaretter“, erklärte Manuel Wiemann von foodwatch, Wahlleiter für den Goldenen Windbeutel. „Klima- und Umweltwerbung auf unökologischen Produkten muss gestoppt werden!“

Montage ©Foodwatch

Das sind die fünf Kandidaten für den Goldenen Windbeutel 2021:


Kandidat Nr. 1: Volvic Natürliches Mineralwasser von Danone 
Auf der Flasche des Volvic-Mineralwassers prangt ein „Klimaneutral zertifiziert“-Label. Dabei ist das Wasser alles andere als vorbildlich: Die Flaschen werden größtenteils per Lkw aus Frankreich nach Deutschland transportiert. Einweg-Plastik-Flaschen schaden der Umwelt stärker als Mehrwegflaschen. Und im Vergleich zu Leitungswasser emittiert das Volvic-Wasser ein Vielfaches an CO2.


Kandidat Nr. 2: Mövenpick Green Cap Kaffeekapseln von J.J. Darboven
„Kompostierbar“ und „biologisch abbaubar“ sollen die Mövenpick-Kaffeekapseln von J.J. Darboven sein. Tatsächlich sind die „ Green Caps“ alles andere als umweltfreundlich: Abfallunternehmen können sie weder recyceln noch kompostieren – sondern müssen sie verbrennen. Dadurch sind sie in der Umweltbilanz nicht besser als normales Plastik. 


Kandidat Nr. 3: Katjes Wunderland Fruchtgummis
Ausgerechnet bei einer Süßigkeit mit 60 Prozent Zuckeranteil tut Katjes so, als sei sie gesund. Die als „Wunderland“ getarnte Zuckerbombe enthält zugesetzte Vitamine – für ein vermeintlich „besseres Naschen“. Dadurch verleitet Katjes zum Süßigkeiten-Konsum und verschleiert den hohen Zuckergehalt, der sogar 30 Prozent höher ist als bei Haribo Goldbären.


Kandidat Nr. 4: Clean Protein Bar von Naturally Pam by Pamela Reif
Die Fitness-Influencerin Pamela Reif bewirbt die Verpackung ihres Proteinriegels als plastikfrei, biologisch abbaubar und umweltfreundlicher als konventionelles Plastik. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Plastik-Folie, die weder kompostiert noch recycelt wird, sondern als Plastikmüll in der Müllverbrennung landet. Auch in der Natur würde die Folie – wenn überhaupt – nur sehr langsam abgebaut.


Kandidat Nr. 5: Wilhelm Brandenburg Hähnchen-Brustfilet von Rewe
Rewe rechnet Fleisch „klimaneutral“, indem es falsche CO2-Zertifikate nutzt. Die Eigenmarke „Wilhelm Brandenburg“ wird so zur Klimalüge. Zum Ausgleich von Emissionen soll Wald geschützt werden – stattdessen werden im Projektgebiet in Peru Bäume zerstört.


So reagierten die Unternehmen: 

Gegenüber Spiegel Online nahmen Danone, Darboven, Naturally Pam sowie Rewe zur Kritik von foodwatch Stellung. Katjes äußerte sich nicht. Danone gab an, dass Einwegflaschen aus recyceltem PET für lange Transportwege die ökologisch sinnvollste Verpackung seien. Genau hier liege jedoch der Hund begraben, so foodwatch: Wasser, das über lange Transportwege nach Deutschland gekarrt würde, als besonders klimafreundlich darzustellen, sei eine dreiste Klimalüge. Darboven bezeichnete die „aktuelle Situation der Entsorgungswege“ als unbefriedigend. Das Unternehmen arbeite an einer „anderen Lösung“ für das erste Halbjahr 2022. foodwatch stellt dazu fest: Kaffeekapseln sind und bleiben eine unnötige Verschwendung von Ressourcen. Selbst bei erfolgreicher Zersetzung werde kein hochwertiger Kompost gebildet. Auch Naturally Pam schiebt die Schuld auf die Abfallwirtschaft: Diese liefere noch nicht die nötigen Bedingungen, dass die Verpackungsfolie des Proteinriegels richtig kompostiert werden kann. Das Problem seien jedoch nicht die Abfallunternehmen, sondern die Verpackung, kommentierte foodwatch. Aufwändig hergestellte Plastik-Verpackungen sollten recycelt und wieder verwendet werden, statt kompostiert oder verbrannt. Rewe redet sich damit heraus, dass das Unternehmen erst seit 2021 mit dem Zertifizierungsunternehmen kooperiere. Fakt ist: Die Zertifikate für das Geflügelfleisch von Rewe stammen aus den Jahren 2010-2012. Für diesen Zeitraum hat das Projekt nachweislich keinerlei Emissionsreduktionen bewirkt, die Zertifikate sind also falsch. Zudem sei es grundsätzlich irreführend, Fleisch als „klimaneutral“ zu bewerben. 

Noch bis zum 12. Dezember können Verbraucher:innen auf www.goldener-windbeutel.de aus den fünf Kandidaten ihren Favoriten für den Preis der dreistesten Werbelüge wählen. Dem Hersteller des Produkts mit den meisten Stimmen will foodwatch den Negativpreis am Firmensitz überreichen. Die Hersteller wurden von foodwatch am Mittwoch, den 17.11., vorab über die Nominierung ihrer Produkte informiert.

Link: 

Die Online-Abstimmung zur Werbelüge des Jahres unter: www.goldener-windbeutel.de 

Aktivist*innen überreichen den Negativpreis 2020 an Hochland. ©foodwatch