Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

Zum Portrait

Ernährung in Krisen-Zeiten

Was verändert sich durch die Corona-Pandemie?
3. September 2020

Der Ernährungsalltag der Gesellschaft hat sich während der Corona-Pandemie verändert. So stieg zum Beispiel der Weinabsatz in Deutschland zwischen April und Juni um 12,5 Prozent. Werden die Deutschen nun zu Säufern? Wie wandelt sich unser Essverhalten? Was bedeutet die Pandemie für die Zukunft der Gastronomie? Diese und weitere Fragen diskutierten rund 40 Sozial-, Kultur- und Naturwissenschaftler während des Online-Forums des Netzwerks Ernährungskultur Ende August 2020. 

©Foodwatch

Einkaufsverhalten

Prof. Dr. Achim Spiller von der Universität Göttingen untersuchte im April und im Juni 2020 anhand einer Verbraucherbefragung, wie sich das Einkaufsverhalten und die Ernährung verändert haben: Während des Lockdowns im April wurde seltener eingekauft, aber dafür wurden mehr Lebensmittel auf einmal gekauft. Die Wahl der Einkaufsstätte änderte sich nicht. Die Befragten haben mehr auf länger haltbare und regionale Lebensmittel geachtet und auch Nachhaltigkeitsaspekte wie Umwelt, Tierschutz und Klimaschutz nicht aus dem Blick verloren – das können die positiven Entwicklungen der Krise sein. Bei der Folgebefragung im Juni zeigte sich, eine leichte Tendenz zur gesünderen Ernährung, es wurde weniger Fleisch und mehr Obst und Gemüse gegessen. Der Trend zur regionalen Versorgung hat sich im Juni sogar noch verstärkt. Die Befragten kauften wieder so oft wie vorher ein, jedoch hat ihr Preisbewusstsein zugenommen.

Häusliches Kochen

Prof. Dr. Jana Rückert-John von der Hochschule Fulda stellte verschiedene Thesen zum Wandel der Ernährung in der Krise vor: Der „selbstbestimmte Nahraum“ gewinnt an Bedeutung. Es wird mehr gekocht und mehr Wert auf Lebensmittel aus der Region gelegt. Diese Entwicklungen bestätigen auch die Ergebnisse des Ernährungsreports 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Schließung der Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung führte zu einer Zunahme des häuslichen Kochens und gemeinsamer Mahlzeiten. Für das Kochen sind nach wie vor überwiegend die Frauen verantwortlich, es kommt zu einer Rückverlagerung in traditionelle Zuständigkeiten. Im August 2020 gaben Paare mit Kindern, die vor der Krise eine faire Aufgabenteilung hatten, an, dass die Frauen wieder mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen.


Gastronomie

Folglich rückt die Ernährung durch die Krise wieder stärker ins Private.

Das Essen außer Haus ist durch das Tragen von Masken, Hygienevorschriften und Co. komplizierter geworden. Der Journalist Johannes J. Arens referierte über die Entwicklungen, Erfahrungen, Herausforderungen und Sorgen der Kölner Gastronomieszene in den vergangenen Monaten. Viele Gastronomen gehen als Verlierer aus der Krise hervor. Gastronomie hat eine wichtige Funktion für das soziale Miteinander. Ein Wegfall bedeutet mehr als nur „dann esse ich halt zuhause“. Wie werden sich die Konzepte von Gastlichkeit in Zukunft verändern? Arens wagte es noch nicht, eine Prognose abzugeben, denn bislang hätten sich alle Prognosen als falsch erwiesen. Zum Beispiel blieben die erhofften Besucherzahlen nach der Wiedereröffnung oft aus. 

Andere Gastronomie-Experten rechnen mit einer größeren Pleitewelle im Herbst und Winter. Auch ist damit zu rechnen, dass kleine inhabergeführte Restaurants mehr unter der Krise zu leiden haben als große Fastfoodketten. 


Prekäre Arbeitsverhältnisse

Die Krise hat die prekären Arbeitsverhältnisse von Saisonarbeitskräften in der Ernte und der Leiharbeiter in der Fleischindustrie sichtbar und zum gesellschaftlichen Thema gemacht. Vielen Verbrauchern waren die Arbeitsbedingungen vorher nicht bewusst, dass hoben sowohl Rückert-John als auch Spiller hervor. Jana Stöxen von der Universität Regensburg machte in ihrem Vortrag  deutlich, dass die Menschen- und Tierrechte in der Lebensmittelerzeugung durch die Corona-Pandemie in den Fokus geraten sind.

Dabei spielt vor allem die Gesundheitsrelevanz der Ernährungsbranche eine wichtige Rolle.


Fazit

„Die Krise ist der Beginn einer Zeitenwende und keine kurzfristige Veränderung. Es gibt kein Zurück zum vorherigen Zustand“, betonte Prof.

Dr. Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg in seinem Resümee der Auftaktveranstaltung. Weitere Forschungsaktivitäten seien notwendig.

Derweil gab das Mannheimer Institut für Seelische Gesundheit an, dass 37% der Teilnehmer einer Befragung angaben, während der Pandemie mehr Alkohol getrunken zu haben. Den Forschern zufolge, ein schlechtes Zeichen: Pandemien seine schon immer ein „idealer Nährboden für Süchte“ gewesen.

Weitere Informationen: http://www.esskult.net