In der kleinen Gemeinde Stein in der Probstei, östlich von Kiel, freuen sich alle schon lange auf Pfingsten. Sie planen und plaudern gerne von alten Zeiten. Ganz aktuell von Pingstsünnobend und dem traditionellen Umzug. Aber: sie meinen nicht wirklich das Pfingstfest der Kirche, 50 Tage nach Ostern, das Pfingstwunder, die Austeilung des Heiligen Geistes. In der Probstei wird in der Woche nach Pfingsten gefeiert. Und wenn es um den Geist geht, dann kommt er aus der Flasche. Es ist die alte Tradition der Pfingstgilde, wie sie in so mancher Gegend mit Schützenfesten und Ringreiten, mit Pfingstbier und Tanz gefeiert wird. Lüttenpingsten=Kleinpfingsten nennt man im Norden den Sonntag nach dem kirchlichen Pfingstfest.
Am Sonnabend nach Pfingsten machen sich die Steiner, unterstützt von den ortsnahen Wendtorfern, angeführt von einem Ältermann, auf ihren Weg durchs Dorf. Eine urige Blaskapelle spielt, der Ältermann mit Strohhut und gut 125 Jahre altem Handstock führt den Zug an, die traditionsbewussten „alten“ Steiner und Wendtorfer, festlich gekleidet, marschieren in 8er-Reihen hinterher, und dann geht es los beim ersten mit Maiengrün geschmückten Haus. Die Dame des Hauses wird herausgeklopft, tanzt mit dem Ältermann und alle anderen machen mit. Mit wohlgesetzten traditionellen Worten und einem tüchtigen Zuprosten geht es weiter zum nächsten Haus. Untergehakt in ordentlichen Reihen. Und wieder wird getanzt. Die Damen des Hauses dürfen sich für den Vortanz immer einen Mann aussuchen. So geht der Umtanz von Haus zu Haus vor etwa 30 Häusern weiter. Ab 20 Uhr ist dann großer Tanzball für alle. Auch für Gäste. Der Fremdenverkehrsverein Stein ist der Veranstalter, seit vor Jahrzehnten das traditionsreiche Dorfhotel Stein abgebrannt ist.
Früher, so weiss Günter Aldag zu berichten, begann das Fest am Mittwoch. Am Pingstfreedag und Pingstsünnobend feierten die Steiner Bauern und die Wendtorfer Fischer, und der Festball war dann am Ende für alle da. Auch für Gäste. Manche kamen von weit her. Traute Mücke: „Sogar große Hamburger Kaufleute kamen. Es war das schönste Fest des Jahres. Wir haben die ganze Nacht getanzt, man ging im Hellen nach Hause.“ Die Hausfrauen in den Häusern buken heiße Pförtchen – die kleinen Teigbällchen aus den Augen-Pfannen, die wie Mini-Berliner aussehen. Traute Mücke: „Ich backe immer noch das alte Hausrezept mit 12 Eiern und einem Liter Butter.“ Immer gab es leckeres Stachelbeermus dazu. Und da es immer die Zeit des jungen Butts war, lieferten die Wendtorfer Fischer den frisch gebratenen Butt dazu. Noch heute gilt das Gericht „Fisch, Förn und Stickelbeermus“ als Probsteier Spezialität. Und in vielen Häusern gibt es am Pingssünnobend vorweg oder zwischendurch reichlich davon zu essen. Der Tag ist ja lang, und trinkfest muss man beim Umtanz ja sein.
Feierbiester
In alten Chroniken ist nachzulesen, dass die ersten Siedler der Probstei, wohl im 13. Jahrhundert, erst in der Woche nach Pfingsten auf ihren neuen Siedlungsplätzen angekommen waren – so soll sich die Sitte entwickelt haben, die Pfingstgilde n a c h dem Kirchenfest zu feiern. Ohnehin wird den Probsteiern nachgesagt, dass sie Freude an Lustbarkeiten hatten. Günter Aldag: „In vielen Dörfern gab es Musikanten, man tanzte gern, das Bier wurde im Haus gebraut und am Wochenende hatten Knechte und Mägde frei. Solange die Feldarbeit noch nicht losging, konnte da gut und oft gefeiert werden.“ In allen 20 Dörfern wurde früher die Pfingstgilde gefeiert. Seit dem ersten Weltkrieg aber pflegten nur die Steiner die Tradition.
Küstennah sind ab Mai die jungen Schollen (der Butt) zu fangen. „Man“ sagt, die junge Maischolle sei besonders zart. Aber wirklich gut schmeckt sie erst wieder im Juni und Juli, wenn sie sich vom Laichen erholt und Fleisch angefuttert hat. Dann ist sie frisch gebraten ganz besonders lecker. An der Ostsee, auch in der Probstei, werden dann die „Butt-Wochen“ veranstaltet, in manchen Gaststätten serviert man auch Stachelbeermus dazu.
„Fisch, Förn und Stickelbeermus“ war lange auch das Traditionsgericht der „Ellerbeker Büttgill vun 1666“, wenn sie ihre Pfingstgilde feierte. Das änderte sich, weil man lange lieber frischen Aal servierte. Aber seit einigen Jahren steht wieder der kross gebratene Butt auf dem Tisch, wenn man zum Festessen einlädt. Nun allerdings mit Bratkartoffeln – und das Gildefest ist in den Juli verlegt worden.